Im Bann heimlicher Leidenschaft

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„Heirate mich!“ Als TJ dem einstigen Mauerblümchen Sage einen Antrag macht, zählt für ihn nur sein Sohn, den sie ihm so lange verschwiegen hat. Doch dann stellt der verwitwete Millionär fest, dass eine aufregende Frau aus Sage geworden ist …


  • Erscheinungstag 13.05.2021
  • ISBN / Artikelnummer 9783751506878
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

TJ hatte Schwierigkeiten, Erinnerungen an seine eigene Hochzeit zu unterdrücken, während er Braut und Bräutigam bei ihrem ersten Tanz im prächtig dekorierten „Beacon Hill Crystal Club“, zusah. Es waren nun schon mehr als zwei Jahre seit Laurens Tod vergangen, und an manchen Tagen konnte er ihren Verlust recht gut verschmerzen. Doch an Tagen wie diesem ballte sich die Einsamkeit schmerzhaft in seiner Brust zusammen.

„Alles in Ordnung?“ Caleb Watford reichte ihm ein Glas Single Malt Whiskey.

„Mir geht’s gut.“

„Lügner!“

TJ wollte gerade nicht darüber sprechen, also nickte er stattdessen in Richtung Tanzfläche. „Matt kann sich wirklich glücklich schätzen.“

Nachdenklich sah Caleb ihn an, als überlegte er, ob er den Themenwechsel einfach hinnehmen sollte oder nicht. „Stimmt.“

„Zwischendurch war ja echt nicht abzusehen, wie es enden würde.“ TJ riss seine Gedanken von Lauren los und dachte stattdessen an Matts verzweifelten Heiratsantrag ohne Ring zurück: Tashas Koffer war schon gepackt gewesen, doch sein Freund hatte es irgendwie geschafft, sie trotzdem zum Bleiben zu überreden. „Ich dachte, sie sagt Nein.“

Caleb grinste. „Am Ende ist alles gut ausgegangen.“ Matt hatte wirklich Glück gehabt. TJ lächelte. Er freute sich, dass sein Freund die Frau fürs Leben gefunden hatte. Tasha war klug, wunderschön und sehr bodenständig – die perfekte Frau für ihn. Caleb klopfte TJ auf die Schulter. „Du bist als Nächstes dran.“

„Das wage ich zu bezweifeln“, sagte TJ grimmig.

„Nur nicht die Hoffnung verlieren!“

„Würdest du Jules je ersetzen?“ Darauf hatte Caleb keine Antwort. TJ nippte an seinem Drink. „Dachte ich mir.“

„Sie ist hier, wie könnte ich da Ja sagen?“

Sie schauten beide zu Calebs Frau hinüber. Drei Monate nach der Geburt der Zwillinge – zwei Mädchen – sah sie absolut umwerfend aus. Gerade lachte sie über etwas, das ihr Schwager Noah gesagt hatte.

„Es ist auch dann noch schwer, wenn sie schon zwei Jahre tot ist“, sagte TJ. Er konnte seine Gefühle einfach nicht in Worte fassen. Gefühle brachten ihn jedes Mal wieder ins Stolpern; Fakten hatten ihm schon immer besser gefallen. „Ich versuche ja, über sie hinwegzukommen. Das tue ich wirklich. Aber Lauren …“

„Ich kann dich ja verstehen“, sagte Caleb. „Zu einem gewissen Teil zumindest. Das muss man wirklich erlebt haben, um es nachvollziehen zu können.“

„Wenn ich einfach einen Schalter umlegen könnte …“ TJ sprach nicht weiter. Natürlich wusste er rein logisch betrachtet, dass Lauren nie zurückkommen würde. Und dass sie ihm ein erfülltes Leben gewünscht hätte – auch ohne sie. Aber sie war seine große Liebe. Er konnte sich einfach nicht vorstellen, je wieder jemanden so zu lieben.

„Lass dir Zeit“, sagte Caleb.

„Ich habe ja keine andere Wahl“, antwortete TJ. Die Zeit verging schließlich so oder so.

Die Schlussakkorde des Liedes erklangen, und Matt und Tasha kamen lächelnd auf sie zu. Der elegante Tüllrock ihres Kleides glitt über das polierte Parkett. TJ hätte nicht gedacht, dass er die Frau, die als Bootsmechanikerin arbeitete, je in einem Hochzeitskleid samt Schleier sehen würde. Wenn sie die üblichen Overalls gegen ein Kleid eintauschte, war sie wirklich atemberaubend schön.

„Wollen wir tanzen?“, fragte sie TJ und hakte sich lächelnd bei ihm unter.

„Es wäre mir eine Ehre.“ Immerhin war er Matts Trauzeuge. Er setzte ein Lächeln auf, stellte sein Glas ab und vertrieb die melancholischen Gedanken aus seinem Kopf.

„Alles in Ordnung?“, fragte sie ihn. Es gesellten sich noch andere Paare zu ihnen, und langsam füllte sich die Tanzfläche.

„Mir geht’s super“, sagte er.

„Ich habe deinen Blick gesehen, als du dich mit Caleb unterhalten hast.“

„Wo hast du gelernt, so gut zu tanzen?“ TJ wusste ihre Besorgnis zu schätzen, aber heute war ihr großer Tag. Sie sollte sich keine Gedanken um ihn machen.

„Was ist los, TJ?“

„Nichts. Na gut, fast nichts. Ich bin ein wenig eifersüchtig auf Matt.“

„Und das soll ich dir glauben?“

Er lehnte sich leicht zurück. „Sieh dich doch an, Tasha. Jeder Mann hier ist eifersüchtig auf Matt.“ Sie lachte kopfschüttelnd. „Außer Caleb“, fügte TJ hinzu. „Und die anderen verheirateten Männer … Hoffe ich zumindest.“

Amüsiert sah sie ihn an. „Das ist das verworrenste Kompliment, das ich je bekommen habe.“

„Das ist irgendwie aus dem Ruder gelaufen, oder?“

„Von einem Fettnäpfchen ins nächste.“

„Was ich eigentlich sagen wollte: Du bist wirklich eine hinreißende Braut.“

„Nicht mehr lange“, sagte sie. Er lachte. „In diesem Korsett kann ich kaum atmen“, sagte sie stirnrunzelnd. „Und diese Schuhe sind der absolute Albtraum. Falls es ein Feuer geben sollte, müsste mich jemand nach draußen tragen.“

„Matt trägt dich bestimmt nur zu gern an jeden Ort, an den du willst.“

Ihr Blick wanderte zu ihrem frischgebackenen Ehemann und wurde weich. Ihre offensichtliche Zuneigung machte TJ neidisch. „Deiner Mutter scheint die Hochzeit echt gut zu gefallen“, sagte er, um sich abzulenken.

„Ich erfülle nur meine Pflicht als Tochter. Ich habe Matt schon gewarnt, dass er mich heute wahrscheinlich zum letzten Mal in einem Kleid sehen wird.“

„Dieses Kleid könntest du auch nur schwer toppen.“ TJs Handy vibrierte in der Tasche seines Smokings. Er hatte es extra leise gestellt, aber Tasha bemerkte das Klingeln trotzdem.

„Geh ruhig ran“, sagte sie.

„Nein, das kann warten.“

„Was, wenn es einer deiner Investoren ist?“

„Es ist Samstagabend.“

„In Australien ist es schon Sonntagmorgen.“ Tasha wusste, dass TJs Investmentfirma global operierte.

„Sonntags arbeiten selbst die Australier nicht.“ Und er würde sich während der Hochzeitsfeier von nichts ablenken lassen – nicht einmal vom Geschäft. Das Vibrieren stoppte. „Siehst du?“, sagte er. „Aufgelegt.“

„Was blieb dem Anrufer auch anderes übrig, wenn du nicht abhebst?“ Das Vibrieren setzte wieder ein, und sie hörte auf zu tanzen. „Du solltest da wirklich rangehen, TJ.“

„Nein, nicht nötig.“ Sanft wiegte er sie wieder hin und her.

„Sieh wenigstens nach, wer es war.“

„Das muss ich nicht. Wer auch immer es war, ist nicht so wichtig wie du und Matt.“

„Und wenn es ein Notfall ist?“

„Na schön, wenn du darauf bestehst.“ Er wollte sich wirklich nicht mitten auf der Tanzfläche mit der Braut streiten. Unauffällig zog er das Handy hervor und tanzte gleichzeitig weiter mit Tasha. Sie ließ sich von ihm führen, offenbar besänftigt. Überrascht stellte er fest, dass der Anrufer das Seattle St. Bea Krankenhaus war. Seine Firma tätigte regelmäßig Spenden an die Highside Klinik in Whiskey Bay, seiner Heimatstadt, aber zum St. Bea hatte sie eigentlich keine Verbindung. Vielleicht wollten sie eine Spende anfordern.

„Und, wer ist es?“, fragte Tasha.

Erst jetzt bemerkte er, dass er nicht mehr tanzte. „Das St. Bea Krankenhaus.“

Sie sah ihn besorgt an. „Vielleicht ist jemand verletzt.“

„Ich wüsste nicht, warum man denjenigen dann ins St. Bea bringen sollte.“ Er kannte zwar ein paar Leute in Seattle, aber die meisten seiner Freunde wohnten entweder in Whiskey Bay oder in Olympia, der Hauptstadt Washingtons. Und selbst in Olympia gab es niemanden, der ihn als Notfallkontakt angeben würde. Das Klingeln verstummte wieder.

„Du solltest zurückrufen“, sagte Tasha. Sie hakte sich bei ihm unter und führte ihn von der Tanzfläche.

„Tasha“, protestierte er.

„Tu mir den Gefallen, sonst mache ich mir nur unnötig Sorgen.“

„Na gut.“ Es gefiel ihm gar nicht, sie derart von der Feier abzulenken. Am Rand der Tanzfläche angekommen, trennten sie sich. TJ ging ins Foyer, wo es wesentlich leiser war. Leicht unwirsch drückte er auf den Rückrufknopf.

„St. Bea Krankenhaus, Abteilung für Onkologie“, sagte eine forsche Frauenstimme.

Onkologie? Hatte jemand Krebs? „Hier spricht Travis Bauer. Sie hatten mich angerufen?“

„Oh, hallo, Mr. Bauer. Ich stelle Sie an Dr. Stannis durch.“

„Was …?“ Die Leitung klickte leise und verstummte. Ungeduldig wartete er, gleichzeitig besorgt und neugierig, worum es ging.

„Mr. Bauer?“

„Ja?“

„Mein Name ist Dr. Shelley Stannis. Ich bin hier im St. Bea Krankenhaus für Transplantate in der Abteilung für Onkologie zuständig.“

TJ ging ein Licht auf. „Rufen Sie wegen einer Knochenmarkspende an?“

„Ja, genau. Danke für den schnellen Rückruf. Ich habe Ihre Kontaktdaten aus dem Spenderregister. Wir haben hier einen jungen Leukämiepatienten, für den Sie ein geeigneter Spender sein könnten. Ich würde gern einen Beratungstermin mit Ihnen vereinbaren, wenn Sie Zeit haben, und vielleicht einige Tests durchführen.“

„Wie alt ist der Patient?“ Es war die erste Frage, die ihm in den Sinn kam.

„Er ist neun Jahre alt.“

TJ zögerte keine Sekunde lang. „Wann soll ich da sein?“

„Sie wären also zu einer Spende bereit?“

„Auf jeden Fall.“

„Haben Sie noch weitere Fragen?“

„Später bestimmt, aber gerade nicht. Ich bin in Boston, aber ich kann nach Seattle kommen.“

Dr. Stannis schwieg einen Moment. „Wir würden die Tests wenn möglich gern schon morgen durchführen, Mr. Bauer. Sie können sich sicher vorstellen, wie besorgt die Mutter des Jungen ist. Sie hofft wirklich mit aller Macht, dass Sie als Spender infrage kommen.“

„Ich werde da sein. Und bitte nennen Sie mich TJ.“

„Vielen Dank, TJ.“

„Das ist doch selbstverständlich. Bis morgen!“ Er legte auf.

„Ist alles in Ordnung?“, fragte Matt. Er musste während des Gesprächs ins Foyer gekommen sein.

„Ja, hoffentlich. Ich bin möglicherweise ein geeigneter Knochenmarkspender für einen neunjährigen Jungen in Seattle.“ Es schien einen Moment zu dauern, bis Matt diese Information verarbeitet hatte. „Tut mir wirklich leid, aber ich muss gehen.“

„Kein Grund, sich zu entschuldigen“, sagte Matt und scheuchte ihn in Richtung Tür. „Ab mit dir! Rette ein Leben!“

Ohne weiter zu zögern, heuerte TJ telefonisch einen Privatjet an. Er wollte die Mutter des Jungen nicht länger als nötig warten lassen. Manchmal war es wirklich praktisch, lächerlich viel Geld zu haben.

Mit klappernden Absätzen ging Sage Costas den breiten Krankenhausflur hinunter. Ihr Magen zog sich schmerzhaft zusammen, aber mittlerweile war sie daran gewöhnt. Schon seit neun Tagen wurden nun Tests an ihrem Sohn Eli durchgeführt. Das Ergebnis: eine aggressive Form von Leukämie. Ihr Herz klopfte immer schneller, je näher sie dem Wartebereich vor Dr. Stannis’ Büro kam. Wie viel Stress konnte man wohl aushalten, bevor man einfach zusammenbrach?

Sie hatte die ganze Woche lang kaum geschlafen und letzte Nacht überhaupt nicht. Heute Morgen hatte sie sich gezwungen, zu duschen und sich leicht zu schminken. Make-up allein würde wahrscheinlich nichts nützen, aber sie wollte einen guten ersten Eindruck hinterlassen. Sie hatte eine Heidenangst davor, dass der Spender einen Rückzieher machen könnte.

Mittlerweile war er schon in Sichtweite: Durch die Fenster des Wartezimmers war ein großer, dunkelhaariger und elegant gekleideter Mann erkennbar, der sich mit Dr. Stannis unterhielt. Das musste der Spender sein.

Sie schluckte und blieb vor der geschlossenen Tür stehen. Sie konnte sich einfach nicht dazu durchringen, sie zu öffnen. Verzweifelt hatte sie für diesen Augenblick gebetet. Es stand einfach so viel auf dem Spiel. Was würde geschehen, wenn sie sich umsonst Hoffnungen gemacht hatte? Widerwillig öffnete sie die Tür und trat in den Wartebereich.

Dr. Stannis bemerkte sie sofort. „Hallo, Sage!“

Der Mann drehte sich um, seine Miene verblüfft. „Sage?“ Ihre Welt kam zum Stillstand. „Bist du das?“, fragte er und trat einen Schritt auf sie zu. Plötzlich hörte sie ein tosendes Rauschen, und ihr wurde schwarz vor Augen.

„Sage?“ Schnell trat Dr. Stannis an ihre Seite und legte ihr eine Hand auf den Arm.

Ihre Gedanken rasten, und der Raum schien einige Sekunden lang zu schwanken, bevor sie wieder normal sehen konnte. Er stand immer noch genau vor ihr. „Alles in Ordnung“, sagte sie über das Rauschen in ihrem Kopf hinweg.

„Kennen Sie TJ Bauer etwa?“, fragte Dr. Stannis neugierig.

„Wir sind zusammen zur Highschool gegangen.“ Ihre Stimme klang schrill. Das durfte einfach nicht wahr sein.

„Dann ist es also dein Sohn, der krank ist?“, fragte TJ mitfühlend. „Das tut mir so leid, Sage.“ Er runzelte die Stirn; sie konnte ihm förmlich beim Rechnen zusehen. Er wandte sich an die Ärztin. „Sie sagten, er wäre neun Jahre alt?“

„Ja, genau.“

Langsam drehte sich TJ wieder zu Sage um. Seine Stimme klang gepresst. „Und ich bin wahrscheinlich ein passender Knochenmarkspender für ihn?“ Sage versuchte zu schlucken, doch ihre Kehle war staubtrocken. „Ist er mein Sohn?“

Die Ärztin erstarrte. Nur das Klicken der Lüftung unterbrach die ohrenbetäubende Stille. Sage konnte bloß nicken.

Dr. Stannis’ Griff um ihren Arm wurde fester. „Vielleicht sollten wir uns setzen.“

„Ich habe einen Sohn?“, fragte TJ schwach. „Du bist damals schwanger geworden?“ Sage öffnete den Mund, doch sie brachte keinen Ton hervor. Dieses Problem schien TJ nicht zu haben. „Und du hast es mir nicht gesagt?!“

„Es wäre wirklich das Beste, wenn wir uns alle …“, sagte Dr. Stannis erneut.

Plötzlich wurde ihre Angst durch Verbitterung ersetzt. „Du hattest es nicht verdient, es zu erfahren.“ Sie schrie fast.

„Sage!“, rief Dr. Stannis schockiert.

Das hätte sie nicht sagen dürfen. Sie brauchte TJ. Elis Leben hing von ihm ab, von diesem Mann, der sie belogen und betrogen und ihre jugendliche Naivität schamlos ausgenutzt hatte, um ihr einen Streich zu spielen. Sie hasste ihn aus tiefster Seele. Aber er war der Einzige, der ihren Sohn retten konnte. „Entschuldigung“, sagte sie so aufrichtig, wie sie nur konnte. Seiner Miene nach zu urteilen war es nicht aufrichtig genug gewesen. „Bitte …“ Ihr Magen zog sich zusammen. „Bitte, lass nicht Eli dafür büßen.“

Sprachlos starrte er sie an. Dann fluchte er leise. „Du glaubst wirklich, ich würde mich an einem kleinen Jungen … an meinen eigenen Sohn dafür rächen …“ Er sammelte sich. „Du glaubst, ich würde ihm kein Knochenmark spenden, weil ich wütend auf dich bin? Für was für einen Mann hältst du mich?“

Darauf hatte sie keine Antwort. Sie wusste, wie er als Teenager gewesen war – skrupellos und egozentrisch. Wieso sollte sich das geändert haben? „Ich weiß es nicht.“

Frustriert schüttelte er den Kopf und wandte sich wieder an Dr. Stannis. „Wann wissen wir denn, ob ich als Spender infrage komme?“

„Die Ergebnisse sollten uns in ein paar Tagen vorliegen“, sagte sie. „Aber ich bin sehr optimistisch, vor allem, da Sie der Vater sind.“

„Welch glücklicher Zufall“, meinte TJ. War das ernst oder sarkastisch gemeint?

Dr. Stannis beugte sich leicht zu Sage hinunter und sah ihr in die Augen. „Sind Sie sicher, dass es Ihnen gut geht?“

„Ja, alles in Ordnung.“ Zumindest im Moment.

TJ würde ihnen helfen. Über den Rest würde sie sich später Gedanken machen. Im Moment zählte nur die Knochenmarktransplantation.

Die Ärztin trat einen Schritt zurück. „Ich lasse Sie allein, dann können Sie sich in Ruhe unterhalten.“ Sie warf ihr einen letzten prüfenden Blick und verschwand in ihr Büro.

Sage fand einfach keine Worte, und die Sekunden verrannen, eine nach der anderen.

Als TJ schließlich sprach, zitterte seine Stimme vor unterdrücktem Zorn. „Ich werde dich nicht fragen, wie du etwas so Schreckliches tun konntest.“

„Ich?“ Das war ja wohl die Höhe! „Du warst doch dabei. Du weißt genau, was zwischen uns passiert ist.“

Er winkte ab. „Das war ein dummer Streich von einem dummen Teenager. Aber jetzt sind wir erwachsen. Und du weißt es schon seit zehn Jahren.“

„Du warst ein egozentrischer, oberflächlicher Mistkerl.“

Er verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich will mich wirklich nicht mit dir streiten, Sage. Warum besprechen wir das nicht später? Jetzt möchte ich vor allem meinen Sohn kennenlernen.“

Ihre Knie gaben nach, und sie stützte sich auf einem Sessel ab. „Nein.“

„Was soll das heißen, nein? Das steht gar nicht zur Debatte.“

Sie suchte nach den richtigen Worten. „Du kannst es ihm nicht sagen, TJ. Nicht jetzt, während er so krank ist.“ Sie wies in Richtung Tür, zum Rest des Krankenhauses. „Wie soll er das unter diesen Umständen verarbeiten?“

TJ schien darüber nachzudenken, und seine Miene wurde nachgiebiger. „Ich will ihn kennenlernen, Sage. Wir müssen ihm nicht sagen, dass ich sein Vater bin, zumindest nicht sofort. Aber ich möchte ihn kennenlernen, und ich warte keine Minute länger.“

Damit konnte sie leben. „Okay.“

„Sein Name ist Eli?“

„Ja. Eli Thomas Costas.“

TJ zeigte keine Reaktion auf den Namen, sondern hielt ihr bloß die Tür auf. „Bring mich zu meinem Sohn.“

„Wow … Moment, noch mal von vorn“, sagte Matt zu TJ. „Er ist neun Jahre alt?!“

„Wir waren in der Highschool“, antwortete TJ. Sie saßen auf der Dachterrasse des Bürogebäudes neben dem Jachthafen, der Matt gehörte. Auf der breiten Armlehne seines hölzernen Terrassenstuhls stand ein Bier, doch TJ hatte es bisher nicht angerührt.

„Das war also vor Lauren“, sagte Caleb. Es war früh am Abend, und sie saßen um den Propangasofen herum, obwohl sie ihn wegen des warmen Juniwetters nicht angezündet hatten.

„Ja, natürlich. Ich habe Lauren nicht betrogen“, erwiderte TJ verärgert.

„Ich versuche ja nur, den Ablauf in die richtige Reihenfolge zu bringen.“

„Es ist nur ein einziges Mal passiert. Beim Abschlussball. Wir haben getanzt.“ TJ wollte nur ungern zugeben, dass er bei einem dummen Streich mitgemacht und allein deswegen Sage Costas, die Stufenbeste, um einen Tanz gebeten hatte.

„Und sie hat dir nie gesagt, dass sie schwanger geworden ist?“, fragte Matt.

„Offenbar nicht.“ Wenn sie ihm von Eli erzählt hätte, hätte er einfach alles für eine gute Beziehung zu seinem Sohn getan. Sein Vater hatte seine Mutter verlassen, bevor er überhaupt geboren worden war, und er hätte seinem Kind nie absichtlich dasselbe angetan.

„Wie ist er so?“, fragte Caleb.

TJ dachte zurück an den schläfrigen Jungen in dem schlichten Krankenhauszimmer. „Er sieht einfach toll aus.“ Eli war zu erschöpft gewesen, um mehr als ein Hallo hervorzubringen.

„So wie sein Vater?“, scherzte Matt.

TJ hatte durchaus ein paar seiner Gesichtszüge bei Eli entdeckt – zumindest glaubte er das. Vielleicht bildete er es sich auch nur ein. „Wenn er genauso klug ist wie seine Mutter, sollte die Welt sich besser auf etwas gefasst machen.“ Das war die reine Wahrheit. Von einem rein genetischen Standpunkt aus hatte Eli eine tolle Mutter. In der Highschool hatte man sie als diejenige gewählt, die „wahrscheinlich die nächste Präsidentin“ oder später eine „Weltretterin“ werden würde.

„Wann werdet ihr es ihm sagen?“, fragte Matt.

Er trank einen Schluck Bier. „Ich weiß es nicht. Wenn es ihm wieder besser geht, schätze ich mal.“

„Und was ist mit den Tests?“

„Laut der Ärztin dauert es ein paar Tage, bis die Ergebnisse da sind. Gerade stehen bei mir drei größere Deals an, die muss ich dringend abschließen. Aber danach nehme ich mir erst mal frei, damit ich wieder nach Seattle fahren kann. Egal, was passiert, ob ich nun ein geeigneter Spender für ihn bin oder nicht, er ist mein Sohn, und er bekommt die bestmögliche medizinische Versorgung.“ Matt und Caleb wechselten einen Blick. „Was?“, fragte TJ.

„Hast du mit ihm gesprochen?“, fragte Caleb.

„Ja, aber nur ein bisschen. Er war von den vielen Medikamenten ziemlich müde. Sage hat mir erzählt, dass er Baseball spielt. Er ist ein Catcher.“

„Hast du schon mit einem Anwalt gesprochen?“, fragte Matt.

„Nicht nur mit einem, mit dreien.“ TJs Firma, „Tide Rush Investments“, beschäftigte nicht nur einen Anwalt für Finanzrecht auf Vorschuss, sondern hatte auch eine Familienrechtsabteilung.

„Was haben sie gesagt?“

„Dass ich Grund habe, zu klagen.“

„Und was wäre dabei dein Ziel?“, fragte Matt.

Caleb hob die Augenbrauen. „Was hat Sage dir denn angeboten?“

Erneut nippte TJ an seinem Bier. Er hatte in den letzten sechsunddreißig Stunden viel darüber nachgedacht, was er eigentlich wollte. „Sie hatte die ersten neun Jahre das Sorgerecht. Ich will die nächsten neun.“

Caleb runzelte die Stirn.

„Das erscheint mir ein wenig hart“, sagte Matt.

„Teenager brauchen ihren Vater, vor allem Jungen. Als ich in Elis Alter war, hätte ich alles dafür gegeben, dass mein alter Herr plötzlich bei mir auftaucht“, sagte TJ. Er hatte jede Menge nachzuholen, und er würde sich nicht aufhalten lassen, weder von Sage noch von sonst jemandem.

„Ihre Mutter brauchen sie aber auch“, meinte Caleb.

Das war TJ durchaus bewusst, doch das wollte er noch nicht zugeben. Er war noch nicht bereit, seine Wut auf Sage zu begraben. „Meinetwegen kann sie ihn zwischendurch besuchen. Das ist immer noch mehr, als sie mir zugestanden hat.“

„Könntest du nicht nach Seattle ziehen?“, fragte Matt.

„Die Schule hier in Whiskey Bay gehört mit zu den besten“, widersprach TJ. „Genau wie unser Krankenhaus. Und der Lifestyle ist auch nicht zu verachten.“ Er konnte sich keinen besseren Ort vorstellen, um ein Kind großzuziehen.

„Die Nachbarn sind auch ziemlich nett“, sagte Caleb lächelnd.

„Und mein Haus ist mehr als groß genug.“ Seine Frau Lauren hatte sich mehrere Kinder gewünscht und ihr gemeinsames Haus entsprechend entworfen: Im Keller gab es einen Bereich zum Spielen für Regentage, und über der Garage war eine kleine Wohnung für die Nanny. Sie hatten gerade versucht, schwanger zu werden, als man bei ihr den Brustkrebs entdeckt hatte.

„Ich glaube, so einfach wird das nicht“, sagte Matt vorsichtig.

„Es ist doch nichts je so einfach“, erwiderte TJ. „Aber da gibt es für mich keine Kompromisse.“

„Sie ist die Mutter des Kindes.“

„Und ich der Vater – nur hat sie diese Tatsache bisher gekonnt ignoriert.“

„Kennst du denn den Grund dafür?“, fragte Caleb. „Ich meine, sie hätte sich doch auch bei dir melden und Unterhaltszahlungen einfordern können.“

„Die hätte sie gar nicht einfordern müssen. Ich hätte sofort eingewilligt, wenn sie mir die Chance dazu gegeben hätte.“

„Das weiß ich doch. Ich finde es nur seltsam, dass sie gar keine Hilfe von dir wollte.“

Irgendwann würde die Wahrheit so oder so ans Licht kommen. Seine Freunde waren einfach zu scharfsinnig und mochten ihn zu sehr, als dass sie ihn mit einer vagen Erklärung davonkommen lassen würden. Es war gleichzeitig ein Segen und ein Fluch. „Sie hat gesagt, ich hätte es nicht verdient gehabt, von ihm zu erfahren.“

„Warum nicht?“

Autor

Barbara Dunlop
Barbara Dunlop hat sich mit ihren humorvollen Romances einen großen Namen gemacht. Schon als kleines Mädchen dachte sie sich liebend gern Geschichten aus, doch wegen mangelnder Nachfrage blieb es stets bei einer Auflage von einem Exemplar. Das änderte sich, als sie ihr erstes Manuskript verkaufte: Mittlerweile haben die Romane von...
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