Eine heiße Nacht mit Folgen

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Reece braucht dringend mehr Spaß in seinem Leben – und Sara weiß auch schon, wie: Sie entführt den attraktiven Wirtschaftsprüfer in exotische Restaurants, nimmt ihn mit zu aufregenden Strandpartys und verführt ihn spontan zu einer heißen Liebesnacht. Nicht ohne Folgen …


  • Erscheinungstag 20.04.2023
  • ISBN / Artikelnummer 9783751522137
  • Seitenanzahl 160
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Das laute Krachen aus der Küche hörte sich an, als ob gerade ein Auto durch die Wand raste.

Mit klopfendem Herzen ließ Sara Kauffman das Staubtuch fallen und rannte in Richtung Lärmquelle.

„Hilfe! Sara, sind Sie da?“

Das war Miss Greer. Die dünne Stimme, mit der sie um Hilfe rief, bestätigte Saras schlimmste Befürchtungen. Offensichtlich war ihrer alten Arbeitgeberin etwas zugestoßen.

Sara erreichte die Küche zur gleichen Zeit wie Reece Remington, einer der Gäste des Sunsetter Bed & Breakfast, in dem Sara wohnte und arbeitete. In der Tür stießen sie zusammen.

Reece ließ Sara den Vortritt. „War das Miss Greer?“, fragte er besorgt.

Sara wollte gerade antworten, als sie wieder Miss Greers Stimme hörte. „Sara?“ Das kam aus der Speisekammer! „Sind Sie das?“

„Ich komme schon, Miss Greer!“ Sara und Reece liefen zur Speisekammer, wo die alte Dame zwischen heruntergefallenen Kartons und Dosen auf dem Boden lag. Ihr Gesicht war mehlbestäubt – anscheinend war ihr eine offene Tüte auf den Kopf gefallen.

„Großer Gott, was ist passiert?“ Sara streckte instinktiv die Hand aus, um Miss Greer auf die Beine zu helfen, aber Reece legte ihr warnend die Hand auf die Schulter.

„Bewegen Sie sie lieber nicht“, sagte er. „Wenn Sie ernsthaft verletzt ist, könnte das ihren Zustand noch verschlimmern.“

„Was ist passiert?“, fragte Sara wieder.

„Ich bin mir nicht sicher.“ Miss Greer klang schon etwas ruhiger. „Anscheinend bin ich wohl irgendwie ausgerutscht. Ich habe versucht, mich am Regal festzuhalten, und da ist die halbe Speisekammer auf mich runtergefallen. Gott sei Dank hat mich nur das Mehl erwischt und nicht eine der Riesendosen mit eingelegten Pfirsichen.

„Sind Sie verletzt, Miss Greer?“, frage Reece. „Tut Ihnen irgendetwas weh?“

„Jetzt machen Sie doch nicht so einen Aufstand!“, schimpfte Miss Greer und bewegte ihren Kopf, um zu demonstrieren, dass sie sich nicht das Genick gebrochen hatte. „Helfen Sie mir lieber hoch.“

Sara und Reece quetschten sich beide in die Kammer. Zu dritt war es dort ganz schön eng, obwohl Sara unter anderen Umständen Reeces Körpernähe genossen hätte. Er war ein extrem gut aussehender Mann, groß und mit breiten Schultern, die durch seine Businesshemden noch betont wurden. Wenn er nur ein bisschen entspannter wäre …

Reece und Sara packten Miss Greer bei den Armen und versuchten, ihr auf die Beine zu helfen. Aber Miss Greer heulte vor Schmerz auf. Vorsichtig legten sie sie wieder hin.

„Wo tut es denn weh?“, fragte Sara.

„An der Hüfte!“

„Ich rufe einen Rettungswagen.“ Reece ging aus der Speisekammer, und Sara atmete erst einmal tief durch. So viel Männlichkeit in einem so kleinen Raum war ziemlich verwirrend.

„Es ist bestimmt nichts Ernstes“, sagte Sara, obwohl sie sich da nicht so sicher war.

Miss Greers Zustand machte ihr große Sorgen.

Sara arbeitete schon mehr als zehn Jahre im Sunsetter. Die alte Frau war nicht nur ihre Chefin, sondern inzwischen fast so etwas wie eine Großmutter für sie.

„Was ist, wenn ich mir etwas gebrochen habe?“, fragte Miss Greer. „Man hört ja so viel über alte Menschen, die sich die Hüfte brechen und dann nie wieder nach Hause zurückkehren.“

Sara wünschte, ihr würde eine überzeugende und beruhigende Antwort einfallen, aber Notlagen kamen ihr immer schwer über die Lippen. Stattdessen drückte sie Miss Greers Hand.

Reece war bereits am Telefon. Er klang ruhig und beherrscht.

Sara holte ein paarmal tief Luft. Vielleicht würden die Sanitäter ja feststellen, das die Verletzung gar nicht so schlimm war.

Dann würden sie alle über das Missgeschick lachen, und Sara würde die Speisekammer aufräumen, das Regal reparieren und Sandwiches und eine leckere Suppe machen.

Gut, dass Reece da war. Anscheinend wusste er, wie man in Krisensituationen reagierte.

Wieder drückte sie Miss Greers Hand. „Tut es sehr weh?“

„Es geht, wenn ich ruhig liegen bliebe“, antwortete die alte Dame.

Sara kaute auf ihrer Unterlippe. Vielleicht war Miss Greers Hüfte ja gar nicht gebrochen, sondern nur verrenkt.

Reece kehrte zurück und kniete sich neben Sara auf den Boden. „Der Rettungswagen ist schon unterwegs. Können wir noch etwas für Sie tun?“

„Da werde ich mich wohl auf einen Krankenhausbesuch einstellen müssen“, sagte Miss Greer resigniert. „Sara, gehen Sie nach oben, und packen Sie einen Koffer für mich. Ich will ein eigenes Nachthemd, damit ich nicht eines dieser komischen Dinger tragen muss, in denen jeder meinen Po begaffen kann. Reece, Sie holen meine Handtasche. Ich brauche meine Krankenversicherungskarte.“ Die Frau erteilte Befehle wie ein General.

„Einer von uns sollte bei Ihnen bleiben“, sagte Sara.

„Wieso denn? Ich gehe inzwischen schon nirgendwo hin.“

Sara warf Reece einen vielsagenden Blick zu und stand auf und unterdrückte ein Lächeln. Miss Greers gereiztem Tonfall nach zu urteilen, ging es ihr wohl doch nicht so schlecht.

Bisher hatte Sara Miss Greers Schlafzimmer nur selten betreten, denn die alte Dame lebte extrem zurückgezogen. Das Zimmer war so ordentlich und sauber wie eine Klosterzelle. Sara suchte eine Weile herum, bis sie oben im Kleiderschrank einen kleinen Koffer entdeckte.

Leider kam sie nicht heran.

„Lassen Sie, ich hole ihn runter.“ Reece war hinter ihr aufgetaucht und hob den Arm über ihren Kopf.

Sara spürte die Hitze seines Körpers in ihrem Rücken und erschauerte. Auch wenn er sich dessen vielleicht nicht bewusst war, fühlte sie sich von ihm angezogen, seitdem er und seine beiden Cousins vor einigen Wochen wegen einer Erbschaftsangelegenheit ins B & B gezogen waren.

Reece reichte ihr den Koffer. „Bitte schön. Wissen Sie, wo Miss Greers Handtasche ist?“

Sara sah sich um. „Da! Sie hängt an der Tür.“

Sara öffnete Kommodenschubladen und stopfte achtlos Nachthemden, Unterwäsche und Socken in den Koffer. Reece blieb stehen und sah ihr dabei zu.

„Was ist?“, fragte sie. „Mache ich etwas falsch?“

„Miss Greer hätte vielleicht lieber ordentlich zusammengelegte Wäsche.“

„Wie bitte?“

„Sie ist offensichtlich ein ordnungsliebender Mensch. Vielleicht sollten Sie auch einen Bademantel einpacken. Und eine Zahnbürste.“

„Warum übernehmen Sie nicht gleich das Packen?“, fragte Sara pikiert.

„Nein, nein, Sie machen das schon ganz gut so.“

Ach wirklich? Warum dann die ungebetenen Vorschläge? „Warum sehen Sie nicht mal nach Miss Greer? Ich bin in einer Minute fertig.“

Beim Packen brauchte sie nun wirklich keine Hilfe – sie machte das schließlich ständig. Ihre beste Freundin Allie neckte Sara oft, dass sie nur mit dem Inhalt ihres Rucksacks ein halbes Jahr am Amazonas überleben konnte.

Nachdem Sara alles, was sie für nützlich hielt, in den Koffer gestopft hatte, kehrte sie zur Küche zurück. In der Tür blieb sie stehen und sah Reece zu, wie er Miss Greer vorsichtig das Mehl vom Gesicht wischte. Sara konnte nicht hören, was er zu ihr sagte, aber seine Stimme klang tief und beruhigend.

Miss Greer sah bewundernd zu ihm auf. Sie tätschelte seine Wange, und er nahm ohne jede Verlegenheit ihre knochige Hand und drückte sie.

Saras anfänglicher Ärger legte sich. Ein Mann, der eine alte Frau mit Respekt und Zuneigung behandelte, ohne dass es ihm peinlich war, war schon schwer in Ordnung.

Sara ging hinein. „Hier ist Ihr Koffer. Kann ich sonst noch etwas für Sie tun? Möchten Sie vielleicht etwas essen?“ Die Welt sah schließlich gleich viel besser aus, wenn man eine Schüssel dampfender Tortillasuppe und selbst gebackenes Brot mit Butter vor sich stehen hatte.

„Nein danke, meine Liebe“, antwortete Miss Greer. „Was soll ich nur tun? Eine gebrochene Hüfte ist eine ernste Sache. Ich werde wochenlang nicht arbeiten können. Wer wird sich um das B & B kümmern, wenn ich im Krankenhaus bin? Und dann kommen heute auch noch Gäste – sechs insgesamt!“

„Machen Sie sich keine Sorgen“, antwortete Sara. „Ich kümmere mich um alles, bis Sie wieder auf den Beinen sind.“

„Und was wird mit Ihrer Reise nach Kalifornien?“, fragte Miss Greer. „Außerdem ist das Sunsetter ein Vollzeitjob, und ich kann es mir nicht leisten, Ihnen ein Gehalt zu zahlen. Für freie Kost und Logis leisten Sie ohnehin schon mehr als genug.“

Für ihren Lebensunterhalt nahm Sara manchmal Gelegenheitsjobs an, darunter auch den Cateringjob bei Dreharbeiten in Kalifornien.

„Ist verschoben“, antwortete sie leichthin.

„Aber was ist mit dem Finanziellen?“, fragte Miss Greer unglücklich. „Klar, Sie können sauber machen, und den Gästen scheint Ihr Frühstück zu schmecken, aber bei den Abrechnungen sind Sie eine einzige Katastrophe.“

Sara hatte Mühe, nicht beleidigt zu sein. Sie wusste, dass Miss Greer ihr vertraute, aber wenn es um Geld ging, war sie leider wirklich unfähig. Anscheinend litt sie unter so etwas wie Zahlenlegasthenie.

„Sie brauchen sich wirklich keine Sorgen zu machen“, sagte Sara. „Wir finden schon eine Lösung. Hey, ich weiß! Reece könnte doch das Finanzielle übernehmen!“

„Wie bitte?“, fragte Reece und warf ihr einen panischen Blick zu.

„Er wohnt sowieso hier“, fuhr Sara fort, als hätte sie seinen Einwand nicht gehört, „und als Bilanzbuchhalter ist er mit Sicherheit kompetent. Er kümmert sich auch um die Buchhaltung für Allies Bootscharterunternehmen, was sie nie zulassen würde, wenn er seine Sache nicht verstehen würde.“

„Ach, würden Sie für mich einspringen, Reece?“, fragte Miss Greer. „Sie sind ein so angenehmer Gast, und ich möchte Ihnen nicht zur Last fallen, aber es würde mich wirklich sehr beruhigen, wenn ich wüsste, dass Sara nicht alles allein machen muss.“

Reece nahm seine Brille ab und rieb sich die Augen. „Also … klar, warum nicht? Aber nächste Woche muss ich nach New York zurück. Wenn ich nicht bald nach Hause fahre, verliere ich noch meinen Job.“

Nächste Woche schon?

„Ich dachte, die Firma gehört Ihrer Familie“, sagte Sara. „Ist Ihr Vater nicht der Boss? Er würde Sie doch nie entlassen!“

„Sie kennen meinen Vater nicht.“

„Aber Sie haben doch noch jede Menge Resturlaub.“ Laut Reeces Cousin Cooper machte Reece seinen ersten Urlaub seit acht Jahren. Acht Jahre! Wie hielt er das nur aus, tagein tagaus den gleichen Job zu machen?

„Ich hatte nie vor, meinen Urlaub voll auszuschöpfen“, antwortete Reece. „Aber keine Sorge, Miss Greer, ich werde einfach einige Tage ranhängen. Und wenn Sie noch länger im Krankenhaus bleiben müssen, finden wir eine andere Lösung.“

Es klingelte an der Tür.

„Das sind wahrscheinlich die Sanitäter“, sagte Sara und verließ die Speisekammer.

Reece war etwas verärgert, dass Sara ihm den Job zugeteilt hatte, ohne ihn vorher zu fragen. In Gegenwart von Miss Greer konnte er natürlich nicht ablehnen.

„Sie müssen mir hoch und heilig versprechen, dass Sie die Finanzen nicht Sara überlassen“, flüsterte Miss Greer. „Verstehen Sie mich nicht falsch, sie ist ein nettes und tüchtiges Mädchen, aber vom Geschäft versteht sie nichts. Haben Sie schon ihr Scheckheft gesehen? Der reinste Albtraum!“

Reece schauderte unwillkürlich. Er hatte mal einen Blick hineingeworfen, als Sara eine ihrer Hippie-Freundinnen für eine handgetöpferte Teekanne bezahlen wollte – seiner Meinung nach ein total nutzloser Gegenstand, aber Sara war ganz aus dem Häuschen gewesen. Die Einträge waren in fünf verschiedenen Farben, und es war mehr durchgestrichen als im Schreibheft eines Drittklässlers.

„Ich weiß genau, was Sie meinen“, flüsterte Reece.

„Auf keinen Fall darf sie das Scheckbuch des B & B in die Hände kriegen – oder den Terminkalender. Sie schreibt sonst nur die falschen Daten auf.“

„Ich kümmere mich darum, versprochen“, sagte Reece. „Konzentrieren Sie sich nur darauf, gesund zu werden.“

Miss Greer kniff ihn in die Wange. So etwas hatte er eigentlich schon seit seinem achten Lebensjahr nicht mehr zugelassen. „Sie sind ein lieber Junge, und dabei so gut aussehend. Wie kommt es, dass Sie noch nicht verheiratet sind?“

Dazu hätte er genug Gelegenheit gehabt, vor allem, nachdem ein Radiosender ihn zu den zwanzig begehrtesten Junggesellen Manhattans gezählt hatte. Aber er hatte den Eindruck, dass die meisten eher am Prestige seines Familiennamens interessiert waren als an ihm selbst.

Außerdem machte es ihm nichts aus, allein zu leben. So lief wenigstens alles, wie er es wollte. Das einzige Mal, als er drauf und dran war, mit einer Frau zusammenzuleben, war er fast wahnsinnig geworden.

„Sie ist hier drin.“ Sara führte die Sanitäter in die Küche, und sie legten Miss Greer auf eine Trage. Obwohl die alte Dame keinen Ton von sich gab, sah Reece ihr an, dass sie große Schmerzen hatte.

„Wir fahren in Reeces Auto hinterher“, sagte Sara und tätschelte im Vorbeigehen Miss Greers Arm.

Reece wartete, bis die Trage durch die Küchentür verschwunden war. „Tun wir das?“, fragte er Sara.

„Natürlich.“

„Sollten wir nicht Miss Greers Familie verständigen?“

„Sie hat keine Familie. Sie hat nie geheiratet und keine Kinder. Wir können sie doch nicht allein ins Krankenhaus fahren lassen.“

„Ich dachte, wir würden hierbleiben und das Durcheinander in der Speisekammer aufräumen“, sagte Reece. „Außerdem sollte einer von uns die Gäste empfangen.“

„Die Gäste wissen, wo sie den Schlüssel finden. Sie sind alle nicht zum ersten Mal hier, also ist das kein Problem. Aber wenn Sie lieber hierbleiben wollen, ist das auch in Ordnung für mich.“

„Mir gefällt der Gedanke nicht, dass Fremde hier im Haus herumschnüffeln.“

Sara lachte. Er mochte ihr helles Lachen. „Typisch New Yorker! Sie glauben doch nicht etwa, die Silversteins räumen das Haus aus, wenn wir ihre Kreditkartennummer haben?“

Da hatte sie recht.

„Außerdem sind B-&-B-Gäste meiner Erfahrung nach meistens nette Menschen und keine Diebe.“

Reece fand ja, dass Sara viel zu vertrauensselig war. Sie zog einfach so in der Welt herum und knüpfte Kontakte zu Menschen, die sie kaum kannte. Da konnte ihr im Grunde alles Mögliche zustoßen.

Sie sah das natürlich anders. Anscheinend musste sie erst schlechte Erfahrungen machen, bis sie so misstrauisch und skeptisch wurde wie er.

Er runzelte die Stirn. Eigentlich gefiel ihm diese Vorstellung nicht besonders. Er mochte Saras Naivität, die einfach zu ihrer Persönlichkeit gehörte.

„Also, was ist? Leihen Sie mir Ihr Auto?“, fragte sie.

„Haben Sie denn selbst keins?“ Ach, also deshalb hatte er sie bisher nur auf einem klapprigen alten Fahrrad herumfahren sehen.

„Mein Auto ist auf dem Rückweg von Santa Fe kaputtgegangen, und da ich mir die Reparatur nicht leisten konnte, habe ich es verkauft und bin mit dem Bus weitergefahren.“

„Wie können Sie nur ohne Auto leben?“

„Port Clara ist nicht besonders groß. Ich gehe zu Fuß oder fahre mit dem Rad oder der Straßenbahn. Aber das Krankenhaus ist in Corpus Christi. Also, wie sieht’s aus?“

Der Gedanke, sein Auto zu verleihen, tat weh. Reece hatte es gerade erst gekauft – ein Sahnestück von einem Mercedes. Eigentlich hatte er etwas Praktisches gesucht, aber der blaue Wagen hatte es ihm sofort angetan.

Er hatte zugegriffen, obwohl er sonst nicht gerade zu Spontankäufen neigte.

Und bisher hatte er noch nicht einmal seinen Cousin Max ans Steuer gelassen.

„Also gut, ich begleite Sie ins Krankenhaus“, sagte er. Miss Greer würde wahrscheinlich sowieso jemanden brauchen, der den Papierkram übernahm.

Nachdem sie in den Ledersitzen Platz genommen hatte, gab Reece ihr Ziel ins Navigationssystem ein. Zu seiner Erleichterung dirigierte es ihn über den Damm, der die kleine Insel mit dem Festland verband. Auf der Fähre wurde ihm nämlich immer schlecht.

„Ich wollte schon immer mal mit diesem Auto fahren“, gestand Sara. „Sind Sie zufrieden damit?“

„Bis jetzt schon.“

„Warum haben Sie nicht jemanden beauftragt, der Ihr Auto von New York herüberfährt, so wie Cooper?“

„Ich habe dort gar kein Auto. Bei den Parkgebühren und dem Unterhalt sind öffentliche Verkehrsmittel oder Taxis günstiger.

Das hier werde ich wahrscheinlich verkaufen.“

„Was ist, wenn Sie einen Sonntagsausflug machen wollen? Oder einfach so herumfahren?“

„Dann kann ich mir jederzeit ein Auto mieten.“ Reece hatte seit seiner Collegezeit keinen Ausflug mehr gemacht. Eigentlich hatte er schon damals keinen Sinn darin gesehen.

„Ich vermisse mein Auto“, sagte Sara sehnsüchtig. „Es hatte mehr als zweihunderttausend Meilen auf dem Tacho und hat mich auf vielen Reisen begleitet.“

„Dann wird es wohl allmählich Zeit, ein neues zu kaufen.“

„Das ist wohl wahr, aber leider kann ich mir kein neues Auto leisten. Ich spare gerade auf einen Gebrauchtwagen.“

Wenigstens besaß sie genug Verstand zu sparen, und lebte nicht nur auf Kredit wie so viele Menschen.

Wie kamen Leute wie sie nur zurecht? Schließlich war sie nicht auf den Kopf gefallen und äußerst belesen. Sie war hübsch – sogar mehr als das – und sympathisch. Er wusste, dass nicht jeder das Glück hatte, aus einem reichen Elternhaus zu stammen, und vielleicht hatte sie nicht die Möglichkeit gehabt, aufs College zu gehen, aber es gab schließlich genug Berufe, für den man keinen Hochschulabschluss brauchte.

Sie hätte schließlich auch als Verkäuferin anfangen oder sich in einer Firma hocharbeiten können. Aber stattdessen ließ sie sich lieber treiben – zumindest sah es ganz danach aus. Wahrscheinlich hatte sie weder Ersparnisse noch Grundbesitz. „Tun Sie eigentlich schon etwas für Ihre Rente?“, fragte er unvermittelt.

Sara starrte ihn verblüfft an. „Wie bitte? Ich bin erst neunundzwanzig. Ich weiß noch nicht einmal, was ich nächsten Monat mache.“

„Jetzt wäre der richtige Zeitpunkt, damit anzufangen. Wenn Sie monatlich nur hundert Dollar zurücklegen …“ „Was soll das denn jetzt? Wollen Sie mir etwa Sumpfland in Florida andrehen, oder was?“ Offenbar kam sein Vorschlag nicht gut an. „Ich mache mir einfach nur Sorgen um Sie.“ „Ach so.“ Sara beruhigte sich etwas. „Nett von Ihnen, aber ich mache mir keine Sorgen.“

„Das ist ja das Problem.“

Sie war perplex. „Sie kennen mich doch kaum.“

„Wir leben seit fast drei Wochen unter einem Dach. Ich kenne Sie besser, als Sie denken.“

Sara lächelte kokett und legte den Kopf schief. „Und ich dachte schon, Sie nehmen mich gar nicht wahr. Sie sprechen so gut wie nie mit mir.“

Weil sie ihm die Sprache verschlug. Ganz sicher nicht, weil sie ihm nicht aufgefallen war. Mit ihren bunten Röcken, den Batikhemden und den riesigen Ohrringen war sie ohnehin nicht zu übersehen. Ganz zu schweigen von ihrer dunklen Lockenmähne und den großen braunen Augen.

Als Sara ihn aus eben jenen Wahnsinnsaugen ansah, herrschte in seinem Kopf schlagartig gähnende Leere. Reece fühlte sich nur auf sicherem Boden, wenn er über Finanzen sprach. Alle anderen Themen waren ihm zu riskant.

„Warum reden Sie nicht weiter?“, fragte sie. „Ich höre zu.“

Er schüttelte den Kopf. „Nein, ich bin anscheinend zu weit gegangen. Tut mir leid.“

Den Rest der Fahrt über schwiegen sie.

2. KAPITEL

Sara wusste, dass sie für das Schweigen verantwortlich war. Dabei war sie so froh gewesen, Reece endlich in ein Gespräch verwickelt zu haben – ein richtiges Gespräch, nicht nur Möchten Sie noch etwas Kaffee? oder Danke für das Frühstück.

Aber dann hatte er sie auf ihre Zukunft angesprochen, und sie war explodiert. Bei diesem Thema hatte sie nämlich einen reflexartigen Verteidigungsmechanismus. Ihre Eltern machten ihr ständig Vorwürfe über die Art, wie sie ihr Leben lebte.

Reece gefiel das offensichtlich auch nicht. Dass er sich deshalb Sorgen zu machen schien, hatte sie versöhnlicher gestimmt, aber leider zu spät – ihre Reaktion hatte ihn wieder zum Schweigen gebracht.

Was sollte sie jetzt tun? Bislang war sie Männern gegenüber nie schüchtern gewesen. Wenn ihr jemand gefiel, zeigte sie das auch und ließ nicht locker, bis sie wusste, ob er sich für sie interessierte oder nicht.

Aber bei Reece war das anders. Sie hatte bislang noch nicht offen mit ihm geflirtet, weil Miss Greer bestimmt etwas dagegen hatte, wenn sie ihren Gästen Avancen machte. Trotzdem hatte sie das Gefühl, dass es zwischen ihnen funkte.

Nachdem sie im Krankenhaus angekommen waren, begleitete Sara Miss Greer ins Behandlungszimmer, während Reece die Anmeldung übernahm. Zwischendurch streckte er nur einmal kurz den Kopf ins Zimmer, um nach der Patientin zu sehen.

Kurz darauf kehrte er mit einem Arzt zurück und bestand darauf, dass dieser sofort einen Blick auf die alte Dame warf. Sie selbst hatte den Arzt schon zweimal auf dem Flur angesprochen, aber er hatte sie einfach abgewimmelt. Gut, dass Reece mitgekommen war. Miss Greer hätte sonst wahrscheinlich Ewigkeiten auf ihre Untersuchung warten müssen.

„Wir müssen Miss Greer röntgen“, sagte der Arzt. „Sie können so lange draußen warten.“

Reece war anscheinend nicht sonderlich geduldig. Unruhig lief er mit seinem Handy vor der Glastür auf und ab und sah ständig auf die Uhr.

Sara besaß noch nicht einmal eine. Wenn sie wissen wollte, wie spät es war, sah sie auf dem Handy nach – vorausgesetzt, es war geladen.

Zwischendurch war Reece verschwunden und brachte ihr einen Apfel und eine Tasse Kaffee aus der Cafeteria mit. Vielleicht ein Friedensangebot? Blödsinn, wahrscheinlich wollte er einfach nur nicht, dass sie vor Hunger umfiel.

Endlich rief eine Krankenschwester sie ins Behandlungszimmer.

„Ihre Großmutter hat sich die Hüfte gebrochen“, sagte ein weiterer Arzt. „Das Gelenk war ohnehin nicht mehr besonders stabil. Wenn sie jemals wieder laufen will, müssen wir ihr eine künstliche Hüfte einsetzen.“

„Sie ist nicht …“, begann Sara, aber Reece stieß sie mit dem Ellenbogen an. Sie räusperte sich. „In dem Fall befürworten wir natürlich eine Operation, nicht wahr, Grandma?“

„Ich habe dem Arzt gesagt, er soll mir einfach ein Paar Krücken geben und mich nach Hause lassen“, schimpfte Miss Greer. „Aber er will nicht hören.“

„Wie lange muss sie hierbleiben?“, fragte Reece.

„In Anbetracht ihres Alters zumindest ein paar Tage. Und zu Hause braucht sie Unterstützung. Wir verschreiben ihr eine Physiotherapie, aber sie darf auf keinen Fall allein wohnen – mindestens einen Monat lang nicht.“

„Sie hat doch mich“, antwortete Sara. „Wir leben unter einem Dach.“

„Ich kann auch helfen“, sagte Reece.

„Gut. Dann stimmen Sie also einer OP zu?“

„Entschuldigen Sie bitte, Doktor“, sagte Miss Greer. „Meine Hüfte ist gebrochen – nicht mein Gehirn. Hören Sie auf zu reden, als würde ich Sie nicht verstehen.“

Sara unterdrückte ein Lächeln. Schön, dass die alte Dame ausnahmsweise mal jemand anderen zurechtwies als sie. „Grandma, willst du die OP?“

„Nein, aber wenn ich anders nicht gesund werde, bleibt mir wohl kaum was anderes übrig.“

Nachdem ein Krankenpfleger Miss Greer zu ihrem Zimmer gebracht hatte, standen Sara und Reece allein in der Eingangshalle. „Macht es Ihnen etwas aus, allein zum Sunsetter zurückzufahren?“, fragte Sara. „Ich möchte noch ein Weilchen bleiben und mich davon überzeugen, dass man sich gut um sie kümmert.“

„Und wie kommen Sie zurück?“

Sara zuckte die Achseln. „Ach, irgendetwas fällt mir schon ein.“

Reece konnte sich das lebhaft vorstellen. Wahrscheinlich würde sie per Anhalter fahren. „Ich könnte Sie doch später wieder hier abholen.“

„Das ist doch viel zu viel Fahrerei.“

„Nur vierzig Minuten. Es macht mir nichts aus.“ Das war nicht einmal gelogen. Reece genoss Saras Gesellschaft, selbst wenn er dabei meist in halb erregtem Zustand war. Außerdem hatte er sowieso nichts Besseres vor.

Die Buchhaltung für Remington Charters, ein Unternehmen, das er und seine Cousins von ihrem Onkel geerbt hatten, lief bereits. Eigentlich hätte er schon vor einer Woche nach Hause zurückkehren können. Aber er ließ sich Zeit damit, was er selbst nicht recht verstand. Zum ersten Mal in seinem Leben freute er sich nicht auf seine Arbeit.

Reece musste sich eingestehen, dass Sara zumindest teilweise der Grund für seinen inneren Widerstand gegen die Rückkehr war. Dabei passte sie überhaupt nicht zu ihm.

In Beziehungen war Übereinstimmung wichtig. Man sollte die gleichen Interessen und Werte haben. Gegenseitige körperliche Anziehung reichte nicht.

„Also, wenn es Ihnen wirklich nichts ausmacht, nehme ich Ihr Angebot gern an“, antwortete Sara. „Miss Greer wird mit Sicherheit ruhiger schlafen, wenn sie weiß, dass sich jemand um die Gäste kümmert.“

„Welche Zimmer soll ich ihnen geben?“, fragte Reece.

„Die Silversteins kriegen immer das Orchideenzimmer … nein, warten Sie, vielleicht wohnen dort die Canfields. Sie kommen nächste Woche … oder übernächste. Aber den Taylors können Sie auf jeden Fall das Teerosenzimmer geben … oder vielleicht doch das Fliederzimmer?“ Sara machte eine abfällige Geste. „Egal, steht alles im Gästebuch an der Rezeption.“

Autor

Kara Lennox
Kara Lennox hat mit großem Erfolg mehr als 50 Liebesromanen für Harlequin/Silhouette und andere Verlage geschrieben.
Vor ihrer Karriere als Liebesromanautorin verfasste sie freiberuflich Hunderte Zeitschriftenartikel, Broschüren, Pressemitteilungen und Werbetexte. Sogar Drehbücher hat sie geschrieben, die das Interesse von Produzenten in Hollywood, New York und Europa weckten.
Wegen ihrer bahnbrechenden, sehr...
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