Die Eiskönigin und der Milliardär

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Sie ist eine unwiderstehliche Mischung aus Gefahr und Sünde: Heißes Verlangen erwacht in Nic Carvalho, als er Olympia Merisi erblickt. Doch die Situation spricht leider gegen ihn. Pias Bodyguards haben ihn dabei überrascht, wie er ihre Privaträume durchsuchte. Was er dort wollte? Das wird er der atemberaubend schönen Frau, die das Imperium seines Erzfeindes führt, nicht sagen! Stattdessen wettet er provokant mit ihr, dass sie innerhalb von zwei Wochen nach seiner Liebe bettelt. Nur wenn ihm das nicht gelingt, will er dieser Eiskönigin verraten, wonach er gesucht hat …


  • Erscheinungstag 01.03.2016
  • Bandnummer 2220
  • ISBN / Artikelnummer 9783733706562
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Es heißt, kein Mensch kann einen Hurrikan voraussagen.

Nicandro Carvalho war sehr wohl dazu in der Lage. Er vermochte sogar einen zu erschaffen und mit einem kalten Lächeln auf den Lippen verheerende Verwüstung anzurichten.

Zehn Jahre hatte er mit der Planung des vernichtenden Schlags verbracht. Und nun – endlich – war er bereit, das Chaos zu entfesseln.

Zeus, ich bin hinter dir her, und ich werde deine Welt in Trümmer legen – ebenso, wie du meine zerstört hast.

Der Veranstaltungsort für das vierteljährliche Treffen der Q-Virtus – Mitglieder, das dieses Wochenende stattfand, war Sansibar. Die Luft war schwülwarm und so feucht, dass Nic das dünne weiße Hemd wie eine zweite Haut am Körper klebte. Hinter seiner Maske hatten sich kleine Schweißperlen gebildet. Dennoch schob er sich energisch durch die Menge der anderen Gäste, die Augen aufmerksam auf seine Petit Q gerichtet. Die Eintrittskarte in Zeus’ Unterschlupf, in Gestalt einer brünetten Schönheit in roter Haute-Couture-Robe.

Schauen, aber nicht anfassen. Das war eine der Grundregeln von Q Virtus.

Als ob sich Nicandro je an irgendwelche Vorschriften gehalten hätte. Er wusste genau, was seine Mutter dazu gesagt hätte: Regeln sind nur etwas für langweilige Narren. Doch ihre Stimme war kaum mehr als ein entferntes Echo aus der Vergangenheit.

Mehrere Clubmitglieder versuchten seine Aufmerksamkeit zu erregen, aber ein knappes Nicken war heue Abend das Höchste der Gefühle, was irgendjemand von ihm bekommen würde.

Sein zielstrebiger Gang war nicht mehr aus dem Rhythmus gekommen, seit er Nicandro Santos gewesen war – ein verängstigter Siebzehnjähriger, der in Rio an Bord eines Frachtschiffes geschlichen und in einem schmutzigen Container versteckt nach New York ausgelaufen war. Er hatte auch nicht gestockt, als er mit seinem alten Leben auch seinen Namen hinter sich gelassen und zu Nicandro Carvalho geworden war. Ein junger Mann, der seinen Stolz auf den Straßen Brooklyns verkauft und ihn sich mit knochenharter Arbeit auf den Baustellen der Stadt zurückerkämpft hatte. Und er war nicht ins Straucheln geraten, als er sein erstes Grundstück kaufte, und dann noch eines und noch eines. Die ganze Zeit immer nur ein Ziel vor Augen: genug Geld zur Seite zu schaffen, um seinen Großvater aus Brasilien zu sich zu holen.

Seine unnachgiebige Entschlossenheit und die Bereitschaft, alles zu geben, hatten ihm geradezu obszöne Ausmaße von Reichtum und Macht beschert. Genau diese beiden Eigenschaften führten schließlich dazu, dass er in die erlesene Riege von Q Virtus aufgenommen wurde. Er hatte die Chance dankend ergriffen – mit der alleinigen Absicht, die Organisation von innen heraus zu unterwandern und schließlich zu zerstören.

Und hier war er nun, und der Anfang vom Ende war gemacht.

Über zehn Jahre der Planung, und nun endlich würde er die Geschichte neu schreiben und das Santos-Imperium – das Erbe, das ihm ebenso genommen worden war wie seine Eltern – wieder vereinen.

Nic schob die Gedanken beiseite, die eine solch unbändige Wut in ihm entfesselten, dass sie drohten ihn von innen heraus zu verbrennen.

„Hey, Nic, wohin so eilig?“

Narcisos Stimme drang zu ihm durch und ließ ihn innehalten. Sein alter Freund stand an der Bar, ein Glas Scotch in der Hand. In seinem maßgeschneiderten Smoking und mit der goldenen Maske, die sich wie ein altrömischer Lorbeerkranz um die obere Hälfte seines Gesichts wand, sah er wie immer tadellos aus.

Nic spürte, wie etwas von der Anspannung, die von ihm Besitz ergriffen hatte, abebbte. Ein Lächeln umspielte seine Lippen. „Narciso, wie geht’s dir?“ Er schüttelte den Kopf. „O Deus, wo kriegen sie bloß diese albernen Masken her?“

„Ich habe keine Ahnung. Und was deine andere Frage betrifft: Ich bin überglücklich, vielen Dank.“

Nic widerstand dem Impuls, die Augen zu verdrehen. „Aber natürlich. Wie ist es so, an der langen Leine gehalten zu werden?“

Sein unverblümter Zynismus entlockte Narciso ein Grinsen. Die Augen hinter dem goldenen Blattwerk glitzerten.

Verdammte Masken! Sie sollten dazu dienen, die Anonymität der Clubmitglieder zu wahren. Doch soweit es Nic betraf, steigerten sie seinen Zorn ins Unermessliche – so wie alles, was mit Q Virtus zu tun hatte.

Ein Herrenclub für die Elite. Ungemein prestigeträchtig. Illuster. Und geführt von einem hinterhältigen, menschenverachtenden Verbrecher.

Was für eine Ironie, dachte er, dass erwachsene Männer – Multimilliardäre! – bereit waren, ihre Seele für eine Mitgliedschaft bei Q Virtus zu verkaufen. Ohne mit der Wimper zu zucken, schenkten sie ihr Vertrauen einem Mann, der nichts weiter war als ein gewöhnlicher Krimineller.

Aber damit würde schon bald Schluss sein. Spätestens dann, wenn Nic mit ihm fertig war und die hässliche, ungeschminkte Wahrheit über ihn ans Tageslicht gezerrt hatte.

„Ich kann mir offen gestanden nichts Schöneres vorstellen“, antwortete Narciso und riss ihn aus seinen Überlegungen. „Komm, setz dich einen Moment zu mir. Ich würde mich gern in Ruhe mit dir unterhalten.“

Nic zögerte kurz, spürte, wie die Ungeduld an seinen Nerven zerrte. Doch er unterdrückte den Drang, seinem alten Freund die Bitte auszuschlagen. Sie hatten sich schon viel zu lange nicht mehr gesehen. Außerdem musste er ebenfalls mit Narciso sprechen.

„Komm, wir suchen uns ein Fleckchen, wo wir ungestört sein können“, sagte Nic.

Er hatte nicht vor, mehr Zeit zu verschwenden, als unbedingt notwendig war. Deshalb ging er mit Narciso zu einem der privaten Spieltische im hinteren Bereich des Saals. Dieser bot ihnen wenigstens ein Mindestmaß an Privatsphäre. Keine zehn Minuten später hatte jeder von ihnen einen Drink vor sich stehen.

„Meine Herren“, wandte sich der Croupier in roter Dienstbotenlivree an sie. „Ihre Einsätze, bitte.“

Achtlos warf Nic einen Fünftausend-Dollar-Chip auf den Tisch und wartete darauf, dass auch Narciso seine Wahl traf.

„Zwanzigtausend Dollar auf die Siebzehn, schwarz“, bestätigte der Croupier ungerührt Narcisos Einsatz.

Nic schnaubte. „Ohne bessere Hälfte an deiner Seite wirst du wohl ganz schön leichtsinnig, wie?“

„Ich glaube einfach daran, dass mir das Glück heute Abend treu ist. Eine Nebenwirkung davon, an der langen Leine gehalten zu werden.“

Nur mit Mühe unterdrückte Nic ein Stöhnen. Es war mehr als offensichtlich, dass Narciso unter dem Einfluss eines wirkungsvollen Hormon-Cocktails aus Sex und Gefühlen stand. Blieb nur zu hoffen, dass der Katzenjammer am Ende nicht zu heftig ausfiel. Nic freute sich nicht darauf, dieses begeisterte Funkeln aus den Augen seines Freundes verschwinden zu sehen. Doch genau das würde geschehen – früher oder später.

Der Croupier versetzte dem Rad einen Stoß, und Nic lehnte sich, wenig interessiert am Ausgang der Spielrunde, zurück. Er hatte weder die Zeit noch die Geduld, darauf zu warten, dass Narciso das Gespräch eröffnete.

Deshalb machte er nun den Anfang. „Findest du es eigentlich nicht seltsam, dass wir unseren mysteriösen Mr Q Virtus noch nie persönlich gesehen haben? Nicht ein einziges Mal?“

Narciso stellte sich gar nicht erst dumm. Er wusste genau, von wem Nic sprach. „Der Mann schätzt eben seine Privatsphäre. Aber tun wir das nicht alle?“

„Da muss mehr dahinterstecken als das.“

„Du bist immer so misstrauisch, Carvalho.“

Die Roulettekugel blieb klimpernd über der schwarzen Siebzehn liegen, und Narciso schnaubte zufrieden. Typisch.

„Vielleicht passt er einfach nicht in die feine Gesellschaft“, mutmaßte Narciso. „Schon mal daran gedacht? Es wird außerdem gemunkelt, dass er mit der griechischen Mafia im Bunde steht. Vielleicht ist er stumm. Oder schüchtern. In den vergangenen Monaten – oder besser gesagt, seit dem letzten Treffen – überschlägt sich die Gerüchteküche geradezu mit immer neuen sagenhaften Geschichten über Zeus.“

Nic versuchte, gelassen zu bleiben. Er kannte diese Gerüchte natürlich. Die meisten davon hatte er schließlich selbst in die Welt gesetzt.

„Stimmt es dich gar nicht besorgt, dass der Initiator von Q Virtus in dunkle Geschäfte verwickelt sein könnte?“, fragte er. „Nicht jeder scheint damit so locker umzugehen wie du. Einige Mitglieder fehlen dieses Wochenende jedenfalls.“

Erstaunlich, was ein paar eingeflüsterte Halbwahrheiten in den Ohren der richtigen Leute zu bewirken vermochten. Zweifel waren etwas ungemein Wirkungsvolles. Zerstörerisch und brandgefährlich. Und Nic hatte die Saat mit einem kalten Lächeln gestreut und musste nun nur noch entspannt dabei zusehen, wie sie aufging.

Narciso zuckte mit den Schultern. Ihn schien die Vorstellung, Mitglied in einer potenziell kriminellen Organisation zu sein, überhaupt nicht zu bekümmern.

„Ganz zu Anfang mag der Club nicht ganz koscher gewesen sein“, räumte er ein. „Aber sogar mein Vater und seine Freunde sind sicher, dass hier inzwischen alles mit rechten Dingen zugeht. Du und ich, wir kennen beide zahlreiche Mitglieder, die allesamt von den hier getätigten, für beide Seiten einträglichen Geschäftsabschlüssen profitiert haben. Gerüchte sind in der Regel nichts als Geschichten, die von Menschen aus niederen Beweggründen in die Welt gesetzt werden.“

Er ahnte ja nicht, wie genau er mit diesen Worten ins Schwarze getroffen hatte. Doch die Tatsache, dass Nic eine ganze Anzahl von niederen Motiven hatte, war eine, die er lieber für sich behielt.

Er nickte. „Trotzdem. Ich will mich mit ihm treffen und sicherstellen, dass wir dem Mann nicht alle grundlos unser Vertrauen schenken.“

Doch das war nicht alles, was er wollte, wie ihm nun klar wurde. Vielmehr ging es um einen Notfallplan für den Fall, dass heute Nacht etwas schieflief. Wenn er plötzlich von der Bildfläche verschwand, würde zumindest Narciso wissen, was er im Sinn gehabt hatte.

„Warum? Was versprichst du dir von einem Treffen mit Zeus?“

Ich will seine Welt in sich zusammenstürzen lassen. Ihn so leiden lassen, wie meine Eltern und ich selbst gelitten haben.

Und mein Großvater.

Sein Avô. Der alte Mann, den er am allermeisten auf der Welt liebte und der die einzige Familie war, die ihm noch geblieben war. Ihm verdankte Nic es, dass er damals wieder aufgestanden war – obwohl er sich nur hatte hinlegen und sterben wollen.

„Willst du mir irgendetwas sagen, Nic?“

Ja, das wollte er allerdings. Das Problem bestand darin, dass Narciso nichts mit dieser schmutzigen Geschichte zu tun hatte – und so sollte es auch bleiben.

„Wie man’s nimmt.“

Narciso hob eine Braue, hakte aber nicht weiter nach. „Und wie genau hast du vor, mit unserem mysteriösen, einsiedlerischen Zeus in Kontakt zu treten?“, fragte er stattdessen. „Wie du schon sagtest – niemand ist ihm je begegnet.“

Nic nahm einen Schluck von seinem Wodka, während er den Blick zu der Petit Q schweifen ließ, die er seit seiner Ankunft am vergangenen Abend umwarb. Er hatte sie nur einmal kurz angesehen und gewusst, dass es mit ihr ein Kinderspiel sein würde.

Ein romantischer Mitternachtsspaziergang am Strand, und er hatte nur noch ihren Daumenabdruck vom Champagnerglas abnehmen müssen. Eine spielerische Liebkosung, und er konnte ihre Hochsicherheits-Zugangskarte an sich bringen. Nun musste er sie nur noch davon abhalten, ihm in die Quere zu kommen. Aber was das betraf, hatte er bereits vorgesorgt. Eine Verabredung in ihrer Suite, zu süßen Stunden der Verführung, die er nicht einzuhalten gedachte, sollte hierzu ausreichen.

Narciso folgte seinem Blick und schnaubte. „Ich hätte wissen müssen, dass eine Frau im Spiel ist. Du weißt, ich mag dich, Carvalho – aber der Wodka, den du da gerade trinkst, scheint dir das Hirn vernebelt zu haben.“

Nic lachte. Er fühlte sich wie berauscht von einem Cocktail aus Anspannung, banger Erwartung und Vorfreude, der durch seine Adern pumpte. Doch sein Hochgefühl endete abrupt, als er seinem Freund in die Augen blickte.

Was würden Narciso und ihr gemeinsamer Freund Ryzard von ihm denken, wenn er ihnen erst einmal den Q-Virtus-Teppich unter den Füßen weggezogen hatte? Wenn er ihnen die Chance entzog, ihren Reichtum durch wertvolle Kontakte und lukrative Geschäftsdeals noch weiter zu vermehren? Sie würden ihn verstehen, oder? Narciso kam dem, was man einen besten Freund nennen konnte, von allen Menschen in seinem Leben wohl am nächsten. Und Ryzard war ebenfalls ein guter Mann. Im Grunde tat er ihnen doch lediglich einen Gefallen, indem er enthüllte, was für eine Art von Mensch Zeus wirklich war. Sie hatten ja überhaupt keine Ahnung …

„Apropos Gerüchte“, nahm Narciso ihren Gesprächsfaden wieder auf. „Ich hörte, Goldsmith hat dir ein Angebot gemacht?“

Nic verschluckte sich beinahe an seinem Drink. „Woher weißt du das?“

„Machst du Witze?“ Ungläubig schaute Narciso ihn an. „Hast du wirklich geglaubt, Goldsmith würde auch nur eine Sekunde lang über die Aussicht schweigen, dich als potenziellen Schwiegersohn zu bekommen? Den großen Immobilien-Magnaten Nicandro Carvalho? Mein Vater hat mir davon erzählt. Ich habe ihm erklärt, dass Goldsmith sich lediglich etwas vormacht. So ist es doch, oder?“

Nic unterdrückte ein ungeduldiges Seufzen. Dieses Thema war nun wirklich das letzte, über das er im Augenblick diskutieren wollte. Dummerweise war es gerade sein Schweigen, das Narcisos Argwohn weckte. Sein Freund runzelte die Stirn.

„Jetzt erzähl mir nicht, dass du tatsächlich in Erwägung ziehst, Eloisa Goldsmith zu heiraten“, sagte er fassungslos.

Nein. Vielleicht. „Ich denke darüber nach.“

„Das kann nicht dein Ernst sein, Nic!“

„Sei leise!“, knurrte er und bedachte seinen Freund mit einem vernichtenden Blick. „Nur weil du dich von Gefühlen und fantastischem Sex hast blenden lassen, bedeutet das nicht, dass ich ebenfalls mein Todesurteil unterzeichnen werde. Eine Vernunftehe ist perfekt für mich.“

„Du bist genauso abgestumpft, wie ich es früher gewesen bin. Aber warte nur, auch du wirst noch die Richtige treffen.“

„Sollte das je geschehen, fresse ich einen Besen.“

Narciso schüttelte den Kopf. „Eloisa Goldsmith – du bist ja verrückt!“

„Was ich wirklich bin, ist spät dran für ein Rendezvous.“ Er schüttete den letzten Rest seines Drinks hinunter und stand auf.

Doch Narciso war noch nicht fertig mit ihm. „Warum solltest du darüber auch nur nachdenken? Eloisa ist ein graues Mäuschen, das dich noch vor Ablauf einer Woche zu Tode langweilen würde.“

Damit traf sein Freund ziemlich genau den Nagel auf den Kopf. Er würde sich vielleicht niemals in Eloisa Goldsmith verlieben, aber er hätte eine liebenswürdige, freundliche und herzensgute Frau als zukünftige Mutter seiner Kinder.

Was das Warum betraf – es gab nur einen Grund, weshalb Nic mit neunundzwanzig Jahren diesen Weg einschlagen wollte.

Sein großes Ziel.

Santos Diamonds.

Das Familienunternehmen, das über Generationen gewachsen war und das Goldsmith nur an Nic weitervererben würde, wenn dieser seine Tochter heiratete. Die Aussicht erfüllte ihn nicht gerade mit Begeisterung, aber er wollte diesen Schritt zumindest erwägen, während er den Sturm heraufbeschwor, der Zeus zerstören sollte. Und wenn er es nur tat, damit sein Großvater noch miterleben konnte, wie Santos Diamonds wieder an seinen rechtmäßigen Besitzer zurückfiel.

Es war das Mindeste, was er für den alten Mann tun konnte.

„Ich werde zufrieden sein“, sagte er. „Wenn du mich jetzt entschuldigen würdest? Ich habe eine Verabredung, die für mich reizvoller ist als du, Narciso.“

So reizvoll, wie nur die ultimative Vergeltung sein konnte.

Privat. Kein Zutritt.

Nic spürte, wie sein Puls sich beschleunigte. Er fuhr mit seiner Keykarte über den Hochsicherheitssensor. Während er nur ungern an seine frühen Tage in New York zurückdachte, die er auf den Straßen Brooklyns zugebracht hatte, waren die dort erlernten Fähigkeiten doch nicht selten von Vorteil. Einige der zwielichtigen Gestalten, deren Wege er gekreuzt hatte, waren ihm nützliche Lehrer gewesen.

Trotzdem hämmerte ihm das Herz nun bis zum Hals, als er den gestohlenen Fingerabdruck benutzte, um die letzte Sicherheitsschranke zu überwinden. Das kleine Lämpchen über dem Keypad leuchtete grün auf, die Tür öffnete sich, und im nächsten Augenblick stand er im Inneren von Zeus’ Allerheiligstem.

Der lang gestreckte, schwach beleuchtete Korridor war im Grunde eine Fortsetzung des Hotelflurs. Die gleichen weißen mit Stuck verzierten Wände. Das gleiche fein gearbeitete Mosaik auf dem Boden. Doch hier, in Zeus’ Unterschlupf, wirkten die Farben tiefer, sinnlicher: warmes Bernstein, Bronze und matt schimmerndes Gold.

Am anderen Ende des Korridors nahmen breite, reich mit Schnitzereien verzierte Flügeltüren die halbe Wand ein. Als er sich ihnen näherte, hörte er ein leises Murmeln. Wenn er sich nicht sehr täuschte, hatte da gerade jemand einen unerfreulichen Traum. Und dieser Jemand war ganz eindeutig weiblich.

Geliebte? Ehefrau? So wie er Zeus einschätzte, nannte dieser Mistkerl vermutlich gleich einen ganzen Harem sein Eigen!

Vorsichtig legte Nic die Hand auf den goldenen Türgriff und grinste, als dieser sich mit leichtem Druck hinunterdrücken ließ. Das war schon beinahe zu einfach.

Er trat durch die Tür und unterdrückte ein beeindrucktes Pfeifen, als er die Opulenz seiner Umgebung in sich aufnahm. Die Wände waren in einem warmen Ockerton gehalten, und hintergründig beleuchtete Ornamentschirme vor den Fenstern verliehen dem Raum einen goldenen Schein. Ein schwerer Weihrauchgeruch lag in der Luft, der gleichzeitig das Atmen erschwerte und sein Blut zum Kochen brachte.

Sein Blick wanderte zum Bett, das auf einem erhöhten Podest stand. Die Ausmaße waren riesig. Die gesamte Konstruktion wurde von einem Baldachin aus feinster goldener Seide überspannt. Schwere Vorhänge umschlossen es von allen Seiten, doch im unteren Bereich klaffte der Stoff ein wenig auseinander.

Eine eindeutige Einladung, einen kurzen Blick zu riskieren, wie er fand.

Nic zog seine Schuhe an der Tür aus und trat auf Socken in den Raum. Sein Herz hämmerte in der Gewissheit, sich an einem Ort aufzuhalten, an dem er nichts zu suchen hatte. Ein Teil von ihm hoffte, ein anderer Teil fürchtete, dass man ihn erwischte.

Das grelle Licht eines Blitzschlags zuckte durch den Raum, gefolgt von grollendem Donner. Er atmete tief durch und versuchte seinen rasenden Puls zu beruhigen.

Üppige Kissen und Lagen von golden und weiß schimmernder Seide umhüllten die Umrisse einer Frau, deren Gesicht im Schatten lag.

Er betrachtete sie, wartete, bis er ganz sicher sein konnte, dass sie noch immer tief und fest schlief. Ein nervöser Schauer durchrieselte ihn wie winzige elektrische Nadelstiche, die seine Haut prickeln ließen und die feinen Härchen in seinem Nacken aufstellten. Er glaubte nicht an Gespenster und ähnlichen Unsinn. Ansonsten hätte er wohl angenommen, dass die Geister seiner Vorfahren versuchten, ihm auf diese Weise nahezulegen, so schnell wie möglich das Weite zu suchen.

Als ob …

Nic schüttelte die merkwürdige Starre ab, die von ihm Besitz ergriffen hatte, und durchstreifte weiter die palastartige Suite. Alles war von exquisiter Qualität. Weiche schokoladenfarbene Sofas, schwere kupferfarbene Vorhänge und große Blumenkübel. Mit Schnitzereien versehene Möbel aus dunklem Holz und kostbare Orientteppiche.

Und dann – endlich – stieß er im letzten Raum auf das, wonach er die ganze Zeit gesucht hatte: einen gewaltigen Schreibtisch, auf dem ein heilloses Durcheinander von Unterlagen und Papieren herrschte.

Nic hielt den Atem an. Hoffnung keimte in ihm auf. Gleichzeitig verspürte er aber auch Angst. Nicht davor, erwischt zu werden. Nein, ganz und gar nicht. Er fürchtete vielmehr, hier nicht das vorzufinden, das er so dringend benötigte. Etwas, mit dem er Zeus zur Strecke bringen konnte.

Oder besser gesagt, Antonio Merisi.

Nic hatte Merisi in den vergangenen Jahren nachgejagt wie einem Phantom. Manchmal war es ihm so vorgekommen, als steckte hinter dem Namen gar kein Mensch aus Fleisch und Blut. Doch Nic besaß Freunde sowohl in hohen Positionen als auch auf der Straße – und diese konnten ihm alles beschaffen, solange der Preis stimmte.

Trotzdem hatte es all seine Geduld erfordert, nach und nach die verschiedenen Geschäftszweige ausfindig zu machen, in die Merisi außer Q Virtus noch verstrickt war. Vor allem, weil der Mann sich ständig hinter Tarnnamen und Pseudonymen verbarg. Doch schon nach ein paar Wochen hatte Nic die ersten Verbindungen aufgetan, und der Stein war ins Rollen gekommen. Es gelang ihm, Merisi ein paar empfindliche finanzielle Stiche und seinem Ruf einige Kratzer zu versetzen.

Mal sehen, wie es ihm gefällt, sein Imperium in Trümmern zu sehen! Nic konnte gar nicht erwarten, es wie ein Kartenhaus in sich zusammenstürzen zu lassen. Wenn es nach ihm ging, sollte der Mann, der für den Tod seiner Eltern verantwortlich war, in der Hölle verrotten.

Er trat hinter den Schreibtisch und bemühte sich, die in ihm hochkochende Wut im Zaum zu halten und sich auf seine Aufgabe zu konzentrieren. Die oberste Mappe auf dem Stapel enthielt Unterlagen der Merpia Inc. – eines der größten Warenhandelshäuser der Welt. Danach folgten Papiere von Eros International – einer Firma, die er aufgrund des Namens bereits in Zusammenhang mit Merisi gebracht hatte. Offenbar besaß der Mann ein Faible für die griechische Mythologie. Außerdem war sein Name am Rande in einem Exposé des Unternehmens aufgetaucht. Entsprechend hatte Nic den Aktienmarkt vor zwei Wochen mit einigen Gerüchten in Aufregung versetzt.

Damit stand es jetzt eins zu null für ihn.

Er sah die Akte interessiert durch, dann blätterte er weiter. Ophion-Greek Shipping. Rockman Oil.

O Deus! Das waren Multimilliarden-Dollar-Unternehmen. Jedes einzelne von ihnen. Merisi war nicht nur wohlhabend, sondern vermutlich einer der reichsten Männer der Welt. Die Löcher, die Nic in sein Finanzpolster gerissen hatte, waren kaum mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein.

Er kämpfte gegen eine Woge der Entmutigung an, die über ihn hinwegrollte, als er plötzlich eine Akte bemerkte, deren Aufschrift seine Aufmerksamkeit erregte.

Carvalho?

Er streckte die Hand danach aus, erstarrte aber im nächsten Augenblick, als eine wütende, eindeutig weibliche Stimme hinter ihm donnerte: „Das würde ich an Ihrer Stelle lieber sein lassen. Nehmen Sie die Hände hoch, und treten Sie vom Tisch zurück. Ich warne Sie, eine falsche Bewegung, und Sie werden es bitter bereuen.“

Verdammt! Gerade jetzt, wo die Dinge interessant zu werden begannen …

„Aber, aber, querida“, sagte er und machte Anstalten, sich umzudrehen. „Wir wollen uns doch nicht streiten …“

Das Klicken des Sicherheitsbolzens eines Revolvers ließ ihn abrupt in seiner Bewegung innehalten. Ihm war, als würde das Geräusch ihn mit einem Schlag dreizehn Jahre in die Vergangenheit zurückschleudern. Unwillkürlich versteifte er sich, so als würde er nur auf den Schuss warten – und auf den Schmerz, wenn die Kugel sein Rückgrat durchschlug.

An jenem Tag waren all seine Träume in Flammen aufgegangen.

Ebenso das Leben, wie er es bis dahin gekannt hatte …

„Rühren Sie sich nicht von der Stelle, verstanden? Ich wiederhole mich nur sehr ungern.“

Ihr dominanter Tonfall ließ einen Schauer durch seinen Körper rieseln.

„Wie Sie wünschen“, entgegnete er, wobei er seiner Stimme eine tiefe, verführerische Klangfarbe verlieh. „Obwohl ich dieses Treffen viel lieber von Angesicht zu Angesicht mit Ihnen weiterführen würde. Umso mehr, wenn Sie genauso schön sind, wie Ihre Stimme es vermuten lässt.“

Vielleicht war es das fast unhörbare Schnauben, vielleicht aber auch das ungeduldige Tippen eines Pfennigabsatzes, jedenfalls hätte Nic schwören können, dass sie gerade die Augen verdreht hatte.

„Wer sind Sie, und wie sind Sie in meine Suite gelangt?“

Auf einmal wurde ihm klar, wie lächerlich die ganze Situation war. Ließ er sich gerade tatsächlich von einer Frau übervorteilen?

Er hob eine Braue. „Ich drehe mich jetzt um, und dann unterhalten wir uns wie zwei erwachsene Men…“

Ein Zischen, gefolgt von einem hohlen Plopp, brachte Nic abermals schlagartig zum Schweigen. Er brauchte das Loch in dem Ölgemälde eines Wolfes, keine anderthalb Meter entfernt, gar nicht zu sehen. Das Geräusch einer Kugel, die mit Schalldämpfer abgeschossen wurde, war einfach unverkennbar.

„Sie sind eine gute Schützin, querida.“

Er fragte sich allerdings, warum sie ihn davon abhielt, sich umzudrehen und sie anzusehen.

„Die beste“, entgegnete sie kühl. „Und nun, wo ich hoffentlich Ihre ungeteilte Aufmerksamkeit besitze, sagen Sie mir, dass Sie vernünftig sein werden.“

Nic wurde das Gefühl nicht los, dass er diese Auseinandersetzung nicht gewinnen würde. Und dann diese Stimme … O Deus, die Frau könnte ihm die Zutatenliste eines Soßenwürfels vorlesen, und es würde sein Blut vermutlich trotzdem zum Brodeln bringen.

„Ich werde von nun an mein bestes Benehmen an den Tag legen. Großes Pfadfinderehrenwort.“

Nicht dass er je einer gewesen wäre. Der Vorschlag allein hatte seine Mutter empört eine ihrer perfekt gezupften Augenbrauen heben lassen. Ihre genauen Worte waren gewesen, dass sie ihn, ehe es dazu kam, lieber auf eine Pokerrunde mit in den Country Club nehmen würde.

Er ignorierte die Wehmut, die ihn beim Gedanken an sie stets überfiel, und bemühte sich um einen unbekümmerten Tonfall, als er sagte: „Wenn es Ihnen nur darum geht, meine Kooperation sicherzustellen – ich wäre dem gegenüber sehr viel aufgeschlossener, wenn Sie keine Waffe auf mich richten würden.“

„Es spricht nicht gerade für Sie, dass Ihnen das Geräusch einer geladenen Pistole so vertraut ist. Warum nur überrascht mich das nicht?“

„Ich schätze, ich bin einfach der Typ dafür.“

„Dann sind Sie also ein Dieb? Oder ein Krimineller? Oder einfach nur verrückt?“

O Deus! Warum bezeichnete ihn heute bloß jeder als verrückt? „Ich würde mich eher als missverstanden bezeichnen. Oder vielleicht bin ich einfach nur rätselhaft, so wie Ihr Liebhaber. Oder ist er Ihr Boss?“

„Mein … Boss?“, echote sie. In ihrer Stimme schwang eine Überheblichkeit mit, die deutlich machte, dass diese Frau sich niemals einem Mann unterordnen würde.

Er widerstand dem Drang, die Augen zu verdrehen. „Okay, dann also doch Liebhaber.“

Sie wissen ja nicht, was Sie da reden. Apropos – von wem sprechen Sie eigentlich? Wer soll mein Boss sein?“

„Zeus natürlich. Wer sonst?“

Autor

Victoria Parker
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