Im sinnlichen Bann des Highlanders

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Mairead muss unbedingt den kostbaren Dolch finden, der ihrem toten Bruder geraubt wurde. Nur so kann sie die Schulden ihrer Familie zahlen! Doch als sie in einem Gasthof in den Highlands danach sucht, landet sie versehentlich in der Schlafkammer eines gut gebauten Fremden, der nackt vor ihr im Bett liegt. Ehe sie sich hinausschleichen kann, ist er schon aufgesprungen und packt sie. Von ungeahnt heißer Erregung durchflutet, erliegt sie der übermächtigen Versuchung und gibt sich seinem Kuss hin. Zu spät erkennt sie, dass Caird der Krieger eines feindlichen Clans ist - und ihr Rivale auf der Suche nach dem Dolch!


  • Erscheinungstag 08.05.2018
  • Bandnummer 341
  • ISBN / Artikelnummer 9783733733780
  • Seitenanzahl 256
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Schottland – September 1296

Mairead Buchanan versuchte, ihr Herz zu beruhigen, aber es gelang ihr nicht. Warum es überhaupt noch versuchen? Sie wusste doch, dass es ganz einfach unmöglich war. Seit zwei Wochen hatte es nun so schnell geklopft, und jetzt war es noch schlimmer geworden.

Die Trauer krallte sich scharf in ihr hämmerndes Herz.

Aber sie hatte keine Zeit für Trauer, hatte keine Zeit, vernünftig zu sein, keine Zeit zum Nachdenken. Sie stand kurz vor dem Zusammenbruch; sie konnte nur noch handeln.

Dieser Albtraum musste aufhören. Und hier, heute Nacht, da sie in der feuchten Kälte draußen fror und die Schatten einer verrufenen Herberge beobachtete, würde es so weit sein.

Die Kerzen im Erdgeschoss des Gasthauses wurden endlich gelöscht. Die Fenster waren dunkel; man schloss die Fensterläden. Nicht einmal das entfernte Lachen einer Frau störte das leise Wispern des Nachtwindes. Es war spät; es war Zeit.

Und trotzdem haderte Mairead selbst jetzt noch mit sich. Selbst jetzt noch wollte sie alles abschütteln, wie eine Verrückte im Kreis rennen, um loszuwerden, was sie gesehen und was sie getan hatte. Was sie niemals wiedergutmachen konnte. Wie ihr Bruder, Ailbert, zu Boden sackte. Wie seine Augen leer wurden und nichts mehr sahen. Sie schluckte schwer. Die Trauer zerrte an ihr. Sie riss sich zusammen.

Sie konnte jetzt nicht an Ailbert denken, auch nicht an ihre Wut oder ihren Schmerz. Sie musste sich konzentrieren und zurückholen, was man ihm gestohlen hatte. Das war der einzige Weg, um ihre Familie vor den Folgen von Ailberts Draufgängertum zu bewahren. Wenn sie den unbezahlbaren Dolch nicht zurückbrachte, würde der Laird ihre Familie mit Sicherheit bestrafen.

Krieg und Verwüstung machten Schottland gerade schwer zu schaffen. Ihre Mutter und Schwestern würden eine Verbannung aus dem Clan und die damit einhergehende Demütigung niemals überleben. Ohne den Clan gab es keinen Schutz vor den Engländern. Sie konnten nirgendwo anders hin. Es gab keine andere Familie, an die sie sich hätten wenden können.

Ihrer Familie wegen war sie Ailberts Mörder zu dem Gasthaus gefolgt. Der Mann hatte tatsächlich für eine Kammer bezahlt. Er hatte sich wahrscheinlich sattgegessen und schlief jetzt tief und fest. Alltäglichkeiten, die ihr Bruder nie wieder erleben würde. Zorn verscheuchte Maireads Trauer, und sie hatte nichts dagegen. Trauer und Verzweiflung nagten an ihr, aber nur der Zorn würde ihr helfen, diese Nacht durchzustehen.

Sie warf einen Blick über die Schulter, sah sich um und atmete tief ein. Niemand befand sich hinter ihr, und sie hatte genug vom Warten.

Mit angehaltenem Atem huschte sie zu der Herberge, öffnete die Tür, schlüpfte hinein und zog sie hinter sich zu. Es war dunkler, als sie gedacht hatte; Möbel und Wände lagen tief im Schatten. Es war unnatürlich still, und Mairead lauschte angespannt auf die Geräusche, die sie hören konnte: das Hämmern ihres Herzens, den Hauch ihres Atems, das Knarren der Bohlen, als der Nachtwind das alte Gebäude in Schwingung versetzte.

Nichts anderes.

Flink und geschickt wich sie Bänken und Tischböcken auf ihrem Weg zur Treppe aus. Sie wusste nicht genau, wo der Mörder untergebracht war, aber sie gab sich selbst nicht mehr als eine Stunde, um die Kammern nach dem gestohlenen Dolch zu durchsuchen. Mucksmäuschenstill würde sie vorgegen müssen, um niemanden aufzuwecken.

Sie wollte – nein, sie musste den Dolch wiederhaben. Falls nötig, würde sie dafür lügen und stehlen. Sie würde sogar in die Zimmer von Fremden eindringen und ihr Leben riskieren. Der Griff des Dolches bestand aus fein verziertem, glänzendem Silber und war mit zwei Rubinen besetzt. Falls sie ihn verkaufen konnte, so wie Ailbert es vorgehabt hatte, würde sie seine Schulden zurückzahlen können. Dann würde nicht alles verloren sein wegen seines leichtfertigen Glücksspiels, und dann, nur dann, würde sie auch um ihn trauern können.

Sie eilte den kleinen Flur hinunter, hielt an der ersten Tür und hob den schweren Türhaken an, drückte behutsam die Tür auf, nur um festzustellen, dass die Kammer dahinter leer war. Vorsichtig schloss sie die Tür wieder und sah sich um. Sie war allein.

Mairead schlich zur nächsten Kammer und zuckte zusammen, als die Tür beim Öffnen laut knarrte. Ein schmales Fenster in der Wand gegenüber gab genug Licht, um erkennen zu können, dass das Bett in diesem Raum belegt war.

Die Gestalt, die unter der Decke lag, sah nach einem Mann aus. Der Mörder ihres Bruders war groß, und dieser Mann wirkte groß, aber sie konnte nicht sehen, ob das Bettzeug für die Schulterbreite verantwortlich war oder die Person selbst.

Sie musste sich einen Ruck geben, um die Kammer trotz des darin schlafenden Mannes zu betreten. Kleider lagen ausgebreitet über einen Schemel am Ende des Betts. Dicht daneben stand ein Paar Stiefel. Vielleicht war der Dolch hier. Dankbar dafür, dass die Bodendielen nicht quietschten, kniete Mairead sich hin.

Die schwache Glut im Kamin spendete wenig Licht, aber das Fenster mit offenen Läden umso mehr. Die Kleidung des Mannes bestand aus einem Umhang, einer Bruche, dunklen Beinlingen, einer weißlichen Tunika, Stiefeln und einem Beutel.

Der Mann im Bett war nackt.

Das Bett knarrte, als der Mann sich bewegte und schwer ausatmete. Mairead spannte sich an, bereit davonzulaufen. Dann lag er wieder still.

Ihr Herz war nicht so zuvorkommend und schlug ihr laut gegen die Rippen. Sie versuchte, sich zu beruhigen, und begann mit der Suche, aber ihre Finger zitterten, als sie seine Stiefel abtastete. Auch tief in den Spitzen war kein Dolch verborgen. An einem Gürtel hing ein Beutel, der in Maireads Augen ein hervorragendes Versteck für einen Gürtel darstellte. Behutsam, um ja kein Geräusch zu verursachen, nahm sie ihn in die Hand. Bei dem leisen Klingeln von Münzen zuckte sie zusammen, aber der Mann rührte sich nicht. Das Bettzeug hob und senkte sich leicht mit jedem seiner gleichmäßigen Atemzüge. Sie ließ den Beutel ungeöffnet, befühlte stattdessen das feine Leder. Kein Dolch. Vorsichtig ließ sie ihn los und tastete über die Tunika, die Bruche und die dünnen Lederbeinlinge. Nichts. Blieb noch der Umhang.

Sie raffte ihn mit beiden Händen und bemerkte sofort die feine, weiche Wolle, aus der er gewirkt war. Noch nie hatte sie einen solchen Stoff berührt, und sie genoss das angenehme Gefühl, während sie an der immensen Stoffmenge zog. Sie geriet aus dem Gleichgewicht und prallte gegen den Schemel, der ins Wanken geriet. Rasch griff sie danach. Zu spät. Mit einem dumpfen Knall kippte er zu Boden. Ein Rascheln war vom Bett zu hören.

Sie erstarrte.

„Wer ist da?“

Seine raue Stimme beherrschte die kleine Kammer.

Mairead antwortete nicht. Vielleicht entdeckte er sie in der Dunkelheit ja gar nicht. Vielleicht würde er wieder einschlafen, wenn sie kein Geräusch machte.

Der Mann richtete sich halb auf. Zu ihrem Verdruss begannen ihre Arme und Beinen leicht zu zittern. Ihr Atmen beschleunigte sich vor lauter Aufregung.

Das Bettzeug hatte ihn nicht größer erscheinen lassen als er wirklich war. Er war groß. Er trug keinen Schmuck, so viel konnte sie erkennen. Sie sah die fließenden Wellen und Kurven seiner muskelbedeckten Arme und Schultern. Das lange offene Haar verlieh seinem dunklen Gesicht einen wilden, ungezähmten Ausdruck. Der Rest seines Körpers war größtenteils unter dem Bettzeug verborgen, nicht aber der Glanz von Stahl, den er in der Hand hielt. Dies war ein Mann, der seine Waffe sogar ins Bett mitnahm.

„Falls du … denkst, dass ich dich nicht sehen kann, dann vergisst du, dass du direkt im Fensterlicht stehst.“

Dies war nicht der Mörder. Seine Stimme war auf ruhige Art zu männlich, auch zu klangvoll, zu … schleppend.

Er war betrunken!

Erleichterung stieg in ihr auf. Davon ausgehend, er sei zu betrunken, um rasch zu reagieren, sprang sie zur Tür.

Die Klinge flog so schnell an ihrem Arm vorbei, dass Mairead sie mehr spürte, als dass sie sie sah. Aber sie hörte, wie sie sich in die Tür bohrte, nur wenige Zoll von ihrer ausgestreckten Hand entfernt.

2. KAPITEL

Mairead erstarrte. Nur ihre Augenlider flatterten, während sie versuchte, mehr zu sehen und zu begreifen.

Hatte er einen Dolch nach ihr geworfen? Sie spähte auf die Tür. Es war nur ein kleines Stiefelmesser, und nicht der Dolch, hinter dem sie her war.

Aber welcher Mann schlief mit einer Waffe im Bett? Er hätte sie ernsthaft mit dem Messer verletzen können!

Sie wirbelte herum. „Wie konntest du mit einem Messer nach mir werfen?“

„Du bist eine Frau?“

„Tss, natürlich bin ich eine Frau. Sogar bei diesem schwachen Licht müsstest Du sehen, dass ich ein Kleid trage!“

Er gab einen Laut von sich, halb Schnauben, halb Stöhnen, als er das Bettzeug von sich schob, die Beine über die Bettkante schwang und sich erhob.

Er war nicht nur ein großer Mann, er war riesig. Ein Schwert trug er lose an der bloßen Seite. Das Schwert kümmerte sie nicht. Wohl aber seine Nacktheit, als er auf sie zukam.

„Wer bist du?“, fragte er scharf.

Das schwache Licht würde nicht mehr lange verbergen, was sie zu sehen fürchtete. Sie konnte nicht nur seine Größe und Form erkennen, sondern auch …

Er war prachtvoll. Einfach atemberaubend. Es war, als würde er alles, was sie bis dahin über das andere Geschlecht gewusst hatte, neu erzählen. Kein Buchanan-Mann war so gebaut wie er. Sie hatte nicht einmal geahnt, dass es solche Männer gab.

Die Farbe seiner Augen oder die seiner Haare konnte sie nicht ausmachen. Aber im Dämmerlicht zeichnete sich die harte Linie scharfer Wangenknochen ab, die Silhouette einer kühnen, geraden Nase. Und der schöne Schwung der unten vollen Lippen.

Ihre Augen verweigerten selbst den Wimpernschlag. Sie fühlte sich leicht und starr gleichzeitig, atmete abgehackt. Verspürte sie wirklich den Drang zu kichern?

Er trat noch näher. Er war nackt. Absolut nackt.

Es enthüllten sich ihr die Kurven von machtvollen Schultern und Armen, die sehr männliche Breite seines Brustkastens, die geschmeidige Bewegung von Muskeln, die sich zu einem flachen Bauch verjüngten.

Sie hätte sich abwenden sollen, aber es gelang ihr nicht.

Vielleicht war es die Dunkelheit, die sie so kühn machte. Vielleicht verhinderte ihre Leidenschaftlichkeit, die ihrer Mutter ständig Grund zur Klage gab, jedes mädchenhafte Erröten. Oder vielleicht sah sie hin, weil sie einfach nicht anders konnte. Ja, das war es wohl.

Ihr Blick wanderte tiefer.

Der Mund wurde ihr trocken, auch ihre Lippen. Sie leckte sich über die Lippen aus Angst, ihr Mund könnte offen stehen. Es fiel ihr schwer, einen klaren Gedanken zu fassen. Ihre Beine fühlten sich plötzlich an wie langes Gras, das sich dem Wind beugt. Sie verlagterte ein wenig das Gewicht, um wieder festen Halt zu haben.

Er knurrte, tief, beinahe ein Schnurren, wäre es nicht so männlich gewesen. So raubtierhaft. Sie wusste nicht, was sie davon halten sollte. Es verunsicherte sie.

„Gefällt dir, was du siehst?“ Er lehnte das Schwert ans Bett. Dankbar folgte sie ihm mit dem Blick, bis sie sich wieder beruhigt hatte. Dann sah sie ihm ins Gesicht.

„Mir gefällt, was ich sehe.“ Sein Blick war intensiv, durchdringend und fesselte sie. „Was ich sehe, gefällt mir sogar sehr.“

Wo waren ihre Wut und ihr Ärger? Weg. Genau wie ihre Fähigkeit, sich zu bewegen. Er war ihr so nahe, dass sie die Wärme seiner Haut spüren konnte. Trotz seiner Nacktheit roch er nach warmem Leder, kaltem Stahl und nach einem Duft, den sie noch nie vorher wahrgenommen hatte. So verführerisch, dass sie ihn gierig einsog.

Er ließ sie nicht aus den Augen, und sie hielt seinem Blick stand. Mit einem Finger strich er ihr hauchzart von der Schläfe über ihren Kiefer bis zur Fülle ihrer Unterlippe.

„Soo hübsch, vor allem wenn du nicht redest“, raunte er. „Hat dich mein Bruder geschickt? Warst du deshalb an meinem Bett?“ Er fasste unter ihr Kinn und hob ihr Gesicht zu seinem. „Ich hätte nicht gedacht, dass ich heute Abend die Kraft für irgendein Mädchen habe, aber es freut mich, dass ich mich getäuscht habe.“

Mairead war schwindelig, als er ihr Gesicht in beide Hände nahm. Schwach nahm sie den Geruch von Ale in seinem Atem wahr.

Er berührte ganz sanft ihre Lippen mit den seinen, versuchte Mairead zu verführen, sie zu öffnen, indem er seine Zunge neckend über ihre Lippen gleiten ließ. Und Mairead wusste, dass dies mehr als nur ein Kuss war. Es war etwas vollkommen Neues – genau wie der Mann selbst.

Er umfing ihr Gesicht, aber es waren weder seine Lippen, noch seine Hände, die sie gefangen nahmen. Viel mehr wurde sie gefesselt durch die Macht, mit der ihr eigener Körper sich antwortend gegen seinen drängte.

Er gab ihre Lippen frei, nur um Mairead heftiger an sich zu ziehen. Fest packte er sie und hob sie hoch.

Dann bog er ihren Kopf zurück, sodass ihr Hals seinen Lippen, seinen Küssen ausgeliefert war.

Plötzlich geriet sie in einen Strudel aus zurückkehrender Verzweiflung und Zorn, und ihre Gefühle änderten sich, wurden dunkler, explosiver, wollten etwas anderes, etwas, das sie nicht verstand, selbst als sie ihm die Hände auf die Schultern legte. Sie zerrte, knetete, versuchte, den mächtigen Körper näher an sich heranzuziehen.

Er stöhnte, wechselte die Stellung. Nicht genug. Längst nicht nahe genug. Mairead zog stärker, und sein nächster Schritt brachte ihn zum Straucheln. Sie stieß mit dem Rücken gegen den Kamin.

Der scharfe Schmerz und sein leiser Fluch zerstörten den Zauber des Augenblicks und brachten sie wieder in die Wirklichkeit zurück. Und die Wirklichkeit schmerzte mehr als der Kamin, sie war sogar äußerst peinlich.

Sie hatte einen Mann geküsst. Einen nackten, betrunkenen Mann, den sie nicht einmal kannte! Verlegen ließ sie den Blick durch die Kammer schweifen. Sie schaute überall hin, nur nicht zu ihm. Er hatte sein Gleichgewicht wiedergefunden, aber sein Fluch machte sie fast noch schwindeliger als seine Küsse.

Die Kammer war dunkel. Das war wichtig, auch wenn sie sich nicht mehr erinnern konnte, warum. Der Dolch!

Er kitzelte sie unterm Kinn. „Was war das, wo bist du denn hin?“, neckte er.

Er hatte den Kopf gesenkt, um ihrem Blick zu begegnen. Seine Augen glänzten immer noch vor Verlangen, aber sie funkelten jetzt auch vor Belustigung. Er war die reine männliche Versuchung und war offenbar ganz wild darauf, mit ihr das Bett zu teilen. Was hatte sie angerichtet?

Sie musste fliehen, aber das würde nicht einfach werden. Er war ein großer Mann mit einem Schwert. Vernünftig mit ihm zu reden würde keinen Zweck haben. Ihr einziger Vorteil bestand in dem Überraschungsmoment und seiner Nacktheit. Ihr Blick glitt wieder zur Tür.

Seine Augen verengten sich und er straffte leicht schwankend die Schultern. „Du läufst doch nicht weg, Mädchen?“

„Ich habe mich vertan“, sagte sie mit bebender Stimme. „Ich bin … im falschen Zimmer.“

Obwohl er nicht näher trat und obwohl er ihren Hals nur leicht mit den Fingerspitzen liebkoste, war sie ihn keinesfalls los.

„Das war kein Irrtum. Du bist in mein Zimmer gekommen. Du hast dich von mir küssen lassen.“ Mit den Fingern zeichnete er sanft kleine Kreise, ihren Nacken hinunter zu ihren Schultern und wieder hinauf. „Und bevor ich so ungeschickt war, wolltest du, dass ich dich … weiter küsse.“

Und das stimmte. Alles stimmte, auf verwirrende Art, aber sie brauchte den Dolch, nicht diesen Mann, der sie dazu brachte, gleichzeitig bleiben und wegrennen zu wollen. Wie hatte das geschehen können? Was war bloß in sie gefahren, sich derart unmöglich zu benehmen?

„Ich will dir nichts Böses“, sagte sie und versuchte, sich zu konzentrieren. Sie war eine Buchanan, und lügen konnte sie meisterlich. Aber sie würde ihn niemals überzeugen können, wenn sie vor Begehren nur so zitterte.

„Ich muss gehen“, erklärte sie und stellte erleichtert fest, wie ihre Stimme fester wurde. „Mein Freund hält sicher schon nach mir Ausschau.“

„Ein Freund?“ Er zog seine Hand rasch weg und runzelte die Stirn. „Ein Mann?“ Der verführerische Blick wurde grimmig. Der Wechsel vollzog sich so plötzlich, dass es beinahe komisch gewirkt hätte, hätte der Fremde nicht so Furcht einflößend ausgesehen.

„Du bist hier mit einem Freund?“, sagte er, das letzte Wort ein Knurren. „Mein Bruder hat dich nicht zu mir geschickt?“

Es konnte nur einen Grund geben, weshalb sein Bruder ihm eine Frau in die Schlafkammer schicken würde. Hätte sie noch einen Funken Scham in sich gehabt, dann wäre sie nun vor Verlegenheit rot geworden, nicht vor Verlangen beim Gedanken an den Kuss, den sie eben miteinander geteilt hatten.

Sie schüttelte den Kopf. „Nein, deinen Bruder kenne ich nicht.“

Er verzog den Mund. „Mein Bruder und ich haben da eindeutig etwas übersehen. Wenn ich dich da unten beim Servieren bemerkt hätte, dann hätte ich mit dem Trinken aufgehört, um mit dir zusammen zu sein. Gehörst du deinem Freund nur für heute Nacht?“

„ Nein! Ich brauche nur …“

Sein Ärger wuchs. „Du gehörst zu ihm fürs Leben? Du bist verheiratet!“

Die Sache wurde immer schlimmer! Sie war also entweder eine Hure, eine fremdgehende Ehefrau oder sie konnte ihm erzählen, dass sie eine Diebin war. Er stand jetzt so dicht vor ihr, dass an eine Flucht nicht mehr zu denken war. Klar denken konnte sie ohnehin gerade nicht.

„Nein, nein“, rief Mairead. „Ich bin nicht verheiratet. Du verstehst das nicht. Ich habe mich im Zimmer geirrt.“

Ein wölfisches Grinsen erschien auf seinem Gesicht, aber seine Stirn war immer noch gerunzelt. Er sah aus, als wäre er ärgerlich, ja nahezu wütend und zu irgendetwas fest entschlossen, und das alles gleichzeitig.

„Mädchen, ich mag ja langsam sein, weil ich etwas getrunken habe. Aber du hast dich nicht im Zimmer geirrt. Du bist mir geradezu im Traum erschienen.“

Seine schiere Gegenwart und Nähe brachten sie durcheinander und ließen ihr nicht viel Spielraum. „Ich glaube, es liegt am Ale, dass du nicht verstehst, was ich meine. Ich sollte nicht hier sein. Ich hatte nicht vor, dich zu küssen. Du musst mich gehen lassen.“

Er schüttelte den Kopf, als würde er es wirklich nicht begreifen. „Meine Ungeschicktheit hat dich erschreckt. Bitte verzeih mir.“

Er senkte den Kopf und fuhr fort: „Ich heiße Caird. Ich bin hier, weil meine Schwester Hochzeit feiert. Und jetzt habe ich wohl ein bisschen zu viel gefeiert, siehst du? Es hat mich tollpatschig gemacht, und meine Manieren habe ich auch vergessen.“

Er lächelte. „Oder vielleicht bin ich auch so ungeschickt, weil ein schönes Mädchen … mit lockigen Haaren … in mein Zimmer gekommen ist. Aber eins kann ich dir versprechen: Wenn du da drüben mit mir ins Bett gehst, dann wirst du es nicht bereuen.“

Wieder begann er, sie zärtlich, nur mit den Fingerspitzen, zu streicheln. Hinter dem Ohr, ihren schlanken Hals hinunter, quer über die Schultern, dann wieder nach oben. Nicht nur einmal.

Caird. Er hatte einen Namen. Ein Fremder war er eigentlich auch nicht mehr, und seine Berührungen lösten seltsame Empfindungen in ihr aus.

„Wenn du mit mir schläfst, dann verspreche ich dir, dass ich der geschickteste Liebhaber bin, der dich je genommen hat.“ Seine Stimme klang wie ein tiefes, genussvolles Schnurren. „Ich werde dich nicht hastig lieben. Begierig, ja. Aber ich werde mir Zeit für dich nehmen, Mädchen. Ich sorge dafür, dass mein Körper sich so an deinen schmiegt, dass du die kalte Nachtluft nicht spürst.“

Sie spürte die raue Haut seiner Finger, die Wärme seiner Handfläche. Unter seinen Blicken fühlte sie sich nackt.

„Ich werde dich mit meinen Händen lieben. Ich werde mit meiner Zunge deine Brüste kosten. Heiß, mit Inbrunst. Ah, ich möchte sie sehen, möchte spüren, wie sie fest werden.“

Seine Worte ließen sie erschauern. Sie hätte entsetzt sein sollen, oder wenigstens beleidigt, weil er meinte, derart intim zu ihr sprechen zu dürfen. Stattdessen war sie gefesselt. Fasziniert.

„Du wirst dich nach meinen Händen und meinem Mund sehnen, wenn ich dir über den Bauch streichle.“ Er ließ seine flache Hand weich an ihrem Nacken verweilen. „Du wirst deine Schenkel spreizen, und mein Mund und meine Hände werden noch tiefer wandern.“

Er musste die Schleifen an ihrem Kleid gelöst haben, ohne dass sie es bemerkt hatte. Denn jetzt schob er es ihr einfach von den Schultern. Die kalte Nachtluft strich ihr über die entblößte Haut, aber unter der Wärme seiner Hände fror Mairead nicht. Atemlos öffnete sie die Lippen, und der Triumph in seinen Augen war nicht zu übersehen.

Was war nur los mit ihr? War sie verrückt geworden?

„Nein!“ Mit einer Armbewegung stieß sie seine Hände fort, rannte zur Tür und riss sie auf.

3. KAPITEL

Blindlings lief sie in den Flur hinaus und in einen Mann hinein, der auf die Treppe zusteuerte. Der Zusammenstoß nahm ihr den Atem, und sie prallte rückwärts gegen die Wand.

Der Umhang des Mannes löste sich, und die Kapuze rutschte ihm vom Kopf. Sie sah sein Gesicht und das Blinken eines Silberdolchs, der in seinem Gürtel steckte.

„Ihr!“, schrie sie auf.

Der Mann brauchte einen Moment, um zu begreifen, wer sie war. Die Überraschung ließ ihn innehalten.

Mairead fand die Sprache wieder. „Ihr Dieb! Ihr Mörder. Gebt mir meinen …“

„Was ist hier los?“

Caird kam in den Flur. Seine lose Tunika bedeckte ihn gerade ausreichend, aber ließ das Schwert sehen, das er jetzt wieder trug.

Mairead blinzelte. Hatte er vor ihrem Ausruf zum Schwert gegriffen, oder erst danach?

Der Mann rückte seinen Umhang zurecht. Sein Blick wurde berechnend. Mit Caird im Rücken wusste Mairead nicht mehr, was sie machen sollte. Wenn sie jetzt in Anklagen ausbrach, würde es viele Fragen geben. Caird zu küssen bedeutete nicht, dass sie ihm traute. Der Dolch war zu wertvoll.

Sich auf den Mann zu werfen und sich den Dolch zu schnappen, war ausgeschlossen. Sie trug selbst keine Waffe. Wahrscheinlich würde sie verletzt werden, schlimmstenfalls sogar sterben.

Ihr Plan, den Dolch zu stehlen und damit nach Hause zurückzukehren, war nun ein Ding der Unmöglichkeit. Sie steckte in der Klemme. Der Mann schien zum selben Schluss gelangt zu sein, denn seine Augen funkelten.

Er neigte den Kopf, sein Lächeln voller Hohn.

„Verzeih mir, Dirne. Wie ich sehe, bist du heute Abend schon beschäftigt. Ich wollte mich nicht einmischen.“

„Was soll das heißen?“ Caird zeigte mit dem Schwert auf den Mann. „Ist dies dein Freund?“

Mairead dachte nicht einmal nach. Caird wirkte … unkontrolliert. Er stellte sich noch breitbeiniger hin, seine ganze Haltung strahlte Aggression aus. Er wirkte gespannt wie eine Sehne und jederzeit bereit zum Sprung. Vielleicht hatte sie doch eine Waffe zur Hand. Das wohlgeübte Lügen der Buchanans würde ihr jetzt zustattenkommen.

Sie nickte hochnäsig. „Aye, und jetzt rennt er davon wie ein Dieb in der Nacht.“

„Ein Dieb?“ Caird betrachtete sie genauer. Seine Augen verengten sich, seine Haltung wurde noch imposanter. „Er hat dein Kleid zerrissen!“

Sie sah an sich hinunter. Irgendwo zwischen Cairds erfahrenen Händen und dem Zusammenstoß mit dem Mörder war ihr abgetragenes Kleid gerissen. Entsetzt versuchte sie, die dünnen Stoffstreifen über ihrer Brust zu arrangieren. Es hatte keinen Zweck, und sie verschränkte schützend die Arme vor sich.

Der Mörder bemerkte den Stimmungsumschwung und machte Anstalten, die Kapuze wieder aufzusetzen. „Ich habe die Dirne nie angefasst! Das ist alles ganz bedauerlich; ich wünsche Euch beiden eine gute Nacht.“

Sie hörte nur ein Zischen, bevor sie sah, dass Caird dem Mann mit seinem Schwert den Weg versperrte. Mit einem weiteren Schritt hätte der Mörder seinen Hals riskiert.

„Sie hat Euch einen Dieb genannt“, sagte Caird. „Was genau habt Ihr gestohlen?“

„Nichts, die Dirne …“

„Hört auf, sie eine Dirne zu nennen; neben Euresgleichen ist sie ist eine Dame.“

Das Verhalten des Mannes änderte sich schlagartig von Verärgerung zu übertriebener Gefälligkeit. Beschwichtigend hob er die Hände.

„Die Dame ist ganz die Eure. Es war ein Unfall. Sie ist mir …“

„Es war kein Unfall!“, unterbrach Mairead ihn. Sie hatte nicht vor, sich ihre einzige Chance, den Dolch wiederzubekommen, ruinieren zu lassen. „Dies ist der Mann, den ich treffen wollte. Aber er hat mich aus deinem Zimmer kommen sehen und hat mir vor Wut das Kleid zerfetzt!“

Der Mann sah nun ängstlich aus; wäre es nicht so dunkel gewesen, hätte sie schwören mögen, dass ihm der Schweiß ausbrach. Noch besser, er wirkte jetzt schuldbewusst. Gut, sollte ihn ruhig die Schuld quälen. Besonders, da sie ihm eigentlich den Tod wünschte.

Cairds Schwert zerschnitt die Umhangschleife unter dem Kinn des Mannes. Der Umhang wehte zu Boden und enthüllte sowohl den Dolch als auch ein Schwert an seinem Gürtel.

„Ihr müsst Euch bei der Dame entschuldigen“, sagte Caird.

„Aber ich habe nichts …“

Eine weitere kleine Bewegung und das Schwert hatte die Tunika des Mannes sauber aufgeschlitzt. Direkt über dem Herzen.

Mairead biss sich auf die Unterlippe, um ihre Gefühle zu verbergen. Trauer, Verzweiflung, Zorn … und jetzt dies?

Caird tat alles, was sie selbst hätte tun wollen, aber es war nicht genug, in Anbetracht dessen, was dieser Mann ihr genommen hatte. Sie wollte das Schwert selbst schwingen und das schwarze Herz des Mörders durchbohren.

Der Mann starrte wild auf das Schwert, auf Mairead und auf die Treppe; seine rechte Hand zuckte sichtlich. Weil er Caird fürchtete? Mairead hoffte es.

Selbst halb nackt sah Caird keineswegs verletzlich aus. Im Gegenteil, sein muskulöser, überaus kräftiger Körper wirkte noch fürchterlicher als das Schwert in seiner Hand. Sie konnte kaum glauben, dass sie diesen Mann eben noch umschlungen hatte, als ginge von ihm keinerlei Gefaht aus. Jetzt und hier sah er alles andere als ungefährlich aus.

Eine blitzschnelle Bewegung.

„Die Treppe!“, schrie sie.

Caird machte einen Satz nach vorn, aber der Mörder hatte etwas anderes vor als die Flucht. Er hatte nun den Dolch in der Hand und schwang ihn herum. Caird schnellte zur Seite und hieb dem Mann seine große Faust auf den Schädel.

Der Mörder wankte am oberen Treppenrand. Caird hielt ihn an der zerfetzten Tunika gepackt. Sie zerriss, und der Mörder rollte die Treppe hinunter wie ein nasser Sack.

Hinter ihnen öffnete sich eine Tür, und ein großer, schlanker Mann kam heraus. Sein kurzes dunkles Haar war zerwühlt, und eine Locke fiel ihm in die Stirn. Eine erst kürzlich verheilte Narbe verlief quer über seine linke Wange und weiter über seine nackte Brust. Er sah bedrohlich aus, obwohl er jetzt unbekümmert am Türrahmen lehnte und seinen Blick unverblümt über Caird, Mairead und den regungslosen Mann am Fuß der Treppe schweifen ließ.

Seine Lippen zuckten, bevor er in Gelächter ausbrach. Dann tat er so, als müsste er sich Lachtränen aus seinen sehr grünen Augen wischen und fragte: „Brauchst du etwa Hilfe?“

„Du hast dir reichlich Zeit gelassen, Malcolm“, sagte Caird.

Malcolm wedelte wegwerfend mit der Hand. „Ich war beschäftigt. Du hast mir zwei von denen dagelassen.“ Er zeigte auf Mairead. „Wer ist das?“

Caird runzelte die Stirn.

Malcolm lachte wieder. „Und was ist mit dem da unten?“

„Den kenne ich auch nicht.“

„Tja, du hast dich jedenfalls nicht gelangweilt.“

Gekicher drang aus Malcolms Zimmer, und er schloss die Tür.

Mairead wollte nichts dringlicher, als die Treppe hinunterzurennen, den Dolch an sich zu reißen und zu verschwinden. Aber jetzt waren sie auch noch zu zweit. Sie musste weiter lügen.

Sie tat ihr Bestes, um den Eindruck zu erwecken, sie mache sich Sorgen um den Mörder. „Sollten wir nicht nachsehen, ob er tot ist?“, fragte sie.

Caird starrte sie an. Sie wich seinem Blick aus, sah die Treppe hinunter und versuchte, möglichst unschuldig dreinzublicken.

„Ich erledige das.“ Malcolm grinste. „Von uns dreien bin ich der Einzige, der noch respektabel angezogen ist.“

Mairead schob hastig wieder die Hände über den Busen. Ihr Kleid hatte sie ganz vergessen.

Malcolm stieg die Treppe hinunter und untersuchte den schlaffen Körper. „Nicht tot“, flüsterte er nach oben.

Ihre unmittelbare Erleichterung überraschte Mairead. Eben noch hatte sie ihm den Tod gewünscht.

Malcolm zerriss die zerfetzte Tunika und fesselte die Hände des Mörders hinter dessen Rücken und kehrte dann zu Caird und Mairead zurück. „Er hatte das hier in der Hand.“

Malcolm hob Maireads Dolch hoch. Die Rubine glitzerten.

Sie unterdrückte ein Keuchen, aber es gelang ihr nicht ganz. Caird sah ihr kurz in die Augen, und sie senkte schnell den Blick. Was sollte sie jetzt machen? Sagen, dass der Dolch ihr gehöre und sich freundlich verabschieden? Sie würden ihr nicht glauben. Sie musste weiter schweigen.

Caird nahm den Dolch und strich bewundernd über den verzierten Griff. Als er Mairead danach wieder ansah, war sein Blick nicht länger sanft vor Begehren oder vor Betrunkenheit. Er war kalt wie der Dolch in seinen Händen.

„Die Kleider von diesem Mann sind zu ärmlich für so ein kostbares Stück“, stellte er fest.

„Das denke ich auch“, antwortete Malcolm. „Er hat ihn sicher gestohlen.“

Caird nickte. „Aye, ein Dieb.“

Bildete Mairead sich das nur ein, oder betonte Caird das Wort Dieb? Sie tat unbeteiligt und nestelte an ihrem Mieder herum.

„Tu ihm nichts an“, sagte Caird. „Lass ihm sein Geld und sein Schwert, und schaff ihn vor die Stadttore. Am besten noch weiter weg.“

„Aus dem Land?“

„Die Entfernung möchte ich dir nicht aufbürden.“

Malcolm nickte in Richtung seines Zimmers. „Ich werde schon genug trauern, weil ich diese beiden allein lassen muss.“

Caird schüttelte den Kopf. „Denkst du nie an etwas anderes?“

„Doch, an Essen.“

Caird zögerte und sah aus, als ob er noch etwas sagen wollte.

Malcolm ließ eine Braue in die Höhe schnellen. „Machst du dir wieder Sorgen um mich, Bruder?“

Caird schnaubte und schüttelte abermals den Kopf. „Ich behalte diesen Dolch. Ich muss nachdenken. Sieh zu, dass er nie wieder einen Fuß auf unser Land setzt.“

Ein Stöhnen und Bewegung von unten erregte ihre Aufmerksamkeit.

Malcolm rannte die Treppe hinunter und zerrte den Mörder grob auf die Füße. Der Mann torkelte, offensichtlich noch nicht bereit, aufzustehen.

„Heh, und wo ist jetzt mein Schwert?“

„Ihr bekommt es noch früh genug“, erwiderte Malcolm.

Der Mann tat fügsam, aber dann wehrte er sich heftig und bekam einen Arm frei. „Der Dolch. Wo ist er?“

„Hier“, rief Caird.

Malcolm packte den Mörder wieder an beiden Armen, und der Mann hatte Mühe, sich aufrecht zu halten. „Der Dolch gehört mir“, erklärte er. „Den könnt Ihr mir nicht wegnehmen. Ein Mann muss sich doch verteidigen können.“

Mairead schwieg und starrte ihn nur hasserfüllt an. Sie würde ihm niemals vergeben oder vergessen, was er getan hatte.

„Ihr habt das Schwert. Den Dolch will ich wiederhaben.“

Der Mann zerrte vergeblich, um seinen Arm wieder freizubekommen. „Ich muss diesen Dolch haben. Nehmt meinen Beutel, nehmt mein Schwert, aber der Dolch ist ein Erinnerungsstück für mich.“

„Nein.“

Der Mann hörte auf zu betteln, aber wehrte sich noch immer vehement gegen Malcoms festen Griff. Ärger und Furcht lagen in dem Blick, mit dem er Mairead bedachte.

„Du dämliche Dirne. Ich war’s nicht, der das getan hat. Wenn du …“ Der Mann versuchte, Malcolm einen Kopfstoß zu verpassen, aber der gab ihm einen Kinnhaken, und der Mann sackte schwer in seinen Armen zusammen.

„Ich hätte vielleicht gern das Ende des Satzes gehört“, bemerkte Caird trocken.

Malcolm zuckte mit den Schultern. „Er kann noch nicht wieder ganz klar gewesen sein.“

Caird sah wieder auf den Dolch. Mairead ebenfalls.

„Bring ihn weg“, forderte Caird.

„Nein, einen Moment, bitte!“, rief Mairead. „Sollten wir nicht warten, bis er wieder aufwacht, um zu hören, was er sagen wollte?“

„Zu spät. Ich brauche meinen Schlaf“, entgegnete Caird.

Oh, aber sie musste wissen, was der Mann zu sagen hatte. Es war alles so schnell gegangen, als Ailbert getötet worden war. Sie hatte nur den einen Mann wegrennen sehen. Diesen Mann. War da noch ein anderer gewesen? Wenn dieser Mann nur ein Dieb war, wer war dann der Mörder?

„Aber auf seiner Reise sollte er doch wenigstens wach sein“, argumentierte sie.

„Nicht nötig“, antwortete Caird. „Ich habe meinem Bruder schon jetzt zu viel abverlangt. Ein Bewusstloser wird es ihm leichter machen.“

Malcolms Tür flog auf, und zwei zerzauste Frauen kamen heraus. Sie hielten sich mit der gleichen Ungeschicklichkeit aneinander fest, mit der sie auch ein einziges Bettlaken an sich drückten. „Malcolm“, zwitscherte eine von ihnen. „Malcolm, komm zurück. Wo bist du?“

„Oh!“ Die Brünette hielt so plötzlich inne, dass die Rothaarige stolperte und den Teil des Lakens verlor, der ihren nackten Körper verdeckt hatte.

„Schau dir mal diesen hier an, Annie.“ Die Brünette deutete auf Caird.

„Oooh, das ist ja ein echter Hauptgewinn“, lallte die Rothaarige und fischte vergeblich nach dem Ende des Lakens. Sie zeigte Caird einen Kussmund. „Komm mit zu uns, Hübscher.“

Caird, nach wie vor nur mit seiner Tunika bekleidet, hielt das Schwert lose an seiner Seite. Unwillkürlich ärgerte sich Mairead darüber, dass Caird anscheinend keine Scham kannte. Musste er vor allen Frauen in Schottland so herumspazieren? Und wieso machte ihr das überhaupt etwas aus?

„Wie ihr sehen könnt“, meinte Caird, „kümmert sich eure Freundin hier schon ganz gut um mich.“

Mairead hätte ihm am liebsten in den Bauch geboxt.

„Oh, das ist keine Freundin von uns“, sagte die Brünette.

„Die habe ich noch nie im Leben gesehen“, fügte die Rothaarige hinzu. „Wo ist Malcolm?“

„Mädchen!“, krähte Malcolm fröhlich von unten.

Sie torkelten in Richtung der Treppe.

Caird achtete nicht auf die Frauen, er beobachtete Mairead. Er war nicht überrascht, dass die beiden Frauen sie nicht kannten, das sah man ihm an.

Sie hatte recht in der Annahme, dass er dafür zu klug war. Wenn sie nicht aufpasste, würde er ihr Eindringen in sein Zimmer mit dem Dolch und dem Dieb in Verbindung bringen.

Aber sie konnte nicht einfach so weggehen. Caird hatte jetzt den Dolch. Wie sollte sie nur an die Waffe herankommen und ihn daran hindern, die richtigen Schlüsse zu ziehen? Auf die einzige Art, die ihr einfiel.

Mairead ließ die Hände von ihrem Kleid sinken. Sein Blick glitt über ihre Brust. Aber er blieb nicht dort hängen.

Stattdessen nahm sein Gesicht einen harten, entschlossenen Ausdruck an.

„Geh in mein Zimmer“, sagte er.

4. KAPITEL

Mairead war normalerweise stolz auf ihre Impulsivität, aber im Moment war Stolz das Letzte, was sie empfand. Im Moment schwebte sie in Gefahr. Besonders deshalb, weil sie keinen Plan hatte und weil ein gut bewaffneter, wütender Fremder sie nicht aus den Augen ließ. Er schloss die Tür, und sie waren wieder allein in seiner Kammer.

Ihr eigener Ärger und Zorn waren verschwunden, stattdessen hatte sie derart weiche Knie, dass sie sich kaum noch aufrecht halten konnte.

In der dunklen stillen Kammer konnte sie beinahe hören, wie er in Gedanken über sie und den Dieb seine Schlüsse zog.

Wäre es nicht um ihre Familie gegangen, dann wäre sie jetzt weggelaufen. Sie brauchten das Geld, das der Dolch ihnen verhieß. Nicht, dass ihre Mutter oder ihre Schwestern etwas davon ahnten, aber Ailbert hatte es gewusst. Ailbert hatte … Oh, sie wollte nicht über ihn nachdenken. Nicht jetzt. Sie hatte keine Zeit.

Sie musste sich entscheiden: Sollte sie sich hier demütigen lassen, oder vor ihrem gesamten Clan? Lieber hier.

Sie richtete, was vom Oberteil ihres Kleides geblieben war, nahm eine Kerze und ging zum Kamin hinüber. Das Feuer glimmte nur schwach, aber es war genug, um einen Docht zu entzünden.

„Das ist nicht nötig.“

„Aber es ist dunkel.“

„Wir brauchen kein Licht zum Schlafen.“

Aber sie brauchte es dringend. Sie musste wissen, ob sein Gesichtsausdruck der beißenden Stimme entsprach. Sie stellte die unangezündete Kerze auf den Tisch und drehte sich zu Caird um.

Er hatte das Schwert wieder ans Bett gelehnt und stand direkt hinter ihr. Mit einer schnellen Bewegung schlüpfte er aus der Tunika. „Hier.“ Er hielt sie ihr hin.

Während sie am Stoff ihres hoffnungslos zerrissenen Kleides nestelte, versuchte sie, Caird nicht anzusehen. „Was ziehst du an?“

„Ich habe nicht vor, noch mal auszugehen.“ Er drückte ihr die Tunika in die Hand und wandte sich zur Tür. „Und ich trinke heute Nacht auch nichts mehr.“

Sie hielt die Tunika fest und versuchte, sich einen Vorwand zum Bleiben auszudenken. Aber anstatt die Tür aufzumachen und sie hinauszuschieben, zog er nur sein Stiefelmesser aus der Tür.

Sie entspannte sich ein wenig, aber sie war noch nicht ganz auf der sicheren Seite. Er wandte sich um und blickte demonstrativ auf die Tunika in ihren Händen. Dann ging er an ihr vorbei und platzierte sein Stiefelmesser auf der Fensterbank.

Sie wollte etwas sagen, irgendetwas, um die Spannung zu mildern. Aber er benahm sich, als spürte er gar keine Spannung, und er war immer noch … nackt. Er mochte sich wohlfühlen, aber seine Blöße brachte sie völlig durcheinander.

Selbst ihm zu danken erschien ihr falsch, denn er zog nun das Bettzeug glatt und legte sich hin. Direkt über seinen Kopf legte er den Dolch.

Weder wusste sie, was sie sagen noch was sie tun sollte. Nicht nur der Ton seiner Stimme hatte sich verändert. Der ganze Mann war anders. Seine Sätze waren knapper. Die warme, melodiöse Stimme, die ihren Körper hatte schwer werden lassen, war verschwunden. Er sah sie nicht einmal mehr an.

Sie stand also einfach da.

„Ich habe Kopfschmerzen und bin müde. Du kannst die Tunika anziehen oder es lassen, zum Schlafen ins Bett steigen oder nicht, es ist mir egal.“

Mairead fühlte sich hilflos und starrte auf das Bett. Es knarrte, als Caird es sich bequem machte. Er hatte sich auf die Seite gedreht und kehrte ihr den Rücken zu. Die dünne Wolldecke, mit der er sich zugedeckt hatte, verbarg seine Blöße wenigstens teilweise.

Der Tag war noch nicht angebrochen, aber es würde bald hell werden. Es gab immer noch eine Chance, den Dolch zu bekommen, aber nur wenn sie blieb. Sie streifte sich die Tunika über und kletterte ins Bett. Es war kein großes Bett, und sie musste sich Cairds Position anpassen, um ihn nicht zu berühren.

Vielleicht hatte er einen tiefen Schlaf. Wenn sie den Schemel nicht umgeworfen und so einen Krach gemacht hätte, wäre ihr viel früher die Flucht gelungen, aber über alte Fehler nachzugrübeln, half jetzt auch nicht weiter.

Im Augenblick musste sie einfach darauf warten, dass Caird einschlief.

Mairead erwachte, und schlagartig wurde ihr bewusst, dass die Sonne bereits aufging. In der Kammer wurde es gerade hell, aber sie brauchte kein Tageslicht, um zu sehen, dass ihre Impulsivität sie in Gefahr gebracht hatte. Wieder einmal.

Sie brauchte überhaupt nichts zu sehen. Fühlen genügte.

Mit dem Oberkörper lag sie immer noch von Caird abgewandt, aber ihre Beine waren hübsch unter seine geraten. Ihre Füße waren warm und wahrscheinlich war das der Grund dafür gewesen, dass sie eingeschlafen war. Warme Füße hatte sie sonst selten. Sie rührte sich nicht und wartete ab, ob Caird auch aufwachen würde, aber er regte sich nicht und sein Atem ging regelmäßig. Er schlief tief und fest.

Der Dolch lag immer noch über seinem Kopf.

Um ihn ja nicht aufzuwecken, hielt sie einen Seufzer der Erleichterung zurück. Es gab also noch eine Chance, mit dem Dolch nach Hause zurückzukehren. Dann würde sie endlich trauern können. Sie fühlte sich elend, und die Zurückhaltung der Trauer zerrte mehr und mehr an ihr.

Vorsichtig streckte sie die Hand nach dem Dolch aus und legte die Finger um ihn.

„Uff!“

Ein fester Griff um ihr Handgelenk, ein heftiger Ruck und sie lag auf dem Rücken, die Hand mit dem Dolch darin über dem Kopf. Caird drückte sie mit seinem Gewicht in die Matratze.

„Findest du ihn schön?“

Er klang ruhig, aber misstrauisch.

Und er war schwer. Sie bekam nicht genug Luft, um protestieren zu können. Sie versuchte, ihre Beine zu befreien.

„Du bist …“ Sie keuchte.

Er machte sich leichter, gab aber ihr Handgelenk nicht frei.

Sein offenes Haar fiel nach vorne. Eine lange Narbe zog sich von seiner rechten Schulter hinunter in sein dunkles Brusthaar.

Und seine grauen Augen glitzerten.

„Antworte mir!“ Er schüttelte ihr Handgelenk.

Caird hatte letzte Nacht nicht klar denken können. Es war ein Wunder, dass er sich überhaupt an irgendetwas erinnern konnte, wenn er an die Mengen an Ale dachte, die er gemeinsam mit Malcolm gekippt hatte.

Die Frau lag absolut bewegungslos unter ihm und hatte kein Wort der Erklärung gesagt. Aber das war auch nicht nötig.

Ihre dunkelbraunen Augen waren vor Angst geweitet. Der Schlaf hatte ihre Wangen gerötet, und ihre vollen Lippen schimmerten unglaublich rosa. Er konnte spüren, wie ihre wohl gerundeten Hüften und ihr Hintern ihn weich abfederten.

Er hatte nicht von dieser Frau geträumt, noch von der Wirkung, die sie auf ihn ausübte. Sie war keine Fantasie, die die Hochzeitsfeierlicheiten heraufbeschworen hatten.

Sie war wie die erste reife Beere nach einem harten Winter, und genauso verlockend.

„Was willst du mit dem Dolch?“, fragte er.

„Ich … habe ihn mir angesehen.“

Es war mehr als das. Ihr Blick ließ zwar Bewunderung erkennen, aber es lag auch eine Absicht darin. „Du hast ihn dir nicht nur angesehen.“

„Nein, er lag da eben. Ich habe ihn hochgehoben. Das ist alles.“

Sie nickte nachdrücklich. Ihre reichen braunen Locken hüpften wie ein nachgedunkelter Heiligenschein um ihren Kopf.

Aber sie war kein gefallener Engel. Sie war letzte Nacht in seine Kammer gekommen. Wäre er nicht so betrunken, so müde und so dumm gewesen, dann müsste er sich jetzt nicht mit ihr herumstreiten.

Stattdessen läge sie ganz und gar ergeben unter ihm. Oder er hätte sie längst hinausgeworfen und mit ihr die ganze Versuchung und Unruhe.

Vielleicht hatte er gestern Nacht nicht klar denken können, aber jetzt am Morgen sah das anders aus. Jetzt musste er herausfinden, warum sie hier war. „Was wolltest du in meiner Kammer?“, fragte er.

Erst schlug sie die Augen nieder, aber dann sah sie wieder auf und ihn direkt an. Das Blut schoss ihr in die Wangen. Er war immer noch nackt, die dünne Decke verbarg kaum etwas von ihm.

Vielleicht konnte er doch nicht klar denken. Er löste ihre Finger vom Griff des Dolchs und stand auf. Er behielt sie im Blick, während er den Dolch auf den Tisch am Kamin legte, und seine Bruche nahm, die Unterhose.

Mairead zwang sich, den Mann anzusehen, nicht den Dolch. Der Grund ihres Hierseins befand sich in Reichweite, und sie fühlte sich gleichzeitig erleichtert und angespannt. Sie musste sich nur rasch eine glaubwürdige Geschichte ausdenken, um Caird davon zu überzeugen, ihr den Dolch freiwillig auszuhändigen, oder ihn stehlen. Jetzt kam es darauf an. Nur noch ein bisschen Geduld und die Sache wäre erledigt.

Sie setzte sich auf. „Ich habe dir gesagt, dass es ein Irrtum war.“

Er wickelte die Bruche zu Ende und sagte: „Du hast dich vielleicht in der Kammer geirrt. Aber du warst auf der Suche nach etwas Bestimmten.“

Dieser Mann war zu intelligent, um sich hereinlegen zu lassen und so schnell und stark, dass sie mit dem Dolch nicht einfach davonrennen konnte. Ein bisschen Wahrheit konnte nicht schaden.

Sie seufzte, als könnte sie es nicht länger durchhalten, ihm etwas vorzumachen. „Der Dolch gehört meiner Familie.“

„Wie praktisch.“

Er ließ sie nicht einen Moment aus den Augen, während er nach seinen braunen Lederbeinlingen griff.

„Ich wusste, dass du mir nicht glauben würdest. Deswegen habe ich bisher auch nichts davon gesagt.“ Sie schob die Decke zur Seite und stand auf. „Warum solltest du mir glauben? Wir kennen uns nicht; und der Dolch ist etwas wert. Aber ich frage dich: Warum würde eine Frau riskieren, mitten in der Nacht allein in ein Gasthaus einzudringen, wenn es nicht um etwas äußerst Wertvolles ginge? Um etwas, das von sehr großem Wert für sie ist?“

„Um zu stehlen.“

Leider allzu wahr. Sie senkte den Blick und nestelte an der zerknitterten Tunika. „Wenn ich eine erfahrene Diebin wäre, dann hätte ich die Angelegenheit gewiss bei Tageslicht erledigt, um mich nicht zusätzlich in Gefahr zu bringen. Was ich getan habe, war alles andere als ungefährlich.“

„Vielleicht bist du einfach keine gute Diebin.“

„Genau!“ Sie sah ihn mit einem strahlenden Lächeln an.

Als einzige Antwort zog er eine Braue hoch.

Sie fuhr fort: „Eine stümperhafte Diebin, die keine Ahnung hat, und der nichts Schlaueres einfällt, als mitten in der Nacht Zimmer zu durchsuchen.“

Die letzte Bemerkung verletzte sie zwar in ihrem Stolz, aber sie erzielte die erwünschte Wirkung. Er begann, ihr zu glauben.

Er zog die Beinlinge über seine Bruche, bist alles richtig saß. Sein Oberkörper war noch immer nackt, und Mairead betrachtete verstohlen die Narben auf seinen muskulösen Armen und die breiten Schultern.

„Wie hat der Mann den Dolch gestohlen?“, fragte er.

Die Erinnerung traf sie blitzartig. Der plötzliche Schreck, der flüchtende Mann, ihr Bruder, wie er am Boden zusammensackte. Ach, die Trauer.

„Ich weiß es nicht.“ Sie hob abwehrend die Hand, als sie sah, dass ihm wieder Zweifel kamen.

„Der Dolch gehört nicht mir, sondern meinem Bruder“, fügte sie hinzu. „Ich war dabei, als er gestohlen wurde, aber ich habe nicht gesehen, was genau passiert ist. Mein Bruder hat es mir erzählt und gesagt, er werde ihn sich wiederholen.“

„Wo ist dein Bruder?“

Am Boden zusammengesunken. Ihr Ruf nach Hilfe. Der Aufschrei ihrer Mutter.

Sie versuchte, die aufkommenden Tränen zurückzuhalten. „Er dachte, dass der Mann aus dem Flur, der Dieb, nach Westen gegangen sei und wollte ihn verfolgen.“

„Und dich hat er nach Osten geschickt.“

Sie veränderte ihre Haltung und versuchte, schuldbewusst auszusehen. „Nein. Ich bin auf eigene Faust hierhergekommen. Er hatte mir den Dieb beschrieben. Ich dachte, ich könnte helfen.“

Caird schnaubte verächtlich.

„Ich wollte ihn nicht allein stellen, ich wollte nur den Dolch wiederhaben. Deswegen habe ich ja auch nachts die Kammern durchsucht.“

Er setzte sich auf einen Schemel und schlüpfte in die Stiefel. „Der Dieb schien dich zu kennen.“

Obwohl er betrunken gewesen war, funktionierte sein Gedächtnis viel zu gut.

„Wirklich?“, fragte sie.

„Er hat gesagt, er sei es nicht gewesen.“

Sie tat, als könnte sie sich nicht erinnern. Aber ihre Erinnerung war nur allzu lebhaft. Wenn Malcolm den Mann doch nur nicht geschlagen hätte, dann hätte sie gewusst, was der Dieb hatte sagen wollen!

Sie zuckte mit den Schultern. „Ich weiß, was er damit meinte. Er hatte meinen Dolch.“

Caird beugte sich vor und nahm den Gürtel mit dem Beutel daran zur Hand. Er starrte Mairead an, ohne sich weiter zu rühren. Sie sah ihm gerade in die Augen. Er glaubte ihr fast, aber etwas störte ihn. Sie musste dafür sorgen, seine Zweifel zu zerstreuen.

Er nickte. „Du hast Glück gehabt.“

Nur wenn er ihr glaubte.

Er schlang sich den Gürtel um die Taille. „Du hättest tot sein können.“

Ah, Dankbarkeit und Schmeichelei: Das waren Gefühle, die man einfach vortäuschen konnte. „Ich weiß. Es klingt vielleicht seltsam, aber ich bin froh, dass ich in deine Kammer geraten bin.“

Sein Gesichtsausdruck veränderte sich geringfügig. Vielleicht lag nun ein Hauch von … Begierde darin.

Er machte einen Schritt auf sie zu. Sie war aufgestanden, aber weiter war sie nicht gekommen. Hätte sie sich angezogen, dann wäre ihr jetzt Platz geblieben, um ihm auszuweichen. Stattdessen steckte sie zwischen Caird und dem Bett in der Klemme.

Er taxierte sie wieder, schien etwas abzuwägen. Sein Blick wanderte von ihren Wangen zu ihren Lippen. Unter ihrem zerrissenen Kleid und seiner tief ausgeschnittenen Tunika lagen ihr Hals und der größte Teil ihrer Schultern frei. Er ließ seinen Blick dort verweilen, und Mairead kam sich auf einmal splitterfasernackt vor.

„Ich auch“, sagte er knapp, als ihre Blicke sich trafen. Der verführerische Tonfall von gestern Nacht war verschwunden.

Letzte Nacht … Der Kuss … Bevor sie auf den Dieb getroffen war.

Sie schluckte und versuchte, ihren plötzlich trockenen Mund zu befeuchten. „Ich habe dich geweckt, habe dir Umstände bereitet.“

Autor

Nicole Locke

Nicole Locke las ihren ersten Liebesroman als Kind im Wandschrank ihrer Großmutter. Später siedelte sie dann mit ihrer Lektüre ins Wohnzimmer um. Und noch später fing sie an, selbst Liebesromane zu schreiben. Sie lebt mit Mann und zwei Kindern in Seattle.

Foto: © David Garfield

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