Wo das Herz zu Hause ist

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"Bist du Single?" Zwei niedliche Mädchen blicken zu Sloan auf. Der Rancher ist gerührt - zugleich fasziniert von der schönen Mutter der beiden. Und als er miterlebt, wie sie ihren Job verliert, kann er nicht anders: Er bietet Emily Nelson an, seine Haushälterin zu werden …


  • Erscheinungstag 03.09.2020
  • ISBN / Artikelnummer 9783733719791
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Als Sloan Chisholm gegenüber dem Imbiss hielt, stellte er sich schon das gegrillte Steak vor. Er wollte ein großes. Groß genug, um über den Tellerrand zu ragen, mit einer Riesenportion Kartoffelpüree, beides unter einer dicken, hellen Soße begraben. Seit Samstag letzter Woche hatte er keines mehr gehabt, und er litt schon unter Entzugserscheinungen. Es war höchste Zeit für den nächsten Schuss.

Aber bevor er die Chance bekam, etwas für seine Arterienverkalkung zu tun, passierte ihm etwas, das sein Leben für immer verändern würde: die Daddy-Umfrage.

Eigentlich veränderte sein Leben sich bereits ein paar Minuten früher. Und zwar, nachdem er nach dem Pferd auf dem Anhänger geschaut, die Straße überquert und den Imbiss betreten hatte. Denn in genau dem Moment verliebte er sich Hals über Kopf.

Sloan hatte es geschafft, fünfunddreißig zu werden, ohne sich jemals zu verlieben. Jedenfalls nicht richtig. Nicht unter die Haut gehend, bis über beide Ohren, mit Schmetterlingen im Bauch. Und die anderen beiden Male zählten nicht.

Es war seltsam. Obwohl seine Großmutter sich in letzter Zeit dauernd darüber beschwerte, dass seine Brüder und er noch nicht verheiratet waren und sie keine Urenkel zum Verwöhnen hatte, hatte Sloan nicht erwartet, dass sein Herz jemals so außer Kontrolle geraten würde. Aber jetzt fühlte er, wie es geschah, und konnte nichts dagegen tun. Und selbst wenn er damit gerechnet hätte, hätte er nie geglaubt, dass er der Typ war, der sich in zwei Frauen zugleich verliebte. Aber es war so. Die beiden standen da, und es war um ihn geschehen.

Sie waren die hinreißendsten Geschöpfe, die er je gesehen hatte. Beide waren blond, auch wenn das Haar der einen eine Spur dunkler war. Beide hatten blaue Augen und sahen einander so ähnlich, dass Sloan sie für Schwestern hielt. Aber die eine hatte Grübchen, die andere nicht. Eine trug eine Brille, die andere nicht. Eine war größer als die andere.

Die eine war acht, die andere etwa sechs.

„Guten Tag, Sir.“ Das ältere der zwei Mädchen schob sich die Brille auf die kecke kleine Nase. Sie drückte einen Stapel Speisekarten an die Brust und ein Notizbuch, in dessen Spiralbindung ein Bleistift mit Radiergummi steckte. „Raucher oder nicht?“

„Sie meint Nichtraucher“, erklärte die Jüngere.

Die Ältere runzelte die Stirn. „Das weiß er.“

Die Jüngere lächelte nur.

Bevor zwischen den beiden ein Streit ausbrechen konnte, klopfte Sloan sich auf die Hemdtasche. Sie war leer. Wie seit anderthalb Jahren. Dass er mit dem Rauchen aufgehört hatte, erstaunte ihn noch immer. „Um die Frage zu beantworten, ich rauche nicht, Ladys“, erwiderte er und nahm den Hut ab.

Sie führten ihn zu einer Nische am großen Fenster zur Straße.

Sloan hatte in besseren Läden gegessen, aber auch schon in schlechteren. Dieser hier rangierte knapp unter dem Durchschnitt. Der rote Kunststoff, auf dem er saß, hatte einen Riss, durch den die weiße Füllung zu sehen war. Ein paar Schritte von ihm entfernt wölbte sich der abgetretene Teppichboden und wartete darauf, dass ein Gast darüber stolperte und den Betreiber verklagte.

Aber der Tisch war sauber und das Personal, bisher jedenfalls, süß.

Einen Moment später, als die Kellnerin mit einem Plastikkrug voll Wasser zu ihm kam, fühlte Sloan den zweiten Tritt in die Magengrube. Sie war nicht schön, jedenfalls nicht nach Hollywood-Maßstäben, aber sie war so hübsch, dass es ihm fast den Atem verschlug.

Zierlich war das Wort, das ihm einfiel. Oder vielleicht auch zart. Nicht, dass Sloan mit den beiden Ausdrücken viel Erfahrung hatte. Schließlich verbrachte er den größten Teil seiner Zeit mit Rindern, Pferden und erwachsenen Männern, die nach Scheune und Schweiß rochen. Aber die Kellnerin war klein und schlank, und das kurze Haar ließ ihren Hals ungemein verletzlich aussehen.

Selbst die Augen, die so strahlend blau wie die der beiden Mädchen waren, verrieten Verletzlichkeit.

Sein Bedürfnis, sie zu beschützen, verblüffte ihn zutiefst. Sloan wollte sie in die Arme nehmen und Schaden, Kälte und Angst von ihr fernhalten. Und als sein Blick wie von selbst auf den hellen Streifen am Ringfinger ihrer linken Hand fiel, wollte er dafür sorgen, dass sie nie wieder allein schlafen musste.

Kurz gesagt, er wollte sie vor Typen wie ihm bewahren.

Ihr Lächeln war höflich und freundlich, ohne anbiedernd zu wirken. Sie stellte den Krug auf den Tisch. „Ich lasse Ihnen etwas Zeit zum Aussuchen“, sagte sie und wandte sich den beiden kleinen Schönheiten zu. „Mädchen, ihr wisst, dass ihr die Gäste nicht belästigen sollt.“

„Aber, Mom …“

„Sie belästigen mich nicht“, kam Sloan der Älteren zuvor. „Ganz im Gegenteil. Ich kann mich nicht erinnern, jemals reizendere Gesellschaft gehabt zu haben.“

Die Jüngere kicherte und errötete, die Ältere lächelte scheu.

„Na gut, aber lasst ihn in Ruhe aussuchen und dann essen“, sagte ihre Mutter sanft.

„Ja, Mom“, antworteten die Mädchen wie aus einem Mund.

Sloan sah der Kellnerin nach, bewunderte ihren Hüftschwung und dankte Levi Strauss und seinen Zelten aus Denim, die während des Goldrauschs in Kalifornien niemand hatte kaufen wollen.

„Das ist unsere Mommy“, verkündete das kleinere Mädchen.

Sloan lächelte. „So?“

„Ja, genau. Und ihr Name ist Emily. Emily Nelson. Finden Sie sie hübsch?“

„Oh ja“, erwiderte er mit Nachdruck. „Das tue ich.“ Emily. Emily Nelson. „Sie ist genauso hübsch wie ihr zwei.“

Dies war der Zeitpunkt, zu dem er etwas Dummes sagen konnte. Euer Daddy ist ein glücklicher Mann, zum Beispiel. Aber das würde bedeuten, die Mädchen auszuhorchen, und so tief wollte er nicht sinken. Außerdem war ihr Daddy vielleicht von der Bildfläche verschwunden und ihn zu erwähnen würde den beiden nur wehtun.

Also lud er sie ein, mit ihm zu essen.

„Danke, Sir“, sagte die Ältere, ganz höflich und erwachsen. „Aber wir haben schon gegessen.“

„Schade.“ Und das war sein Ernst. Es wäre eine nette Abwechslung, mit den beiden eine halbe Stunde am Tisch zu sitzen. „Dann könntet ihr mir vielleicht einfach nur Gesellschaft leisten, während ich esse?“

„Nun ja …“ Das ältere Mädchen warf seiner Schwester einen verstohlenen Blick zu. „Das könnten wir, und vielleicht möchten Sie an unserer Umfrage teilnehmen, während Sie auf Ihre Bestellung warten.“

„Umfrage? Was für eine Umfrage?“

„Upps.“ Die Kleine stieß ihre Schwester an. „Mommy kommt. Wissen Sie schon, was Sie essen wollen?“

Sloans Blick folgte der Kellnerin. Mit einer Kaffeekanne in der einen Hand und einem Krug mit Eistee in der anderen bewegte sie sich wie eine Tänzerin von Tisch zu Tisch, mit einem Gruß oder einer freundlichen Bemerkung für jeden Gast.

Als Sloan sich fragte, ob sie sich auch dann so anmutig bewegte und so wunderschön lächelte, wenn sie im Bett unter einem Mann lag, zwang er sich, aus dem Fenster zu schauen.

Das mit dem Beschützen konnte er vergessen. Wer würde ihn beschützen?

Sie blieb an seinem Tisch stehen. „Wissen Sie, was Sie möchten?“

Oh Junge, dachte er. Was für eine Frage.

Sie musste etwas in seinen Augen gesehen haben, denn sie räusperte sich und starrte blinzelnd auf ihren Block. „Möchten Sie jetzt bestellen?“

Ohne die Speisekarte zu überfliegen, den Blick auf ihr Gesicht gerichtet, orderte Sloan ein Grillsteak mit allem, was dazugehörte.

Sie notierte es sich. „Ich bringe es Ihnen, sobald es fertig ist.“

Sie ist so verdammt hübsch, dachte er zum zweiten Mal, als sie davonging.

„Sir?“

Er wandte sich wieder den Mädchen zu. „Sloan“, sagte er. „Nennt mich Sloan.“

„Okay.“ Die Kleinere strahlte. „Ich bin Libby, und das ist meine Schwester Janie. Möchten Sie bei unserer Umfrage mitmachen?“

„Warum nicht? Was ist das für eine Umfrage?“

„Es ist ein Da…“

Aber Janie fiel ihrer Schwester ins Wort. „Wir machen eine Umfrage unter alleinstehenden Männern zwischen einundzwanzig und fünfundsechzig. Fallen Sie darunter?“

Nur mit Mühe unterdrückte er ein Lächeln. „Zwischen einundzwanzig und fünfundsechzig, ja? Das ist eine ziemliche Spanne, aber ja, ich gehöre dazu.“

„Und Sie sind alleinstehend?“

„Heut’ morgen war ich’s noch.“

Janie legte die Stirn in Falten.

„Ja“, sagte er. „Ich bin alleinstehend.“

Ihre Miene erhellte sich.

„Oh, gut“, sagte Libby lächelnd.

Janie räusperte sich. „Okay.“ Sie zog das Notizbuch aus ihrem Stapel Speisekarten und klappte es auf. „Auf einer Skala von eins bis fünf, wobei eins ‚gar nicht‘ und fünf ‚sehr, sehr‘ bedeutet, wie sehr mögen Sie kleine Mädchen?“

„Das ist leicht“, antwortete Sloan. „Fünf.“

Libby kicherte.

Janie notierte sich seine Antwort. „Und auf einer Skala von eins bis fünf, wie gut finden Sie … körperliche Züchtigung?“

Sloans Augen wurden groß. „Bei kleinen Mädchen? Null. Niemand sollte kleine Mädchen schlagen.“

Beide Mädchen strahlten um die Wette.

„Wie sehr mögen Sie Leber mit Zwiebeln?“, lautete die nächste Frage.

„Drei.“

„Wie sehr mögen Sie Eiscreme?“

„Eine große Fünf.“

Janie musterte ihn. Ihre blauen Augen blickten ernst. Dann holte sie tief Luft. „Ja oder nein, weiß der Weihnachtsmann, wo Sie wohnen?“

Schlagartig wurde Sloan klar, was Libby hatte sagen wollen. Dass dies ein Daddy-Test war. Die beiden befragten die Imbissgäste auf der Suche nach einem neuen Daddy. Es brach ihm das Herz. Am liebsten hätte er sie an sich gedrückt, auf den Schoß genommen und ihnen versprochen, dass …

Was? Dass er ihr Daddy sein würde?

Wow, Partner. Immer mit der Ruhe.

„Mr. Sloan?“, drängte Janie.

„Entschuldigung. Und nicht Mister. Nur Sloan.“

„Oh nein“, widersprach Libby. „Wir müssen alle Erwachsenen Mr. oder Mrs. nennen.“

„Aus Respekt“, erklärte Janie.

„Es ist eine der Regeln“, ergänzte Libby.

„Na gut“, sagte Sloan. „Wir wollen keine Regeln brechen, also schätze ich, ihr könnt mich Mr. Sloan nennen. Also, wo waren wir?“

„Der Weihnachtsmann.“

„Richtig. Na ja, sicher. Wir haben sogar einen Kamin für ihn, und jedes Jahr stellen wir einen Baum mit Lichtern und Schmuck auf.“

Beide Mädchen atmeten hörbar auf und lächelten einander zu. Dann kam Janie wieder zur Sache.

„Wieder eins bis fünf. Wie sehr mögen Sie Welpen?“

„Oh, ich mag Welpen sehr.“

„Ist das eine Fünf?“, fragte Janie.

„Eindeutig.“

„Was ist mit Kätzchen?“, wollte Libby wissen.

„Das gehört nicht zur Umfrage“, protestierte ihre Schwester.

„Sollte es aber“, entgegnete Libby und nickte so heftig, dass ihre hellblonden Locken hüpften.

Janie zog die Augenbrauen zusammen. „Okay, Kätzchen. Aber es ist nicht fair, weil die anderen Männer die Frage nicht beantwortet haben.“

„Die können wir ihnen stellen, wenn sie wiederkommen“, bot Libby an.

„Gute Idee.“

„Also Kätzchen?“, fragte Sloan. „Fünf. Wir haben viele Kätzchen auf unserer Ranch.“

Libby starrte ihn an. „Wirklich?“

„Sie haben eine Ranch?“, fragte Janie atemlos. „Mit Pferden und Kühen und allem?“

„Sicher. Mit Pferden und Kühen und allem.“ Er zeigte auf die andere Straßenseite. „Seht ihr den Pick-up dort drüben? Auf der Tür steht der Name der Ranch.“

„Cherokee Rose“, las Janie.

„Cherokee?“ Libbys Augen wurden riesig. „Sind Sie ein Indianer?“

„Nicht Indianer, Dummkopf“, tadelte Janie streng. „Amerikanischer Ureinwohner.“

„Ist er das?“, fragte Libby. „Sind Sie das?“

„Indianer ist okay“, sagte Sloan. „Und ja, ich bin zum Teil Indianer.“

Libby starrte ihn noch immer an. „Welcher Teil?“

Sloan konnte nicht anders, er lachte. Zum Glück brauchte er Libbys Frage nicht zu beantworten, denn ihre Mutter erschien mit seinem Essen.

Emily Nelson hörte das tiefe Lachen des Cowboys, lange bevor sie seinen Tisch erreichte. Was immer ihre Töchter zu ihm sagten, er schien sich zu amüsieren.

Er hatte ein nettes Lachen. Ein nettes Gesicht.

Na ja, vielleicht war nett nicht das richtige Wort für die kupferfarbenen, wie gemeißelt wirkenden Züge, aber attraktiv passte. Und fesselnd.

Der Gedanke verblüffte sie. Sie wusste nicht mehr, wann ihr zum letzten Mal aufgefallen war, wie ein Mann aussah. Der letzte Mann, der einzige, den sie jemals so genau betrachtet hatte, war Michael.

Der vertraute Schmerz setzte ein, wie erwartet. Aber inzwischen war es ein dumpfer Schmerz, nicht mehr der stechende, der sie früher zu lähmen gedroht hatte. Sein Tod war zwei Jahre her, und jetzt konnte sie auch voller Liebe und Dankbarkeit an ihn denken.

Er war die Liebe ihres Lebens gewesen und hatte ihr diese beiden süßen Töchter geschenkt, die Fremden die Zeit vertrieben, während sie arbeitete, um Geld zu verdienen. Das Geld, das sie brauchte, um den versprochenen Job in Arkansas antreten zu können. Wenn ihr Wagen nicht mitten im Nichts den Geist aufgegeben hätte, hätte sie nicht hier im Imbiss anfangen müssen, nur um die Reparatur zu bezahlen. Einen Babysitter für die Mädchen konnte sie sich bei dem kleinen Gehalt nicht leisten. Also war sie heilfroh, dass ihr Chef den beiden erlaubte, im Imbiss zu bleiben, während sie bediente.

„Mommy, Mommy!“ Libby sprang am Tisch des Mannes auf und ab. Ihre Stimme war im ganzen Raum zu hören. „Mr. Sloan hat eine Ranch mit Pferden und Kätzchen und allem, und er ist zum Teil Indianer und findet dich richtig hübsch.“

Oh nein, dachte Emily, während ihre Wangen zu brennen begannen. Wo war das Loch im Boden, in dem sie verschwinden konnte?

Aber wie üblich tat sich keines auf, und der Mann sah, wie sie errötete.

Er schmunzelte, genau wie mehrere andere Gäste.

Emilys Gesicht glühte.

„Ladys“, sagte der Mann. „Ich glaube, wir haben eure Mutter in Verlegenheit gebracht.“

„Haben wir, Mommy?“, fragte Libby kichernd. „Haben wir dich in Verlegenheit gebracht?“

Emily verdrehte die Augen. „Wie immer, wenn ihr vor der ganzen Welt ausplappert, was ihr wisst.“

„Ach, Mommy“, sagte Libby. „Aber es stimmt doch. Nicht wahr, Mr. Sloan?“

„Ja“, bestätigte er, während Emily ihm seinen Teller hinstellte.

Sie hatte ihn nicht wieder ansehen wollen, aber sein gutmütiges Lachen zog ihren Blick an.

„Jedes Wort.“ Und er zwinkerte. Nicht in Richtung ihrer Töchter, sondern in ihre.

Du meine Güte. Taten Männer so etwas noch? Frauen zuzwinkern?

Er hatte ihr tatsächlich zugezwinkert. Wie im Fernsehen. Wie sollte sie reagieren? Danke sagen? Die Stirn runzeln? Die Lider senken?

Am liebsten hätte sie wie ihre Töchter einfach nur kindisch gekichert.

Meine Güte.

Der Mann sah auf den Teller. „Das sieht ja großartig aus.“

Emily kam sich idiotisch vor, wie ein zum ersten Mal verliebtes Schulmädchen. Hastig legte sie ihm das Besteck hin. „Ich bringe Ihnen Tee. Ab mit euch, Mädchen, lasst den Mann essen.“

„Mommy“, rief Libby.

„Sie stören mich nicht“, sagte der Mann. „Wirklich nicht. Wenn Sie nichts dagegen haben, können sie mir gern Gesellschaft leisten.“

Führte er Böses im Schilde? Oder war er einfach nur ein netter Mann, der Kinder mochte? Da sie es nicht wissen konnte, ging Emily auf Nummer sicher. „Das ist sehr freundlich von Ihnen, aber die beiden haben Sie lange genug behelligt. Mädchen.“ Sie warf ihnen einen strengen Blick zu.

„Ja, Mom.“ Janie schob Libby zur Seite. „Auf Wiedersehen, Mr. Sloan.“

„Auf Wiedersehen, Mr. Sloan“, wiederholte ihre Schwester.

Emily folgte ihnen und scheuchte sie auf die zwei letzten Hocker am Tresen. Eine Minute später stand sie wieder am Tisch des Mannes und füllte sein Glas mit Eistee.

„Danke.“ Er lächelte. „Sie haben zwei großartige Mädchen. Sie müssen stolz auf sie sein.“

„Danke. Das bin ich. Möchten Sie sonst noch etwas? Vielleicht ein Stück Apfelkuchen? Heute Morgen frisch gebacken.“

„Nein, danke.“

Sie legte die Rechnung umgedreht auf den Tisch und ging davon. Sloan sah ihr nach. Sie blieb am Tresen stehen und flüsterte ihren Töchtern etwas ins Ohr.

Wahrscheinlich war der Babysitter krank geworden, und sie hatte die beiden mit zur Arbeit nehmen müssen.

Aber irgendwie hatte er den Verdacht, dass die Mädchen sich oft im Imbiss aufhielten.

Kinder allein zu erziehen war hart, auch für Männer. Aber wenn eine Frau es tat und auch noch so verletzlich und schutzlos wie ein neugeborenes Kätzchen wirkte, musste es besonders hart sein. In einem Laden wie diesem verdiente sie bestimmt nicht viel. Und es herrschte zu wenig Betrieb, um ordentlich Trinkgelder abzuwerfen. Vielleicht konnte sie sich keinen Babysitter leisten. Vielleicht waren die Mädchen jeden Tag hier.

Würde ein Chef das erlauben?

Achselzuckend machte Sloan sich über das Steak her. Es ging ihn nichts an. Emily Nelson war keine Maid in Not, und er nicht ihr edler Ritter.

Nicht, dass er etwas dagegen hatte, hin und wieder jemandem zu helfen, ob Mann oder Frau. Nur weil er ein paarmal geglaubt hatte, sich verliebt zu haben … Na ja, eine hatte sich in einer echten Notlage befunden. Die andere hatte ihn wie einen Fisch an der Angel zappeln lassen. Seine Großzügigkeit ausgenutzt.

Selbst schuld, hatten seine Brüder gesagt. Warum hatte er auch ein so weiches Herz?

Er wusste nicht, warum es passiert war, denn wenn er sich schon eine Ehefrau vorstellte, dann eine starke Persönlichkeit, die auf eigenen Beinen stand. Nach Connie Sue sollte er eigentlich einen weiten Bogen um hilflose Frauen machen. Aber nein, einige Jahre später hatte er sich in Donna Daniels verliebt, die nur so tat, als wäre sie hilflos. In Wirklichkeit war sie in etwa so hilflos wie eine ausgewachsene Bärin gewesen. Sie hatte ihn dazu bringen wollen, seinen Teil der Ranch zu verkaufen und ihr ein Haus in der Stadt zu schenken.

Nein, Sir, auf die Nummer würde Sloan Chisholm nie wieder hereinfallen.

Schade war, dass er sich nicht in Melanie verliebt hatte. Melanie Pruitt lebte auf der Nachbarranch und war auf dem Pferd und mit dem Lasso so geschickt wie der beste Cowboy. Aber wenn sie sich zurechtmachte und ein Kleid anzog, blieb dem härtesten Mann die Sprache weg. Ja, Mel sah verdammt gut aus, kein Zweifel.

Und als wäre das alles nicht genug, war sie auch noch in Sloan verliebt – seit ihrem fünften Lebensjahr.

Er hatte keine Ahnung, warum er ihre Gefühle nicht erwidern konnte. Alles, was er jemals für Mel empfunden hatte, war tiefe Freundschaft. Und jetzt war sie über ihn hinweg und sah in ihm einen Freund, mehr nicht. Pech gehabt. Er liebte sie wirklich, aber nur als die kleine Schwester, die er nie gehabt hatte.

Oh ja, es war wirklich eine Schande, dass er sich immer für die Falschen interessierte.

„Du mochtest Mr. Sloan, oder, Mommy?“, fragte Libby zum fünften Mal seit dem Abendessen, als Emily ihre Töchter zudeckte. Die beiden lagen im Doppelbett, das im Motelzimmer neben dem ihrer Mutter stand.

„Er schien ganz nett zu sein“, antwortete Emily zum fünften Mal seit dem Abendessen.

„Aber du mochtest ihn doch?“, beharrte Libby.

Emily küsste ihre Jüngste auf die Nase. „Dazu kenne ich ihn nicht gut genug. Jetzt macht die Augen zu und schlaft, alle beide“, fügte sie mit einem Lächeln für Janie hinzu.

„Aber, Mommy …“

Emily legte einen Finger auf Libbys Lippen. „Schlaf jetzt.“

„Okay. Gute Nacht, Mommy.“

Danach kamen die üblichen Bitten um etwas zu trinken, gefolgt von allerletzten Ausflügen ins Bad, dann noch eine Runde Umarmungen und Gutenachtküsse. Dieses Ritual dauerte wie immer etwa eine halbe Stunde, aber schließlich schliefen die beiden ein.

Sie sind so hübsch, dachte Emily. Sie mochten ihr ähnlich sehen, aber sie hatten so viel von ihrem Vater. Vor allem Libby mit ihrer offenen, vollkommen furchtlosen Art. Janie war ruhiger und sachlicher und hatte Michaels Intelligenz geerbt.

Zum hundertsten Mal fragte Emily sich, ob es richtig war, mit ihnen nach Arkansas zu ziehen. Aber eine andere Wahl hatte sie nicht, nachdem ihr Job im Shop des örtlichen Museums wegrationalisiert worden war. Sie hatte einfach keine andere Stelle gefunden, um all das zu bezahlen, was man als Mutter von zwei heranwachsenden Mädchen brauchte. Also hatte sie sich entschieden, Colorado zu verlassen und nach Fort Smith aufzubrechen, wo ihre Cousine in einer Fabrik arbeitete.

„Oh Michael“, flüsterte sie. „Tue ich das Richtige?“

Sie stellte ihm oft Fragen, aber er antwortete nie. Vor zwei Jahren war er an Leukämie gestorben. Die einzigen Antworten waren Zweifel und Schweigen.

Emily hatte keine Zeit, sich zu bemitleiden. Sie musste genug verdienen, um ihren Wagen reparieren zu lassen. Mit grimmiger Entschlossenheit zählte sie ihre mageren Ersparnisse.

Heute waren die Trinkgelder anständig ausgefallen, auch dank dem Mann, von dem ihre Töchter so angetan waren. Was er auf dem Tisch liegen gelassen hatte, war mehr als großzügig gewesen.

Sie wünschte sich noch ein paar solche Gäste, dann wäre ihr Wagen in der nächsten Woche vielleicht schon wieder fahrbereit. Vielleicht. Und wenn die Ehefrau ihres Chefs endlich nach Hause kam, würde er auch seine unverschämten Hände bei sich behalten …

Sloan verbrachte die Nacht auf einer Ranch außerhalb von Wagon Mound, New Mexico. Jeb Cotter war froh, seine Stute zurückzuhaben, ohne die üble Angewohnheit, ihren Reiter zu beißen – was Caleb und Justin viel Schweiß und Geduld gekostet hatte. Ihr Besitzer war so dankbar, dass er Sloan nicht in der einfachen Unterkunft für die Cowboys, sondern in seinem Gästezimmer unterbrachte.

Als Sloan an diesem Abend zu Bett ging und die Augen schloss, sah er zwei süße kleine Mädchen und ihre hübsche Mutter vor sich. Fast den ganzen Nachmittag hindurch, auf der Fahrt zur Ranch, hatte er an die drei gedacht. Und sich Sorgen um sie gemacht.

Deshalb legte er zwei Tage später auf dem Rückweg einen Zwischenstopp beim Imbiss ein. Normalerweise wäre er eine andere Strecke gefahren, denn er nahm lieber eine Route, die er noch nicht kannte, aber nicht dieses Mal.

Eigentlich gingen sie ihn nichts an, Emily und ihre Töchter. Er wollte einfach mal nach ihnen sehen, mehr nicht. Schließlich würde er sie nie wieder zu Gesicht bekommen, was konnte es also schaden?

Es war kurz nach Mittag, als er gegenüber dem Imbiss hielt, neben der Einfahrt zum Motel. Als er ihn kurz darauf betrat, klingelte die Glocke über der Tür, aber keine kleinen Mädchen begrüßten ihn. Und keine sexy Kellnerin huschte zwischen den Tischen umher.

Sloan war enttäuscht.

Er versuchte gerade, sich einzureden, dass es besser so war, da hörte er seinen Namen.

„Mr. Sloan.“

Er entdeckte sie sofort. Es war die Kleinere. Libby. Lächelnd und winkend sprang sie vom Hocker am Ende des Tresens und rannte auf ihn zu. Ihre Schwester Janie folgte ihr etwas langsamer.

„Mr. Sloan“, rief Libby wieder, und ihre blonden Locken hüpften um die strahlenden Augen. „Sie sind zu …“

Sloan sah es wie in Zeitlupe. Libbys kleiner Schuh verfing sich in der hochstehenden Kante des Teppichbodens, und sie fiel nach vorn.

Er rief ihren Namen und rannte los, wusste jedoch, dass er sie nicht rechtzeitig erreichen würde.

Libby wollte sich noch an einem Tisch festhalten, schaffte es allerdings nur, einem Gast sein Glas mit Eistee über den Overall zu kippen. Mit einem erschreckten Aufschrei sprang der Mann auf.

Aber Sloan hörte nur das dumpfe Geräusch, mit dem Libbys kleiner Kopf auf den Fußboden prallte. Sie machte eine Rolle vorwärts, und dabei trafen ihre Füße ihn im Gesicht.

Er achtete nicht darauf, sondern packte sie an den schmalen Schultern.

„Libby, alles okay?“

Mit großen blauen Augen sah sie ihn an. „Ich bin hingefallen.“

„Das bist du, Süße. Tut dir der Kopf weh?“

Ihre Unterlippe zitterte, die Augen füllten sich mit Tränen. „Nein.“

„Bist du sicher? Das war ein ziemlich harter Aufprall.“

Schluchzend rieb sie sich die Stirn. „Ich bin okay, Mr. Sloan, ehrlich.“

Rasch tastete er ihren Kopf, die Arme und Beine ab, bevor er erleichtert seufzte. Es hätte schlimmer ausgehen können. Die kleine Libby hatte noch mal Glück gehabt. Er dagegen würde wahrscheinlich zwei blaue Augen davontragen. Aber das machte nichts. Hauptsache, Libby war nichts passiert.

Er half ihr gerade auf, und Janie beugte sich besorgt über ihre Schwester, als die Schwingtür zur Küche gegen die Wand knallte. Ein kleiner Mann, mit schütterem Haar, einem Küchentuch um die Taille und rund wie ein Fass, hob eine fleischige Hand und wedelte drohend mit einem Pfannenwender aus Edelstahl. „Was zum Teufel ist hier los? Was haben die Gören jetzt schon wieder angestellt?“

Libby begann zu wimmern.

Sloan spürte, wie sein Herz zu hämmern begann. Er legte eine Hand auf Libbys Schulter und trat vor sie. „Es geht ihr gut. Danke, dass Sie gefragt haben.“

Der Mann knurrte etwas Unverständliches.

„Kein Grund zur Aufregung“, sagte Sloan. „Nur ein kleiner Unfall.“

„Und wer sind Sie?“, fragte der Mann.

„Ich bin ein Freund von Libby. Wer sind Sie?“

Der Mann kniff die Augen zusammen. „Howard Bisman. Mir gehört dieser Laden, und ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie sich nicht einmischen würden.“

Sloan lächelte kühl. „Und ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie vor den Kindern etwas freundlicher wären.“

Emily war im Büro gewesen, um eine Rolle Vierteldollar für die Kasse zu holen, als Howard aus der Küche gestürmt war. Ihr erster Gedanke galt den Mädchen. Howard war wütend auf sie und würde es vielleicht an ihnen auslassen. Sie eilte nach vorn.

„Diese Kinder machen nichts als Ärger, seit ich ihre Mutter angeheuert habe“, sagte ihr Chef gerade.

Emily erstarrte. „Was ist denn los?“

„Ärger, was sonst!“, fauchte Howard. „Und wie immer sind es Ihre Gören.“

Emily war ein höflicher Mensch, aber niemand beschimpfte ihre Töchter. „Nennen Sie sie nicht Gören. Margaret hat mich eingestellt und gesagt, dass sie hier willkommen sind.“

„Na ja, meine Frau ist nicht hier, und ich will diese Kinder raushaben, bevor sie den ganzen Laden in Trümmer legen.“

„Das ist nicht fair“, protestierte Emily.

Sloan staunte darüber, wie ruhig sie blieb. Er hätte das nicht geschafft.

„Meine Mädchen haben noch nie Ärger gemacht.“

„Aber jetzt haben sie es“, knurrte der Mann. „Ich will, dass sie verschwinden.“

Autor

Janis Reams Hudson
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