Eine prickelnde Romanze

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Zarte Aromen, prickelnde Atmosphäre: Seit Saskia mit Rick Burgess durch Frankreich reist und die edelsten Weine verkostet, ist jeder Tag ein Abenteuer! Warum hat sie niemand gewarnt, dass ihr neuer Geschäftspartner einfach unwiderstehlich ist?


  • Erscheinungstag 05.07.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733736477
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Schnee und weiße Lichterketten an der Pergola und auf den Bäumen, das wäre doch romantisch, oder?“ Amber lächelte verträumt. „Meinst du, du schaffst das?“

Saskia Elwood tippte lächelnd eine Notiz in ihren Laptop. „Lichterketten sind kein Problem, und an Neujahr liegt in London ohnehin fast jedes Jahr Schnee. Notfalls lasse ich eine Schneekanone aufstellen – du kennst mich doch. Obwohl … Ist dir das nicht zu kalt? Dein Brautkleid eignet sich eher für eine Feier an einem tropischen Strand als für eine in London im Januar.“

Sofort geriet ihre Freundin ins Schwärmen. „Ist das Kleid nicht ein Traum? Ich liebe es, und Sam wird genauso begeistert davon sein.“ Sie stand auf und schlenderte an Saskia vorbei durch den Wintergarten hinaus auf die Terrasse, einen entrückten Ausdruck im Gesicht.

„Jetzt ist sie schon wieder geistig weggetreten“, erklang eine fröhliche Stimme hinter Saskia. Kate Lovat kam herein, einen dicken Stapel Magazine mit Brautkleidern auf den Armen. „Bestimmt träumt sie von ihrem Bräutigam. Wenn ich nicht gerade selbst bis über beide Ohren verliebt wäre, würde ich ihr Verhalten geradezu ekelerregend finden. Ich weiß gar nicht, wie du es mit zwei Frauen aushältst, die kein anderes Gesprächsthema kennen als die glücklichen Männer, die sie bald heiraten werden.“

Saskia schüttelte den Kopf. „Mir bereitet etwas ganz anderes Kopfzerbrechen: Wie soll Amber in dem hauchzarten Kleid, das du entworfen hast, die Hochzeit ohne Erfrierungen überstehen? Kannst du ihr dazu nicht wenigstens eine Stola nähen oder eine Thermojacke? Sonst läuft die Ärmste in null Komma nichts blau an, und das steht nun wirklich keiner Braut.“

Kate versetzte Saskia mit einem Magazin spielerisch einen Schlag auf den Kopf, ehe sie sich zu ihr setzte. „Mit ihrem herrlich sonnengebräunten Teint kann sie gar nicht blau anlaufen.“ Sie stützte die Ellbogen auf die Tischplatte. „Außerdem gehört zu dem Kleid ein bodenlanger, gefütterter Mantel. Den kann sie auf den Fotos im Freien tragen, dann erfriert sie bestimmt nicht.“

Neugierig neigte sie sich vor und warf einen Blick auf Saskias Laptop. In ihren grünen Augen funkelte es vergnügt. „Es kommen sechsundzwanzig Gäste? Ich dachte, Amber hätte sich eine Feier im engsten Familienkreis gewünscht, ohne Musikerkollegen, Models oder sonstige Berühmtheiten, neben denen wir uns blass und unbedeutend vorkommen?“

„Du vergisst, dass sie eine große Familie hat. Ihr leiblicher Vater kommt in Begleitung seiner neuen Familie. Ihr erster Stiefvater Charles Sheridan bringt neben seiner Frau noch seinen Sohn Heath und dessen Verlobte mit.“ Dabei deutete Saskia auf Kate. „Ihr zweiter Stiefvater ist ebenfalls wiederverheiratet. Allerdings unterzieht sich seine neue Frau direkt nach Weihnachten einer kosmetischen Operation und bleibt der Hochzeit fern. Dann sind da natürlich noch Ambers Mutter Julia samt aktuellem Liebhaber sowie eine Tante und drei Cousins aus Amerika. Zusammen sind das …“, sie legte eine Kunstpause ein, „… sechsundzwanzig hungrige, frierende Gäste, die sich in Elwood House versammeln, um eine der außergewöhnlichsten Hochzeiten des Jahres zu feiern. Die Vorbereitungen dafür sind so gut wie abgeschlossen. Für die Musik ist Ambers Freundin Parvita zuständig, die Kellner habe ich letzte Woche gebucht. Mir bleibt nichts mehr zu tun, als mich zu amüsieren.“

„Ja, klar.“ Kate bedachte sie mit einem spöttischen Blick. „Nur wirst du zuvor jede Kleinigkeit bis ins Letzte so weit vorbereiten, dass es am großen Tag aussieht, als liefe alles von allein. Wem willst du eigentlich etwas vormachen? Wir kennen dich doch.“ Sie legte der Freundin einen Arm um die Schultern und drückte sie kurz. „Lass mich mal einen Blick auf deine Liste werfen. Aha, dachte ich es mir doch! Du hast einen wichtigen Punkt vergessen.“

„Was denn?“ Erschrocken sah Saskia auf den Bildschirm. „Ich bin die Aufstellung mehrfach durchgegangen. Nun sag schon, was habe ich übersehen?“

„Einen Begleiter für die sehr wählerische Gastgeberin zu organisieren. Er muss groß sein, sehr attraktiv und sollte tanzen können. Ein ganz wichtiges Auswahlkriterium ist außerdem, dass er ein echt heißer Typ ist. Das brauchst du übrigens nicht aufzuschreiben, denn Amber und ich werden dir einen Partner besorgen.“

Gespielt verzweifelt hob Saskia die Hände: „Oh, nein, das werdet ihr nicht tun! Erinnerst du dich nicht mehr an den Grafiker, mit dem du mich verkuppeln wolltest? Er schlug vor, mich zu zeichnen, nackt bis auf Ohrringe und ein Lächeln auf meinen Lippen!“

Ungerührt klimperte Kate mit den Wimpern und zupfte ihre maßgeschneiderte Jacke zurecht. „War der etwa nicht toll?“

Saskia schnaubte verächtlich und wandte sich wieder ihrem Laptop zu. „Herzlichen Dank für deine Fürsorge, aber im Moment brauche ich nichts weniger als einen Mann in meinem Leben. Ist dir eigentlich klar, dass Ambers Hochzeit die erste ist, die ich in Elwood House ausrichte? Mehr Aufregung vertrage ich zurzeit einfach nicht.“

„Dabei bietet sich dieses Haus geradezu für Hochzeitsfeiern an. Ich sehe förmlich vor mir, wie Amber am Arm ihres Vaters die geschwungene Freitreppe hinabschreitet. Es wird bestimmt phänomenal! Ich bedauere nur, dass der Großteil der Arbeit an dir hängen bleibt.“

Saskia warf einen Blick auf ihre Uhr und tippte mit einem Finger auf das Zifferblatt. „Und ich fände es schade, wenn ihr meinetwegen euren Termin im Dessousladen verpasst. Ich bekomme ohnehin gleich Besuch von einem neuen Weinhändler. Viel Vergnügen.“

Schnell sprang Kate auf und lief auf die Terrasse, um Amber zu holen. Zwei Minuten später waren die beiden verschwunden. Zurück blieben leere Kaffeetassen und benutzte Teller auf dem Tisch, ein Hauch teures Parfüm in der Luft und Lippenstiftspuren auf Saskias Wangen. Es gibt nichts Schöneres als ein Frühstück mit Amber und Kate, dachte Saskia, während sie lächelnd das Geschirr abräumte.

Seit ihrer Zeit an der Highschool war sie eng mit den beiden befreundet. Selbst eine mehrjährige Trennung hatte ihrer Zuneigung keinen Abbruch getan, und bei ihrem Wiedersehen beim letzten Jahrgangsstufentreffen hatte sich sofort wieder die alte Vertrautheit zwischen ihnen eingestellt.

War das wirklich erst im Mai? wunderte sich Saskia. Seitdem war unglaublich viel passiert. Amber hatte sich mit ihrer Jugendliebe Sam verlobt und lebte mit ihm in Indien, um dort ihren Traum zu verwirklichen. Kate war mit Ambers Stiefbruder Heath zusammengezogen. Die beiden wohnten nur wenige Straßen entfernt und würden ebenfalls bald heiraten. Gerade deckten Saskias Freundinnen sich in einem der berühmtesten Dessousgeschäfte Londons mit sexy Wäsche ein.

Die Glücklichen, dachte sie etwas neidisch. Statt heiße Unterwäsche zu kaufen, musste sie entscheiden, ob sie in den Toilettenräumen klassische Hintergrundmusik abspielen sollte oder nicht.

Niemand hat dich gezwungen, dein Heim in einen Veranstaltungsort umzuwandeln, erinnerte eine innere Stimme sie, und sie verdrängte rasch den Anflug von Selbstmitleid. Schließlich hatte sie allen Grund zur Dankbarkeit. Ihre Freundinnen standen ihr nahe wie Schwestern. Zu ihnen hatte sie eine engere Beziehung als zu ihren weit entfernt lebenden Eltern. Obendrein durfte sie in einem wundervollen Haus leben, das ihr seit dem Tod ihrer Tante Margot sogar gehörte.

Eine sanfte Brise drang durch die geöffnete Terrassentür in den Wintergarten und trug betörenden Blumenduft herein. Wie oft hatte Saskia hier mit ihrer Tante über ihre Pläne beraten, wie Elwood House in eine Veranstaltungsstätte verwandelt werden konnte? Die Weinexpertin Margot wollte sich um Küche, Keller und Inneneinrichtung kümmern, während Saskia das Management übernehmen sollte. Leider hatte ihre Tante nicht mehr miterleben dürfen, dass ihr gemeinsames Projekt realisiert wurde.

Die ersten sechs Monate hatten sich jedoch als schwierig und härter erwiesen als erwartet – und wesentlich kostspieliger.

Irgendwie muss ich Elwood House erfolgreich vermarkten, dachte Saskia. Die Alternative war zu schrecklich, als dass sie daran denken mochte. Ein Job in der Stadt würde niemals genug einbringen, damit sie ein Haus dieser Größenordnung unterhalten konnte.

Elwood House befand sich seit über einhundertfünfzig Jahren im Besitz ihrer Familie, einer langen Reihe renommierter Londoner Weinhändler. Saskia fühlte sich dafür verantwortlich, den Familiensitz zu erhalten, gleichzeitig bedeutete das Haus für sie viel mehr. Es war ihr Zuhause, ihr Zufluchtsort, nur hier fühlte sie sich sicher und geborgen.

Unwillkürlich atmete sie tief durch und bewegte die Schultern, um die Anspannung abzuschütteln, die sie bei den trüben Gedanken befallen hatte. Ich muss es einfach schaffen! sagte sie sich. Dazu waren harte Arbeit, unendliche Geduld – und viele, viele Buchungen nötig.

Saskia betätigte sich erst seit wenigen Monaten als professionelle Gastgeberin. Ihr war bewusst, dass Unternehmen wie ihres von Mundpropaganda lebten und dass es seine Zeit brauchte, sich einen guten Ruf zu erarbeiten. Zum Glück hatte sich bereits ein kleiner Stammkundenkreis eingefunden, dennoch klafften bis zum Beginn der Weihnachtsparty-Saison noch riesige Lücken in ihrem Terminkalender. Vielleicht verlieh Ambers Hochzeit ihrem Geschäft ja den nötigen Auftrieb. Dann könnte sie optimistisch ins neue Jahr blicken.

Weniger zuversichtlich war sie allerdings, was einen Begleiter für die Feier betraf. Von den zahlreichen Geschäftsmännern, denen sie in den vergangenen Monaten begegnet war, hatte nicht einer ihr Interesse geweckt. Das schlechte Beispiel ihrer Mutter vor Augen, dachte sie ohnehin nicht daran, für einen Mann ihre Unabhängigkeit aufzugeben.

Zufällig fiel ihr Blick auf eines der Magazine mit der Brautmode. Die Schlagzeile erregte ihre Aufmerksamkeit.

Der neueste Trend: standesamtliche Trauungen im eigenen Heim – heiraten im intimen Rahmen.

Das ist es! schoss es ihr durch den Kopf. Wieso habe ich nicht längst daran gedacht? Ambers Hochzeit war die erste, die in Elwood House stattfand, aber dabei musste es nicht bleiben. Offenbar gab es in London eine Nachfrage nach solchen Hochzeitsfeiern. Nicht jedes Brautpaar wollte und konnte sich ein Fest in einem riesigen Saal in einem eleganten Hotel leisten.

Als Minuten später das Telefon klingelte, grübelte sie immer noch über diese Idee nach. Geistesabwesend nahm sie das Gespräch entgegen, war aber gleich darauf hellwach. „Oh, guten Morgen, Angela. Ja, natürlich bleibt es bei dem Termin mit Mr Burgess und seinem Team. Die Tagesordnung wurde geändert? Kein Problem. Was genau liegt an?“

Rick Burgess stützte sich mit den Ellbogen auf das weiß lackierte Geländer und blickte von der Waterloo Bridge hinab aufs Wasser. In einem großen Bogen wälzte sich die Themse nach Osten, dem Meer entgegen. Wassertaxis warteten an einem Steg auf Kundschaft. Am gegenüberliegenden Ufer ragten faszinierende Beispiele moderner Architektur kühn in den Himmel empor, dahinter waren die jahrhundertealten Kathedralen und majestätische Bauten zu sehen, die die City von London bildeten.

Wind kam auf, und Rick atmete tief durch. Seine Brust hob und senkte sich unter dem weißen T-Shirt und der schwarzen Motorradfahrerjacke. Nach Stunden in Flugzeug und U-Bahn genoss er die frische Luft sehr.

Nachdenklich fuhr er sich mit den Fingern durch das vom Wind zerzauste Haar. Vor vierundzwanzig Stunden hatte er noch in einem sonnigen Garten in der Toskana einen Teller voll Antipasti verspeist. Seine Gastgeber, junge Italiener, hatten sämtliche Ersparnisse in ein kleines Weingut investiert, das seiner Überzeugung nach einen außergewöhnlichen Tropfen hervorbringen würde.

Nun stand er in London unter einem wolkenverhangenen Himmel, an dem sich nur vereinzelte blaue Stellen zeigten. Er wusste genau, wo es ihm besser gefiel. Bestimmt nicht hier …

An Tagen wie diesem wurde ihm überdeutlich bewusst, dass nicht er, sondern sein älterer Bruder Tom hier sein und die anstehenden Verhandlungen mit einer aufstrebenden Tagungsstätte führen sollte.

Tom war der Geschäftsmann der Familie gewesen, das IT-Genie, das aus einer kleinen Kette von Weinläden das Burgess Wine-Imperium geschaffen hatte, den größten Online-Weinhändler an der Westküste der Vereinigten Staaten.

Der stockkonservative Tom wäre allerdings niemals auf die Idee gekommen, eine Gruppe junger, unabhängiger Winzer unter Vertrag zu nehmen, die auf kleinen Familiengütern lediglich geringe Mengen Wein produzierten.

Lachend schüttelte Rick den Kopf, als er daran dachte, was sein Bruder zu der verrückten Idee gesagt hätte, die er in London umzusetzen gedachte. Seine jungen Winzer erzeugten zwar noch nicht ausschließlich Spitzenqualitäten, doch einige ihrer Weine überraschten schon jetzt den Kenner.

Das ist auch gut so, dachte er grimmig. In der Fachwelt hatte er einen schlechten Ruf. Man hielt ihn nicht für würdig, einen Platz in der Geschäftsleitung von Burgess Wine einzunehmen. Ganz im Gegenteil.

Rick galt als Deserteur, der dem Familienbetrieb den Rücken gekehrt hatte, um sich im Extremsport einen Namen zu machen. Was wusste er schon vom modernen Weinhandel? Nichts.

Daran hätte sich auch nichts geändert, wäre Tom nicht gestorben. Als er erkannte, dass seine Eltern Unterstützung brauchten, hatte Rick den Platz seines Bruders im Familienbetrieb eingenommen, obwohl ihm nichts daran lag. Es gab niemanden sonst.

Das war nun schon zwei Jahre her, dennoch traute die Geschäftsleitung ihm nicht über den Weg. Sie schien zu fürchten, er könnte schwerwiegende Fehler begehen oder alles hinwerfen und zu seinem alten Leben zurückkehren.

Inzwischen argwöhnte Rick, dass der für diesen Tag anberaumte Termin so etwas wie einen Test darstellen sollte. Er hatte den Auftrag, einen wichtigen Kunden für sein Projekt zu gewinnen: einen Vorzeigeladen für Burgess Wine mitten in London.

Wenn ich das schaffe, nimmt mich die Fachwelt endlich ernst, dachte er. Also werde ich mein Bestes geben, sosehr mir solche Geschäftstermine auch verhasst sind.

In diesem Moment klingelte sein Handy. Er zog es aus der Brusttasche und nahm das Gespräch an.

„Endlich erreiche ich dich!“

„Angie! Wie schön, deine Stimme zu hören. Ich komme gerade vom Flughafen und versuche, mich wieder in London zurechtzufinden. Ich habe dich fast so sehr vermisst wie meine Hütte in Frankreich.“

„Du Süßholzraspler! Ich weiß nicht, wieso ich mich überhaupt mit dir abgebe. Ach ja, jetzt fällt es mir wieder ein. Du bezahlst mich dafür, dass ich mich um die langweiligen Aspekte in deinem Leben kümmere. Leider musst du deinen Spaziergang beenden und die Mail lesen, die ich dir gleich sende … Es geht um den Termin heute Morgen. Keine Sorge, ich habe alles unter Kontrolle.“

Sofort war Rick hellwach. „Ich dachte, alles wäre längst vorbereitet?“

Seine Assistentin kannte ihn lange genug, um ihn nicht auf die Folter zu spannen. „Erinnerst du dich an die beiden Weinexperten vom Fernsehen, die wir gebeten hatten, über die Eröffnung unserer Premium-Weinhandlung in London zu berichten, und die uns abgesagt haben? Rate mal, wer uns gestern gemailt hat? Offenbar haben sie gehört, dass Elwood House Verhandlungen mit uns aufnimmt – das hat ihr Interesse geweckt.“ Sie lachte. „Deine Mutter hat recht behalten. Eine Verbindung mit den Elwood Brothers zahlt sich immer aus.“

Rasch überflog Rick das, was sie ihm geschickt hatte. Der neue Kontakt schien wichtiger zu sein, als ihm bewusst gewesen war. Er würde mehr als nur sein Bestes geben müssen.

„Ich bin in zehn Minuten vor Ort. Vielen Dank für alles, Angie.“

„Gern geschehen. Wir sehen uns gleich in Elwood House.“

Rick klappte das Handy zu und schob es nachdenklich in die Tasche zurück. So also funktioniert das, dachte er.

Die Experten schenkten ihm nur Gehör, wenn er mit einem berühmten Namen im Weinhandel aufwarten konnte. Das war genau die Engstirnigkeit, die er nicht ausstehen konnte. Statt sich für die neuen Impulse zu interessieren, die er setzen wollte, zählte für die Fachleute allein die Billigung durch alteingesessene, renommierte Weinkenner.

Das war so gar nicht seine Welt! Er stürzte sich furchtlos von den höchsten Gipfeln dieser Erde in die Tiefe, ging bis an die Grenzen seiner Kraft und darüber hinaus, unter blauem Himmel oder bei Eiseskälte. In öden Konferenzräumen bornierten Hotelbesitzern mit vorgefasster Meinung die Idee von RB Wine zu verkaufen fiel ihm ungleich schwerer.

Andererseits war der Plan, eine Weinhandlung im Herzen von London zu eröffnen, einer der waghalsigsten Stunts in seinem Leben. Über der Tür würde sein Name stehen, seine Zukunft stand auf dem Spiel.

Wie im Sport ging es auch hier um Leidenschaft – für Wein und für die Förderung kleiner, feiner Winzerbetriebe.

Rick Burgess, Base-Jumper und Bergsteiger, würde sich einen Namen als Weinhändler machen. Er war fest entschlossen, diese neue Aufgabe zu bewältigen, die ihm das Schicksal auferlegt hatte.

Einen Moment lang gab er sich seiner Frustration hin, dann riss er sich zusammen, drückte sich vom Geländer ab und ging los.

Ich werde es schaffen, sagte er sich. Das war er seinen Angestellten schuldig, den Winzern, die ihm vertrauten, und seinen Eltern, die immer noch in ihrer Trauer gefangen waren. Im Geist ging er die geplante Präsentation durch. Zum Glück blieb ihm noch etwas Zeit, um sich wieder zu fangen, ehe er sich einer der größten Herausforderungen seines Lebens stellen musste.

Zehn Minuten später näherte Rick sich seinem Ziel. Ein Schwarm Tauben kreiste über ihm und ließ sich auf der ausladenden Eiche in dem kleinen Park nieder, der den Mittelpunkt eines eleganten Wohnblocks bildete. Mütter mit Kinderwagen gingen zwischen gepflegten Blumenbeeten spazieren, ältere Damen und Herren führten ihre Hunde aus oder genossen auf schmiedeeisernen Bänken den Sonnenschein.

Doch nicht überall herrschte Ruhe und Frieden. Vor einer der schmucken Villen, die den Park umgaben, diskutierte eine Frau lebhaft mit dem Fahrer eines Lieferwagens. Sie trug ein elegantes, aber strenges Kostüm, woraus Rick schloss, dass sie eine Chefsekretärin sein musste oder eine vergleichbare Position einnahm.

Neugierig blieb er stehen. Die Ablenkung kam ihm gerade recht, denn noch immer war er nicht in der Stimmung, sich in einen muffigen Konferenzraum zurückzuziehen.

Die attraktive junge Frau, deren langes Haar in einem Pferdeschwanz zusammengefasst war, sprach in einem eindringlichen Tonfall, der ihn unwillkürlich an seine ehemalige Schuldirektorin erinnerte. Der um einen guten Kopf kleinere Lieferant zuckte abwehrend mit den Schultern, kehrte ihr den Rücken, sprang in seinen weißen Lieferwagen und fuhr davon.

Wie erstarrt stand die so Brüskierte auf dem Bürgersteig und blickte den Rücklichtern des Autos hinterher. Nach einer Weile wandte sie sich um und betrachtete kopfschüttelnd die beiden großen blauen Blumenkübel, die neben ihr auf dem Boden standen. Aus jedem schraubte sich ein gut einen Meter hoher Buchsbaum spiralförmig in die Höhe.

Rick sah verwundert die unnatürlich geformten Pflanzen an, dann beobachtete er die Fremde, die die Töpfe nervös umkreiste. Ihre hochhackigen Sandaletten brachten ihre herrlich langen, schlanken Beine und ihre zierlichen Knöchel hervorragend zur Geltung, erschienen ihm aber nicht geeignet zum Transport schwerer Gegenstände.

Einen Moment lang genoss er den hübschen Anblick, der seinem Tag unerwarteten Glanz verlieh, dann beschloss er, sich eine weitere Ablenkung in Form körperlicher Arbeit zu verschaffen.

Er trat zu der jungen Frau. „Guten Morgen. Kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein?“

„Haben Sie zufällig eine Sackkarre zur Hand?“ Sie wandte den Blick nicht von den Pflanzen.

„Leider nicht.“

„Dann vielen Dank, aber nein.“ Sie nickte ihm flüchtig zu, blieb stehen und presste eine Hand gegen ihre Stirn.

„Ein Glück, dass es nicht regnet“, meinte Rick lächelnd. „Ist das nicht ein perfekter Septembermorgen?“

Diesmal sah sie ihn an. Ihre Augen waren so blau wie der Himmel über dem Mont Blanc bei Morgendämmerung. Lange dunkle Wimpern bildeten einen scharfen Kontrast zu ihrem makellosen, hellen Teint. Zartes Make-up betonte ihre hohen Wangen­knochen, die vollen Lippen strahlten in einem verführerischen Rotton, von dem sich gepflegte Zähne blendend weiß abhoben.

„Wunderschön. Wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen würden. Ich muss mir überlegen, wie ich diese Kübel über die Treppe zum Hauseingang hinaufbefördere – und zwar innerhalb der nächsten zehn Minuten.“

„Was ist mit dem Fahrer des Lieferwagens?“

Sie presste die Lippen zusammen, schloss die Augen und atmete tief durch. „Er hat Probleme mit dem Rücken.“

„Ich verstehe.“ Rick nickte langsam und rieb sich das Kinn. „Darf ich Ihnen einen Vorschlag machen?“

Die Frau zog ein Handy aus der Tasche. „Vielen Dank, aber ich komme allein zurecht. Sicher haben Sie anderswo Wichtigeres zu tun. Ich rufe ein Umzugsunternehmen an und lasse mir einen starken Mann vorbeischicken. Schönen Tag noch.“

Rick lachte leise in sich hinein. Es kam selten vor, dass ihm eine hübsche Frau eine Abfuhr erteilte. Andererseits hatten Frauen in der Großstadt vermutlich allen Grund zur Vorsicht.

„Hat Ihre Mutter Ihnen beigebracht, dass man nicht mit Fremden redet? Ich kann durchaus fünf Minuten für eine Dame in Nöten erübrigen.“

Unvermittelt erstarrte sie, die Finger über der Handytastatur. „In Nöten?“ Abwehrend hielt sie eine Hand hoch. „Das bin ich nicht, war es nie und werde es nie sein. Sehen Sie.“ Sie schob das Handy zurück in ihre Jackentasche, bückte sich, umfasste einen der Kübel und versuchte, ihn hochzuheben. Er bewegte sich jedoch keinen Millimeter von der Stelle.

Der wütende Blick, den sie Rick dann zuwarf, ließ ihn sich einen Kommentar verkneifen. Stattdessen lächelte er, was sie allerdings kaum weniger zu ärgern schien. Sie unternahm einen zweiten Versuch, dabei ging sie leicht in die Knie und spannte den ganzen Körper an. Der Topf schwankte zwar leicht, rührte sich aber kaum. Mit grimmiger Miene erhob sie sich daraufhin. Sie sah aus, als wollte sie dem Blumenkübel gleich einen Tritt versetzen.

Autor

Nina Harrington
Nina Harrington wuchs in der Grafschaft Northumberland in England auf. Im Alter von 11 Jahren hatte sie zuerst den Wunsch Bibliothekarin zu werden – einfach um so viel und so oft sie wollte lesen zu können.
Später wollte sie dann Autorin werden, doch bevor sie ihren Traumberuf ausüben konnte, machte sie...
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