Ein unwiderstehlicher Antrag

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Julie ist unglaublich stolz auf ihren besten Freund Luc: Heimlich hat er das neue Krankenhaus in Royal, Texas gesponsert. Er ist so großzügig und so bescheiden - sie könnte sich glatt in ihn verlieben … Doch ausgerechnet jetzt muss Julie das Land verlassen, weil ihre Arbeitserlaubnis abgelaufen ist. Mit Lucs Reaktion auf diese schlimme Nachricht hat sie nicht gerechnet: Spontan macht er ihr einen Heiratsantrag. Eine Vernunftehe … Soll Julie Ja sagen - und das Risiko eingehen, dass ihre Freundschaft durch ihre verrückte Sehnsucht nach mehr zerstört wird?


  • Erscheinungstag 23.02.2016
  • Bandnummer 1912
  • ISBN / Artikelnummer 9783733721121
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Voller Stolz sah Julie Kingston zu, wie ihr bester Freund und Kollege Lucas Wakefield mit einer großen glänzenden Schere auf das breite hellblaue Band zuging. Seine Aufgabe war es, das Band zu durchtrennen und die neue Wakefield Klinik offiziell zu eröffnen.

Beinah alle Einwohner der kleinen texanischen Stadt Royal waren gekommen, um dem feierlichen Akt beizuwohnen. An dieser Stelle hatte die alte freie Klinik gestanden, die ein halbes Jahr zuvor von einem Monstertornado dem Erdboden gleichgemacht worden war. Trotz seiner Position als Chefchirurg des Royal Memorial Hospitals hatte Dr. Wakefield als Freiwilliger an dieser Klinik gearbeitet, die für die ärmeren Bevölkerungsschichten aus der ländlichen Umgebung besonders wichtig gewesen war.

Und nicht nur das. Auch hatte er einen Großteil seines Vermögens, das er durch verschiedene Patente im Medizinbereich erworben hatte, für den Wiederaufbau gespendet. Da er im Grunde seines Herzens ein bescheidener Mann war, hatte er sein Engagement geheim halten wollen, aber irgendwie war es doch publik geworden, und so hatte sich seine Großzügigkeit in Windeseile herumgesprochen. Sosehr er sich auch dagegen wehrte, hatte er schließlich nichts dagegen tun können, dass die neue Klinik seinen Namen trug. „Was soll das?“, hatte er zu Julie gesagt. „Es ist doch nicht meine Klinik. Sie gehört den Einwohnern von Royal.“ Und auf ihren Einwand, er habe sie quasi mit seinem Privatvermögen finanziert, hatte er nur gemeint: „Das war doch selbstverständlich.“

Diese Haltung war typisch für Luc. Das Wohl der anderen stand für ihn an erster Stelle. Julie warf ihm einen aufmunternden Blick zu. Trotz seiner souveränen Selbstsicherheit hasste er es, Mittelpunkt des allgemeinen Interesses zu sein. Links neben ihm stand Stella Daniels, die geschäftsführende Bürgermeisterin, und rechts Stellas frisch angetrauter Ehemann Aaron Nichols. Aaron war Teilhaber der Baufirma R&N Builders, die das Krankenhaus errichtet hatte und auch sonst dafür verantwortlich war, dass Royal nach dem verheerenden Sturm Stück für Stück wieder aufgebaut wurde und das Leben normal weiterging.

„Ich bin so stolz auf meinen Sohn.“ Elizabeth Wakefield tupfte sich eine Träne aus dem Augenwinkel, als Julie sich neben den Rollstuhl kniete und ihr sanft über den Arm strich. Seit einer verpfuschten Operation zehn Jahre zuvor war Lucs Mutter von der Taille an gelähmt und brauchte eine 24-Stunden-Pflege. Da sie nach einer gerade überstandenen Lungenentzündung noch sehr schwach war, hatte Luc ihr verboten, zu der Eröffnung zu kommen. Aber sie hatte es sich trotzdem nicht nehmen lassen, denn in manchen Dingen konnte sie genauso stur sein wie ihr Sohn.

„Dazu haben Sie auch allen Grund“, meinte Julie. „Sie haben Ihren Sohn zu einem beeindruckenden Mann erzogen.“

„Ich wünschte, sein Vater hätte das noch miterleben können. Er war so sicher, dass aus Luc mal etwas ganz Besonderes wird.“ Elizabeth seufzte leise.

Julie drückte ihr die zitternde Hand. „Ich bin überzeugt, er weiß es.“

Nach einer kurzen Ansprache der Bürgermeisterin durchschnitt Luc das hellblaue Band. Alles klatschte, und Lucs Clubfreunde aus dem Texas Cattleman’s Club umringten ihn und gratulierten ihm. Julie sah Elizabeth besorgt an, die stolz, aber sichtlich erschöpft war.

„Ich glaube, es ist Zeit für Sie“, meinte auch ihre Pflegerin Theresa.

Elizabeth nickte. „Ich fürchte, ja.“

„Soll ich Luc schnell noch mal holen?“, fragte Julie. „Damit Sie sich von ihm verabschieden können?“

„Nein, nein, lassen Sie nur. Ich sehe ihn ja nachher zu Hause.“

„Gut.“ Julie küsste ihr zum Abschied die blasse Wange. „Auf Wiedersehen.“

Theresa schob den Rollstuhl fort, und Julie trat zu ihren Freundinnen Beth Andrews und Megan Maguire, die ein paar Meter abseits standen.

„Sie sieht ziemlich elend aus“, meinte Beth. Nachdenklich sah sie Elizabeth und der Pflegerin hinterher, die auf einen schwarzen Kombi zusteuerten – eine Sonderanfertigung, die Luc in Auftrag gegeben hatte. Für seine Mutter war ihm nichts zu teuer.

„Ja.“ Julie nickte traurig. In dem halben Jahr in Royal war Elizabeth ihr zu einer echten Freundin geworden. Sie selbst war ohne Mutter aufgewachsen, da diese bei der Geburt ihrer zweiten Tochter Jennifer gestorben war, und genoss die mütterliche Zuneigung der alten Dame. Ihr Vater war viel gereist und selten zu Hause gewesen, und so waren sie und Jennifer im Wesentlichen von Nannys und Hauslehrern erzogen worden. Erst als seine Töchter erwachsen und außer Haus waren, hatte der Vater wieder geheiratet.

„Hast du in dieser Woche ein bisschen Zeit, um bei mir auszuhelfen?“, riss Megan sie aus ihren Gedanken. „Vielleicht eine oder zwei Stunden? Jemand hat mir einen Karton mit Welpen vor die Tür gestellt, die mit der Flasche gefüttert werden müssen. Und ich bin diese Woche besonders knapp an Personal.“ Megan, Geschäftsführerin des Städtischen Tierheims, hatte sich besonders nett um Julie gekümmert. Ihr Verlobter und auch Beths Zukünftiger waren wie Luc Mitglieder im TCC.

Julie überlegte kurz. Zwar hatte sie eine arbeitsreiche Woche vor sich, aber sie wollte der Freundin gern den Gefallen tun. Zumal es wahrscheinlich das letzte Mal sein würde … „Selbstverständlich. Sag mir Bescheid, wenn du mich brauchst.“

„Du bist ein Engel!“

In diesem Augenblick kam Luc auf die drei Freundinnen zu. „Guten Tag, die Damen.“

Julie wandte sich zu ihm um und strahlte ihn an. Hoffentlich merkte er nicht, wie tieftraurig sie war. Auf keinen Fall wollte sie ihn mit ihren Sorgen belasten.

„Super, was Sie für die Stadt getan haben, Luc“, sagte Megan spontan, und Beth nickte eifrig.

„Ich danke Ihnen, Madam“, sagte er, verbeugte sich galant und warf den dreien sein charmantestes Lächeln zu. Julie wurde es ganz warm ums Herz – obwohl sie doch nur Freunde waren, wenn auch sehr gute Freunde …

Er wandte sich zu ihr um. „Kann ich dich nach Hause fahren?“

Kurz runzelte sie die Stirn. Ihr Apartment war bequem zu Fuß zu erreichen. Außerdem war es ein warmer, schöner Tag. Aber wahrscheinlich suchte er dringend nach einem Vorwand, von hier wegzukommen. „Ja, gern.“

„Okay. Dann wollen wir mal. Hat mich gefreut, Sie zu sehen, meine Damen.“ Er nickte Megan und Beth lächelnd zu und ging dann mit langen Schritten zu seinem Wagen, so schnell, dass Julie kaum mitkam.

„Warte doch!“ Sie hatte Mühe, ihn einzuholen. „Warum rennst du denn so?“

„Nicht mein Ding hier“, stieß er verärgert hervor. „Warum macht denn jeder so eine Riesensache daraus?“

„Weil es eine Riesensache ist, Dummkopf!“ Kopfschüttelnd sah sie ihn an.

„Aber ich habe das Krankenhaus doch nicht mit meinen eigenen Händen gebaut.“ Er zog den Autoschlüssel aus der Hosentasche und schloss den Mercedes auf. „Ich habe lediglich einen Scheck ausgestellt.“

„Einen ungewöhnlich hohen Scheck“, erinnerte sie ihn. Außerdem hatte er sich mit dem Architekten zusammengesetzt und später auch den Bau überwacht. Um absolut sicher zu sein, dass alles so wurde, wie er es für richtig hielt. Ob er es nun zugab oder nicht, dies war in mehr als einer Hinsicht seine Klinik.

Er ließ den Motor an, und Julie sah zum Seitenfenster hinaus, um Luc nicht merken zu lassen, wie weh ihr ums Herz war. In dem halben Jahr, das sie hier verbracht hatte, war Royal zu ihrem Zuhause geworden, mehr als ihre Heimatstadt in Südafrika. Und nun war ihr Visum fast abgelaufen, und sie musste die USA verlassen, ohne zu wissen, wohin sie gehen und was in Zukunft aus ihr werden sollte.

Inzwischen hatten sie den Apartmentkomplex erreicht, in dem Julie wohnte. Luc parkte und wandte sich dann mit ernster Miene zu ihr um. „Du hast ja kein Wort gesagt. Was ist mit dir?“

„Wieso?“ Sie versuchte ein Lächeln, wusste aber gleichzeitig, dass sie Luc nichts vormachen konnte. Er schien sie besser zu kennen als sie sich selbst.

„Irgendwas quält dich doch. Habe ich etwas getan, das dich verärgert hat?“

„Nein. Wie kommst du denn darauf?“ Sie hatte sich so fest vorgenommen, ihm diesen besonderen Tag nicht zu verderben, aber wenn er sie so ansah …

„Also, nun sag schon. Was ist los?“

Ja, wie sollte sie es ihm beibringen? Vor allem wenn sie kurz davor war, in Tränen auszubrechen … „Könntest du kurz mit reinkommen?“, stieß sie leise hervor. „Ich muss dir etwas sagen.“

„Klar, kein Problem.“ Beunruhigt sah er ihr in die Augen. „So weit alles in Ordnung?“

Nein, überhaupt nicht. „Lass uns drinnen weiterreden.“

Sie stieg die Eingangsstufen hoch und schloss auf. Er hielt ihr die Tür auf, ließ Julie eintreten und folgte ihr dann. Erneut war sie kurz davor, loszuheulen. Luc war einer der höflichsten Männer, die sie kannte. Auch während ihrer Zusammenarbeit hatte er sie nie angefahren oder auch nur ein unfreundliches Wort gesagt. Den anderen Mitarbeitern gegenüber verhielt er sich genauso. Er strahlte eine natürliche Autorität aus, die jeder sofort anerkannte, sodass er nie laut werden musste.

Die Nachmittagssonne schien golden durch das halb geöffnete Fenster ins Wohnzimmer. Luc zog das Jackett aus und ließ sich auf das geblümte Sofa fallen. Unwillkürlich musste Julie lächeln, denn das verspielte Muster passte so gar nicht zu seiner sehr männlichen Präsenz. Sie hatte die Wohnung möbliert gekauft und immer vorgehabt, sich nach der Verlängerung ihres Visums nach anderen Möbeln umzusehen. Nun, das war jetzt nicht mehr nötig …

Wo würde sie hingehen? Wie würde sie in Zukunft wohnen? Nach dem Tod ihres Vaters hatte seine zweite Frau, die Julie nie kennengelernt hatte, seinen gesamten Besitz in Südafrika verkauft. Außer ein paar entfernten Verwandten hatte sie niemanden mehr in ihrer Heimatstadt. Seufzend legte sie ihre Handtasche auf den Couchtisch und setzte sich neben Luc, die Hände im Schoß verschränkt. Wo sollte sie anfangen?

Luc lockerte seine Krawatte und knöpfte den Kragen auf. „So, das ist besser. Also, schieß los.“

Sie atmete tief durch und straffte die Schultern. „Ich habe gestern eine Nachricht von der Einwanderungsbehörde bekommen.“

Er hob die Augenbrauen. „Und?“

„Mein Antrag auf Visumverlängerung wurde abgelehnt.“

Luc sprang auf. „Was? Abgelehnt? Das ist doch nicht dein Ernst!“

„Doch, leider.“ Die Tränen traten ihr in die Augen, und sie wischte sie hastig weg. Jetzt bloß nicht heulen. Dadurch wurde auch nichts besser. „Deine Regierung meint, sie habe mich lange genug aufgenommen. In zwei Wochen ist hier Schluss für mich.“

„Aber wie ist das möglich? Du bist schließlich an einem wichtigen Forschungsprojekt beteiligt.“

„Technisch gesehen habe ich ein simples Arbeitsvisum.“

„Das verlängert werden kann. Du bist doch meine Assistentin. Und die Bezahlung ist kein Problem. Wieso musst du dann nach einem halben Jahr schon gehen?“

„Habe ich dir nicht mal erzählt, dass ich während meiner Studentenzeit an verschiedenen Demonstrationen teilgenommen habe?“

„Ja, hast du.“

„Aber nicht, dass ich auch ein paarmal verhaftet worden bin.“

„Bist du verurteilt worden?“

„Nein. Aber ich habe es bei meinem Visumsantrag nicht angegeben. Ich hatte Angst, sie würden mich dann nicht reinlassen.“ Das war ihr zwar schwergefallen, weil sie Lügen hasste, aber sie hätte alles getan, um ihrem besten Freund bei seinem Projekt zu helfen. „Das war sehr dumm, ich weiß. Aber weil es sich um eine friedliche politische Demonstration gehandelt und man auch die Anklage fallen gelassen hat, habe ich mir nichts weiter dabei gedacht. Aber jetzt sind die Behörden darauf aufmerksam geworden.“

„Da muss doch irgendwas zu machen sein!“ Aufgebracht ging Luc im Zimmer auf und ab. „Vielleicht kann ich mit irgendjemandem reden. Ein paar Beziehungen spielen lassen.“

Julie schüttelte den Kopf. „Die Entscheidung ist endgültig.“

Aufgebracht sah er sie an. „Das kann ich einfach nicht akzeptieren!“

Traurig lächelnd erhob sie sich und legte ihm eine Hand auf den Arm. „Du musst. Es gibt keinen Ausweg.“

Er fluchte leise, legte die Arme um sie und zog sie an sich. Sie schmiegte den Kopf an seine breite Brust, schloss die Augen und genoss es, ihm so nah zu sein. Nur selten umarmten sie sich auf diese Weise.

Liebevoll küsste er sie auf die Stirn. „Das gibt es einfach nicht. Irgendwas muss uns einfallen.“

Ja, da war noch eine Möglichkeit. Daran hatte sie schon häufiger gedacht, aber das konnte sie nicht verlangen. Ganz besonders nicht von ihm. „Ich fürchte, ich muss die Entscheidung akzeptieren. Und mir überlegen, wie es weitergeht mit meinem Leben.“

Er schob sie auf Armeslänge von sich und sah ihr tief in die Augen. Seine grauen Zellen arbeiteten fieberhaft, davon war sie überzeugt. Aber an dieser Entscheidung würden weder sein Geld noch sein Einfluss etwas ändern können. „Was hast du vor? Wo willst du hingehen?“, fragte er schließlich leise.

„Wahrscheinlich erst mal nach Südafrika. Bis ich irgendwo anders eine Stellung in der Forschung gefunden habe. Vielleicht in Europa oder auch in Asien.“

„Ich werde alles tun, was in meiner Macht steht, um dir zu helfen. Und ich werde dir ein Empfehlungsschreiben mitgeben, dass sich die Leute um dich prügeln werden.“

Aber sie wollte nur mit ihm zusammenarbeiten! Früher hatte sie es genossen, möglichst viele Länder und Menschen kennenzulernen und mit allen möglichen Kulturen in Kontakt zu kommen. Jetzt wollte sie nur noch hierbleiben. Bei all ihren vielen Reisen hatte sie keinen Ort gefunden, an dem sie sich wirklich zu Hause gefühlt hatte. Nur in Royal.

Bestand wirklich keine Aussicht, noch länger hierzubleiben?

Luc saß an der Bar des Texas Cattleman’s Clubs, ließ den Scotch in seinem Glas kreisen und starrte nachdenklich in die goldbraune Flüssigkeit. Was Julie ihm gerade erzählt hatte, hatte ihn regelrecht umgehauen. Nun zerbrach er sich den Kopf, wie er ihr helfen könnte. Sie wollte in Royal bleiben. Und sie gehörte hierher, verdammt noch mal!

Außer seiner Mutter war sie der einzige Mensch, der ihn wirklich verstand. Der wusste, wie es in ihm aussah. Manchmal hatte er den Eindruck, dass sie ihn sogar besser kannte als er sich selbst. In den vergangenen Monaten war sie es gewesen, die dafür gesorgt hatte, dass er die Nerven behielt. Denn seine geliebte Heimatstadt in Trümmern zu sehen hatte ihn tief getroffen. Sie war an seiner Seite gewesen, als seine Mutter im Krankenhaus lag, hatte bei der Mutter am Bett gesessen und ihr vorgelesen, wenn Elizabeth zu schwach war, um das Buch zu halten. Dabei hatte er sie nie um ihre Hilfe gebeten. Sie war einfach da, wenn er sie brauchte.

Er hob den Kopf, als sich Drew Farrell, der Besitzer von Willowbrook Farms, neben ihn setzte. Mit seiner Jeans, den abgewetzten Stiefeln und dem staubigen Cowboyhut sah er wie ein einfacher Rancharbeiter aus und nicht wie der millionenschwere Züchter einer weltberühmten Pferderasse. Trotz seiner illustren Kundschaft war er bodenständig und herzlich geblieben, und jeder mochte ihn. Das war nicht immer so gewesen, denn seine Nachbarin Beth Andrews hatte ihn anfangs gar nicht leiden können. Aber seit dem Tornado waren die beiden wunderbarerweise ein Herz und eine Seele.

Wenn Luc daran dachte, konnte er nur den Kopf schütteln. Die Beziehungen zwischen Mann und Frau gaben ihm immer wieder Rätsel auf.

Drew bestellte sich ein Bier und wandte sich dann an den Freund. „Wie steht’s denn?“

Luc runzelte die Stirn und begriff erst nach ein paar Sekunden, dass ein Footballspiel im Fernsehen übertragen wurde. „Keine Ahnung.“ Er nahm einen Schluck.

„Tut mir leid, dass ich zur Eröffnung des Krankenhauses nicht da war. Ich hatte einen Kunden, der sich für eine meiner Stuten interessiert.“

„Macht doch nichts. Ich wünschte, ich hätte auch wegbleiben können.“

„Bist du deshalb so bedrückt?“

„Nein.“

„Kann ich irgendwas für dich tun?“

Luc schüttelte den Kopf. „Nein.“

„Vielleicht möchtest du lieber allein sein.“ Drew griff nach seinem Bier und machte Anstalten aufzustehen, doch Luc hielt ihn zurück.

„Bitte, bleib.“ Er wollte jetzt nicht allein sein. „Entschuldige, aber ich habe gerade gehört, dass Julies Visum nicht verlängert wird. Der Antrag wurde endgültig abgelehnt.“

Drew riss die Augen auf. „Das kann doch nicht wahr sein!“

„Das habe ich anfangs auch gedacht. Aber es stimmt.“ Und ihm wollte einfach nichts einfallen, wie er das ändern könnte.

Drew war sichtlich geschockt. „Nach allem, was sie für die Stadt getan hat, sollte man ihr eine Medaille verleihen und sie nicht mit einem Fußtritt aus dem Land befördern.“

„Ganz meine Meinung.“

„Und nun? Was hast du vor?“

Resigniert zuckte Luc die Schultern. „Gar nichts. Muss sie wohl gehen lassen.“ Er hatte noch mit seinem Anwalt telefoniert, der ihm aber auch keine andere Auskunft geben konnte.

„Du bist ja wohl verrückt! Das kannst du nicht tun.“ Drew war entsetzt.

„Mir fällt nichts mehr ein.“

„Aber es gibt noch eine Möglichkeit.“ Drew sah sich nach allen Seiten um und rutschte näher an Luc heran.

„Was denn?“

„Du kannst sie heiraten.“

Julie heiraten? Seine beste Freundin? Was für ein absurder Gedanke. „Julie ist wie ich sehr auf ihren Beruf konzentriert. Wir haben beide nicht die Absicht zu heiraten.“

Drew sah ihn an, als zweifele er an seinem Verstand. „Das muss doch keine echte Ehe sein, du Idiot. Aber wenn sie ein Papier hat, auf dem steht, dass sie mit einem Amerikaner verheiratet ist, kann sie bleiben.“

Eine Scheinehe? „Das ist nicht nur eine verrückte Idee, sondern auch illegal. Wenn das rauskommt, kriegen wir große Schwierigkeiten. Wir könnten sogar im Gefängnis landen.“

Drew grinste. „Nur wenn man euch erwischt. Und das kann gar nicht passieren. Denn jeder hier in der Stadt wird davon überzeugt sein, dass alles seine Richtigkeit hat.“

Jetzt verstand Luc gar nichts mehr. „Wie kommst du denn darauf?“

„Kannst du dir das nicht denken? Ihr beide seid doch unzertrennlich, typisch für zwei Workaholics. Ihr verbringt mehr Zeit miteinander als die meisten Ehepaare.“

„Das ist kein Wunder. Wir arbeiten am selben Projekt.“

„Aber es ist mehr als das. Irgendwie passt ihr einfach zusammen. Die Leute hier fragen sich schon lange, wann ihr endlich eure Verlobung bekannt gebt.“

„Die Leute sollten sich lieber um ihren eigenen Kram kümmern.“ Luc war genervt.

„So ist das nun mal in einer Kleinstadt.“

Kann sein, aber nervtötend ist es trotzdem. Julie und er hatten keine romantische Beziehung, und so würde es auch bleiben. Sicher, als er sie kennengelernt hatte, hatte er sich gleich in sie verknallt. Damals hatte seine Verlobte Amelia ihn gerade aus heiterem Himmel verlassen. Und auch Julie hatte eine schwierige Beziehung hinter sich. Kein Wunder, dass sie sich zueinander hingezogen fühlten. Aber irgendwie hatte die Arbeit sie derart abgelenkt, dass sie nicht dazu gekommen waren, das weiter auszutesten. Stattdessen hatten sie sich als Kollegen sehr schätzen gelernt und waren dicke Freunde geworden. Er vertraute ihr wie niemandem sonst auf der Welt und würde sie nie in Schwierigkeiten bringen. „Wir sind nur Freunde, nicht mehr.“

Drew verdrehte die Augen. „Aber Luc, das ist doch vollkommen egal. Ihr seid nur auf dem Papier verheiratet. Oder hast du eine bessere Idee?“

Leider nein. Und wenn er sich vorstellte, dass Julie Tausende von Meilen entfernt leben würde, wurde ihm ganz elend. Mit wem sollte er dann reden? Wer würde sich mit ihm spätabends etwas von dem indischen Restaurant kommen lassen, wenn sie beide zu erschöpft waren, um noch auszugehen? Wenn er nur an die ersten Tage nach dem Tornado dachte, in denen er eine Notoperation nach der anderen vornehmen musste, durchaus nicht immer erfolgreich. Zwar hatte er als Chirurg bei Ärzte ohne Grenzen Schlimmes sehen müssen, aber was sich in seiner Heimatstadt zugetragen hatte, zerriss ihm das Herz. Ohne Julie hätte er die Zeit wohl kaum durchgestanden. Sie gab ihm Kraft, munterte ihn auf und war seine Stimme der Vernunft.

Empfand er viel für sie? Ganz bestimmt. Aber das Gefühl hatte nichts mit Liebe zu tun. Und sich eine neue Assistentin für seine Forschungsarbeiten suchen zu müssen war ein einziger Albtraum. Julie kannte seine Arbeit in- und auswendig. Jemand Neues anlernen zu müssen würde ewig dauern. „Eins ist klar: Ich möchte nicht, dass sie geht. Aber wenn diese Scheinehe auffliegt und Julie darunter leiden muss … Das würde ich mir nie verzeihen.“

„Unsinn, das wird nie rauskommen. Und selbst wenn. Du bist für die Leute hier ein Held. Niemand würde dich anzeigen.“

Wahrscheinlich hatte Drew recht. Das Schlimmste, was ihnen passieren konnte, war der offizielle Test, den sie getrennt voneinander machen müssten. Aber auch in diesem Fall sah Luc keine Probleme. Julie und er kannten sich besser als manches Ehepaar und würden den Test mit Bravour bestehen. Die Frage war nur, wie Julie darüber dachte. Sie ging schließlich das größere Risiko ein.

„Hm, vielleicht sollte ich Julie das einfach mal vorschlagen“, sagte er zögernd. „Um zu sehen, was sie davon hält.“

„Sehr gut!“ Erleichtert schlug Drew dem Freund auf den Rücken. „Ich würde sagen, eine mittelgroße Trauung, danach ein Empfang im Club und anschließend luxuriöse Flitterwochen auf irgendeiner tropischen Insel.“

„Verreisen? Dazu habe ich keine Zeit. Ich werde hier gebraucht.“

Drew lachte leise. „Ich gebe ja zu, dass du ein fantastischer Arzt bist und schwer zu ersetzen. Aber selbst du musst irgendwann mal ausspannen. Das wird jeder verstehen. Wann hast du das letzte Mal Urlaub gemacht?“

Luc zog die dunklen Brauen zusammen. Stimmt, er hatte sich schon ewig nicht mehr freigenommen, zumindest nicht in dem vergangenen halben Jahr seit dem Tornado. Aber auch lange davor nicht. Ein Jahr, zwei Jahre, drei Jahre? Er wusste es nicht. Mit Ärzte ohne Grenzen war er von einem Krisengebiet zum nächsten gereist. Auf einer dieser Reisen hatte er auch Julie kennengelernt, und seitdem waren sie unzertrennlich. Vielleicht waren sie beide urlaubsreif …

Dennoch, Julie und er verheiratet und in den Flitterwochen? Bisher hatte er nie im Traum an so etwas gedacht. Dabei fand er sie durchaus anziehend, körperlich wie auch vom Intellekt her. Jeder Mann würde sie mit Kusshand nehmen. Zuerst hatte er sogar Schwierigkeiten gehabt, sich auf seine Arbeit zu konzentrieren. Vor allem in den Entwicklungsländern waren sie manchmal sehr primitiv untergebracht worden. Häufig teilten Männer und Frauen sich ein Zelt. Das hatte ihn selten berührt. Aber als Julie zu dem Team stieß, ertappte er sich doch dabei, sie länger als nötig anzusehen. Ob ihr das aufgefallen war, wusste er nicht. Sie ließ sich zumindest nichts anmerken. Sie war vollkommen unbekümmert und schien sich überhaupt nicht zu genieren, was für ihn die Situation nicht ganz einfach machte. Denn schon in der ersten Woche ihrer Zusammenarbeit hatte er mehr nackte Haut gesehen als in den ersten zwei Monaten mit Amelia, die er vom College her kannte und mit der er verlobt gewesen war.

Niemals würde er den Tag vergessen, an dem er Julie zum ersten Mal begegnet war. Als er das Zelt betrat, das ihm zugewiesen worden war, saß sie auf ihrem Feldbett, nur mit BH und Slip bekleidet, und fasste gerade ihr prächtiges rotbraunes Haar zu einem Pferdeschwanz zusammen. Er erstarrte und wusste nicht, was er tun sollte. Aber sie lächelte nur, stand auf und reichte ihm die Hand. „Sie müssen Lucas sein.“ Und er wurde hart. Und knallrot.

So begann ihre intensive Zusammenarbeit. In keimfreien Labors entwickelten sie gemeinsam chirurgische Instrumente und Techniken, die die moderne Chirurgie revolutionierten. Aber sie arbeiteten auch in der Wildnis zusammen, wo immer Ärzte ohne Grenzen gebraucht wurden, ungewaschen, unrasiert und zerstochen von allen Insekten, die man sich nur vorstellen konnte. Sie hatten harte Situationen miteinander durchgestanden und hatten sich immer nach Kräften unterstützt.

Und jetzt? Jetzt wollte er ihr seine Hilfe verweigern?

Zweifelnd sah Luc den Freund an. „Glaubst du denn wirklich, das könnte funktionieren?“

Drew nickte. „Sicher. Wenn du es richtig anpackst.“

„Wie meinst du das?“

„Sobald ihr verheiratet seid – wenn auch nur zum Schein –, müsst ihr zusammenziehen.“

Ja, das versteht sich von selbst. In dem Haus, das er mit seiner Mutter bewohnte, war reichlich Platz. „Sonst noch was?“

„In der Öffentlichkeit musst du natürlich so tun, als seist du verrückt nach ihr. Du weißt schon, Händchen halten, küssen, na, so was eben.“

Es hatte durchaus eine Zeit gegeben, da hatte Luc sich ausgemalt, wie es wäre, Julie zu küssen. Richtig zu küssen, nicht nur auf die Wange. Wie sich ihre Lippen wohl anfühlten? Augenblicklich reagierte sein Körper. Verdammt, was sollte das? Luc griff nach seinem Scotch und nahm einen großen Schluck. „Kein Problem.“

„Glaub mir, niemand wird ahnen, dass das Ganze nur gespielt ist. Und ich kann schweigen wie ein Grab. Das weißt du.“

Luc hatte volles Vertrauen zu Drew, das war nicht das Problem. Aber würde Julie sich auf diesen Handel einlassen? Immerhin bedeutete es, gegen das Gesetz zu verstoßen. Und würde sie bereit sein, ihre Rolle überzeugend zu spielen? Darüber musste er selbst noch sorgfältig nachdenken. Außerdem wollte er mit seinem Anwalt telefonieren und sich über die Vor- und Nachteile informieren.

„Ich spreche mit ihr“, sagte er schließlich.

„Sehr gut.“ Drew grinste. „Wer weiß, vielleicht verliebt ihr euch wirklich ineinander.“

Luc schüttelte den Kopf. „Ganz sicher nicht.“ Denn wenn, dann wäre das schon viel früher passiert. Die Gelegenheit dazu hatten sie reichlich gehabt.

Autor

Michelle Celmer

Michelle Celmer wurde in Metro, Detroit geboren. Schon als junges Mädchen entdeckte sie ihre Liebe zum Lesen und Schreiben. Sie schrieb Gedichte, Geschichten und machte selbst dramatische Musik mit ihren Freunden. In der Junior High veröffentlichten sie eine Daily Soap Opera. Ungeachtet all dessen, war ihr Wunsch immer Kosmetikerin zu...

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