Alles andere als unschuldig

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„Ich träume Tag und Nacht von dir.” Seit Devin ihr diese sexy SMS geschickt hat, denkt Calla pausenlos an ihn. Nur warum meldet er sich jetzt nicht mehr?


  • Erscheinungstag 29.10.2020
  • ISBN / Artikelnummer 9783751504058
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Ich träume Tag und Nacht von dir.

Diese SMS hatte Calla bereits vor etwa einem Monat bekommen, aber sie brachte es nicht übers Herz, sie zu löschen. Hatte Detective Devin Antonio das wirklich ernst gemeint? Wenn ja, hatte er die SMS sicher aus Versehen an sie geschickt. Sie war bestimmt für jemand anderen gedacht gewesen.

Denn als Calla ihn ein paar Tage später darauf angesprochen hatte, hatte er so getan, als wisse er nicht, wovon sie sprach.

Trotzdem hatte sie sich jetzt frühzeitig von der Hochzeit ihrer besten Freundin verabschiedet, weil Devin nicht, wie versprochen, gekommen war. Sie saß in einem Taxi und klapperte einen Ort nach dem anderen auf der Suche nach ihm ab, denn es war so gar nicht seine Art, nicht zu erscheinen. Sie machte sich Sorgen um ihn.

„Soll ich wieder auf Sie warten?“, fragte der Taxifahrer, als er vor der Polizeiwache hielt.

Ein Blick auf den Taxameter genügte. Diese Aktion würde Calla ein Vermögen kosten! „Nein, danke. Das ist vermutlich mein letzter Halt“, erwiderte sie schnell und reichte dem Fahrer ein paar Geldscheine.

Sie hatte bereits mehrmals versucht, Devin anzurufen, mehrere SMS geschickt, und bei ihm zu Hause hatte sie auch schon nachgesehen. Sogar in Paddy’s Bar, seiner Lieblingskneipe, hatte sie angerufen. Die Polizeiwache war ihre letzte Hoffnung.

Einige Leute starrten sie an, als sie in ihrem dunkelblauen Brautjungfernkleid mit den weißen Blümchen im Haar aus dem Taxi stieg. Sie hörte sogar zwei bewundernde Pfiffe.

Nachdem die Eingangstür zur Polizeiwache hinter ihr zugefallen war, wandte sich Calla an die gelangweilte Schalterbeamtin in dem kleinen schäbigen Vorraum. „Ich möchte zu Detective Antonio, bitte.“

Die Frau tippte etwas in den Computer ein und verkündete: „Antonio hat heute frei.“

Devin hatte ihr versprochen, sich den Tag freizunehmen. Calla hatte gehofft, dass eine luxuriöse romantische Hochzeit ihn dazu bewegen würde, endlich den ersten Schritt zu tun.

„Was ist mit Lieutenant Meyer?“, fragte sie die Beamtin, worauf diese sie mit hochgezogenen Augenbrauen musterte.

„Haben Sie einen Termin?“

„Nein, aber er ist ein guter Freund von mir“, erwiderte Calla lächelnd und zog ein Stück Torte aus ihrer Tasche, das sie notdürftig in eine Plastiktüte gepackt hatte. Eigentlich hatte sie es Devin mitbringen wollen. „Eine gemeinsame Freundin von uns hat heute geheiratet, da dachte ich, ich bringe ihm ein Stück Torte vorbei.“

Die Frau sah sie aus zusammengekniffenen Augen finster an. Calla wunderte sich nicht über diese argwöhnische Reaktion, denn sie lebte bereits seit sechs Jahren in New York. Ursprünglich stammte sie aus Texas, da waren die Leute viel offener und freundlicher.

„Was ist das für eine Farbe?“, wollte die Beamtin plötzlich wissen.

Calla sah auf das Stück Torte in ihrer Hand. „Meine Freundin Shelby hat darauf bestanden, ihre Hochzeitstorte selbst zu backen. Die Rosen hätten blau sein sollen, sind aber wohl …“

„Ich meine Ihr Haar“, unterbrach die Beamtin sie unwirsch.

„Oh, das ist goldblond mit champagnerfarbenen Strähnchen.“ Mit leiser Stimme fuhr sie fort: „Der Stylist heißt Kirk und arbeitet bei Tangles im West Village. Richten Sie ihm einen Gruß von mir aus, dann kriegen Sie bestimmt Prozente.“

„Super.“

Einen Moment später summte der Türöffner der Tür, die in das Innere der Wache führte.

Ha, das hatte gewirkt! In dieser Stadt musste man sich einfach zu helfen wissen. Beziehungen gingen in New York über alles.

Calla fühlte sich zuversichtlicher, als sie den Flur zu Devins Dienstzimmer entlangging. Ein paar Mal war sie schon hier gewesen, deshalb wusste sie auch, wo sich das Büro von Lieutenant Meyer befand. Devin hatte nur mit den Achseln gezuckt, als Calla ihn gefragt hatte, was sein Boss für ein Mensch war. Aber so war er nun einmal, und sie hatte gespürt, dass er gern für diesen Mann arbeitete.

„Herein!“, rief eine laute Stimme, nachdem Calla zaghaft an die Tür von Devins Vorgesetztem geklopft hatte.

Das Büro war ziemlich klein. Hinter dem großen Schreibtisch saß ein etwa fünfzigjähriger Mann. Er musterte sie von oben bis unten. „Kann ich Ihnen helfen?“

„Ich suche Detective Antonio.“

„Der ist nicht hier.“

„Das hat die Dame am Eingang mir bereits gesagt. Ich hatte gehofft, dass Sie vielleicht wissen, wo er ist. Er hat versprochen, zur Hochzeit meiner Freundin zu kommen, ist aber nicht aufgetaucht. Zu Hause ist er nicht, und ans Telefon geht er auch nicht. Ich mache mir Sorgen.“

„Antonio kommt allein zurecht.“

„Bestimmt. Darf ich mich kurz setzen?“ Ohne eine Antwort abzuwarten, ließ sie sich in den Stuhl vor dem Schreibtisch fallen.

„Sind Sie seine Freundin?“

Na ja, die wäre ich gern … „Nein, nur eine Freundin.“

„Ich dachte immer, Antonio wäre ein schlauer Kerl. Aber leider musste ich ihn heute vorübergehend suspendieren.“

Calla spürte, wie alle Farbe aus ihrem Gesicht wich. „Wann genau?“

„Vor ein paar Stunden.“

Deshalb war er also nicht aufgetaucht. Aber er hätte sie doch anrufen können! Vielleicht hätte sie ihm ja irgendwie helfen können.

„Aus welchem Grund?“, stieß sie stammelnd hervor.

„Tut mir leid, aber das darf ich Ihnen nicht sagen.“

„Hat er großen Ärger?“

„Ja.“

„Könnte er deswegen seinen Job verlieren?“

„Die Gefahr besteht durchaus.“

Obwohl Devin recht verschwiegen war, was seine Gefühle, sein Privatleben und seine Vergangenheit betraf, wusste Calla doch, dass ihm seine Arbeit viel bedeutete.

„Aber er ist doch ein toller Polizist.“

„Finde ich auch.“

„Warum haben Sie ihn …“ Der Lieutenant schüttelte nur den Kopf. Von ihm würde sie ganz sicher nichts erfahren.

„Haben Sie eine Ahnung, wo ich ihn finden könnte?“

„Versuchen Sie es bei Paddy’s.“

„Da war ich bereits.“

„Oder im O’Leary’s Pub. Das liegt zwei Blocks östlich von hier.“

Nachdem Calla sich verabschiedet hatte, machte sie sich auf den Weg zum Pub. Sie trug zwar hohe Absätze, beschloss aber trotzdem, zu Fuß zu gehen.

Obwohl sie bereits bei unzähligen Modelshows aufgetreten war und es in New York zu etwas gebracht hatte, war ihr mulmig zumute bei der Vorstellung, dass sie Devin gleich gegenüberstehen würde. Warum nur?

Vielleicht weil sie wusste, dass er schon einmal suspendiert worden war. Weil Devin nicht näher darauf eingegangen war, als er ihr davon erzählte, hatte sie im Netz recherchiert. Allerdings hatte sie nicht viel darüber herausgefunden und auch nicht bei ihm nachgebohrt, was recht untypisch für sie war.

Fast wäre sie am O’Leary’s vorbeigegangen, denn die alte Eichentür, die in das Lokal führte, war völlig unscheinbar. Über der Tür hing ein Holzschild, auf dem etwas in Gälisch geschrieben stand. Zu gern hätte sie gewusst, was das hieß.

Calla öffnete die Tür und trat in den kleinen dunklen Schankraum ein. Sofort drehten sich alle Gäste zu ihr um und starrten sie wortlos an.

Oje, vor lauter Sorge um Devin hatte sie ganz ihr Brautjungfernkleid vergessen. Hocherhobenen Hauptes schritt sie durch den düsteren Raum und wünschte, sie hätte eine Taschenlampe mitgenommen. Denn der Kamin an der hinteren Wand der Kneipe beleuchtete den Raum nur spärlich. Der Holzboden war uneben und knarzte unter ihren Schritten. Calla musste aufpassen, wo sie hintrat, um nicht zu stolpern.

„Ist Antonio hier?“, fragte sie den Barkeeper.

Wortlos deutete er in die hintere Ecke des Raums.

Als sie sich umdrehte, erkannte sie Devin, der allein über ein Glas gebeugt an einem der Tische saß. Mit den Fingern strich er sanft über den Rand des Glases.

Callas Herz zog sich zusammen, als sie auf seine Hände blickte. Sie wünschte sich nichts sehnlicher, als dass er mit diesen Händen über ihre Haut streicheln würde.

Mit wenigen Schritten war sie bei ihm, und er sah zu ihr auf. Seine grünen Augen, die im Feuerschein einen starken Kontrast zu seiner gebräunten Haut bildeten, schienen sie zu durchbohren.

Oje, was wollte sie eigentlich hier? Er war verletzt worden und wollte allein sein. Warum wollte sie ihm unbedingt helfen? Er hatte ihr schließlich in den letzten Wochen wenig Hoffnung gemacht. Na gut, er war ihr und ihren Freundinnen zu Hilfe geeilt und hatte sie ein paar Mal sehnsüchtig angeschaut. Aber das war auch schon alles gewesen.

Doch es gelang Calla einfach nicht, die SMS zu vergessen. War sie für sie gewesen oder für jemand anderen?

Als er nach ihrem Handgelenk griff und sie auf die Bank neben sich zog, lief ihr ein Schauer über den Rücken. Vielleicht würde er jetzt ja endlich seinem Verlangen nachgeben und sie …

„Bist du ein Engel?“, fragte er mit schwerer Zunge, ehe er sie an sich zog und auf den Hals küsste.

Na, super! Er war total besoffen. Wieder nichts.

„Ich bin’s, Calla“, erklärte sie mit fester Stimme und wich vor ihm zurück. Als er sie weiterhin verständnislos ansah, schluckte sie ihren Stolz hinunter und fügte hinzu: „Calla Tucker.“

„Calla“, murmelte Devin leise. Sie hatte das Gefühl, allein von seinem Atem einen Rausch zu bekommen. „Ich habe dich vermisst.“

„Träumst du manchmal von mir?“ Sie konnte sich die Frage nicht verkneifen.

„Immer.“

Sein Mund wanderte über ihre Wange zu ihren Lippen, und sie schloss die Augen. Sanft schob er seine Zunge in ihren Mund und küsste sie hingebungsvoll.

Einen Moment lang genoss Calla dieses unbeschreiblich schöne Gefühl. Dann richtete sie sich abrupt auf. Sie wollte mehr von ihm – aber nicht so. Schnell stand sie auf. Devin sah sie aus vernebelten Augen an. Sie musste ihn unbedingt hier rausschaffen.

„Ich komme von Shelbys und Trevors Hochzeit. Erinnerst du dich daran? Du wolltest eigentlich auch kommen.“

„Ja, sie ist nett und kann gut kochen. Ich war im Krankenhaus. Tut mir leid.“

Ihr Magen krampfte sich zusammen. „Im Krankenhaus?“ Nun war sie es, die ihn verständnislos anstarrte.

„Gestern Nacht.“ Er legte den Kopf zur Seite und schien nachzudenken. „Vielleicht war es auch heute Morgen.“

„Was ist passiert? Bist du verletzt?“ Sie betrachtete ihn von oben bis unten, konnte aber keine Verletzung entdecken.

Devin drehte sich um. Hinten am Kopf trug er ein großes Pflaster. „Zusammengeschlagen.“

„Wann denn?“

„Letzte Nacht.“ Wieder neigte er den Kopf zur Seite, als ob es ihn enorme Anstrengung kosten würde, sich zu erinnern. „Vielleicht war es auch heute Morgen.“

Calla war sich ganz sicher, dass ein Mann, der am Kopf verletzt war, mindestens vierundzwanzig Stunden lang keinen Alkohol trinken sollte. Bevor er noch einen weiteren Schluck aus seinem Glas nehmen konnte, stellte sie es auf den Nebentisch und packte ihn bei der Hand. „Du solltest zu Hause im Bett sein und nicht hier.“

„Im Bett?“ Er grinste. „Wenn du meinst …“

Ihr Verstand kämpfte gegen ihre Lust an. Sie sollte ihn zurückweisen, doch gleichzeitig wollte sie ihn trösten. Er hatte öfter mal ein Glas Bier oder einen Whiskey getrunken. Aber nie zuvor hatte sie ihn so außer Kontrolle erlebt. So verzweifelt.

„Im Bett, um zu schlafen“, erklärte sie. „Du musst dich ausruhen.“

„Ich ruhe mich aus, wenn ich tot bin“, gab Devin ihr lallend zu verstehen.

„Na, bis dahin dauert es noch eine Weile.“ Sie packte ihn am Ellbogen und führte ihn zur Bar. „Wir brauchen ein Taxi“, bat sie den Barkeeper.

Es schien ihm nicht zu gefallen, dass eine Frau in seiner Kneipe über einen Mann bestimmte. „Dem geht’s doch gut“, meinte er, nachdem er kurz zu Devin hinübergesehen hatte.

„Ich möchte …“ Devins Kopf fiel nach vorn. Wenn Calla ihn nicht festgehalten hätte, wäre er spätestens jetzt zu Boden gesunken.

„Klar geht’s ihm gut“, stieß sie hervor. Es war schwer, ihn aufrecht zu halten. „Andererseits kenne ich einen guten Anwalt, der bestimmt …“

Mehr brauchte sie nicht zu sagen. Der Barkeeper griff prompt nach dem Telefonhörer und wählte eine Nummer. „Das Taxi kommt gleich“, brummte er ungehalten, als er kurz danach wieder auflegte.

„Super, danke. Aber ich brauche jemand, der mir hilft, ihn zur Tür zu bringen.“ Sie schenkte ihm ihr Modellächeln. „Wären Sie so nett, mir zu helfen?“

Seufzend ging er um die Theke herum und legte sich Devins Arm über die Schulter. Zusammen schleppten sie ihn zur Tür.

Devin sah mit verschwommenem Blick von Calla zum Barkeeper. „Süße, du bist echt eine heiße Nummer, aber einen Dreier mit dem mache ich nicht mit.“

Draußen wartete bereits ein Taxi. Mithilfe des Barkeepers schaffte Calla es, Devin hineinzuhieven. Dann zog sie einen Zwanzigdollarschein aus ihrer Handtasche und hielt ihn dem Barmann hin.

„Seine Rechnung beträgt aber fünfzig Dollar“, knurrte dieser.

„Klar doch.“ Calla war nicht nach Streiten zumute. Deshalb griff sie nochmals in ihre Handtasche und brachte zwei weitere Zwanzigdollarscheine zum Vorschein, die sie dem Barkeeper in die Hand drückte, bevor dieser wieder im Pub verschwand.

Hoffentlich nimmt der Taxifahrer Kreditkarten, dachte sie, als sie sich neben Devin auf den Rücksitz fallen ließ.

„Ich wohne auf der West 22nd Street“, murmelte er, bevor er seinen Kopf auf ihren Schoß legte. „In der Nähe des Museums.“

„Das weiß ich doch.“ Nachdem sie dem Taxifahrer die genaue Adresse genannt hatte, lehnte sie sich zurück und begann, sein seidenweiches Haar zu streicheln. „Wie kannst du es dir bei deinem Polizistengehalt überhaupt leisten, dort zu wohnen?“

„Mein Vermieter vergibt die Wohnung billiger an Polizisten.“ Seine Hand wanderte an ihrem Kleid hinunter. „Wie lang ist dieses Ding eigentlich?“ Im selben Moment spürte sie, wie er den Saum des Kleids hob und wie seine Hand unter dem Stoff nach oben glitt.

Einerseits freute sich Calla, dass ihre Wünsche offensichtlich in Erfüllung zu gehen schienen. Andererseits wollte sie das nicht erleben, wenn Devin betrunken war. Behutsam schob sie seine Hand weg.

Wie sollte sie ihn überhaupt vom Taxi in den Aufzug bringen? Er wohnte zwar in einer guten Gegend, aber in seinem Gebäude gab es keinen Portier. Außerdem hatte sie nicht mehr genug Bargeld, um den Taxifahrer dazu zu bewegen, ihr zu helfen.

Sollte sie ihre Freunde anrufen? Aber das Brautpaar war bestimmt bereits auf seiner Hochzeitsreise in die Schweiz, und Victoria und Jared waren sicher dabei, sich allein zu vergnügen. Mist!

Kurzentschlossen bat sie den Taxifahrer, zu ihr nach Hause zu fahren. Dort würde ihr bestimmt ein Nachbar helfen können.

„Zu dir?“, fragte Devin verwundert. „Wie groß ist dein Bett denn?“

„Groß genug.“

Wieder hatte er seine Hand unter ihr Kleid geschoben. Calla spürte seine Fingerspitzen auf ihrer nackten Haut. „Hey, Detective, wir kennen uns doch kaum. Lass uns zuerst mal ein paar Ordnungswidrigkeiten begehen, bevor wir zu den Verbrechen übergehen“, sagte sie.

„Calla, ich kenne dich“, flüsterte er.

Sie schloss die Augen und schluckte. Wie lange hatte sie davon geträumt, dass er sie berühren würde?

„Ich habe bereits eine Körperverletzung begangen“, murmelte Devin leise.

„Du hast was?“

Er begann, ihren Oberschenkel zu streicheln. „Ich bin froh, dass du den anderen Kerl nicht mitgenommen hast. Jetzt können wir beide unseren Spaß haben.“

„Was meinst du mit Körperverletzung?“, fragte Calla, ohne auf seinen Kommentar einzugehen.

„So ein Mistkerl! Ich habe nicht ihn geschlagen, sondern er mich. Der darf auch nicht mit uns ins Bett.“

Beruhigend strich sie ihm über den Rücken. „Das weiß ich doch. Erzähl mir von der Sache mit dem Typen, der dich geschlagen hat.“

„Ist blöd ausgegangen.“

„Was?“

„Die Yankees haben verloren. Hat mich zwanzig Mäuse gekostet, dass ich auf diese Penner gewettet habe.“

„Devin, bitte“, Calla nahm seine Hand, die schon wieder in Richtung ihres Schoßes gewandert war. „Konzentrier dich! Wer hat dich geschlagen?“

„Jemand hat mich geschlagen?“ Er hob den Kopf und lehnte ihn an ihre Brust. „Die Yankees bringen’s nicht. Die brauchen ein GPS, um den Ball zu finden. Sei doch mal ein bisschen lieb zu mir.“

Das führte zu nichts. Mit Betrunkenen konnte man nicht reden. Irgendwie musste sie ihn nach Hause und ins Bett schaffen.

2. KAPITEL

Devin drehte sich zur Seite. Sein Kopf hämmerte, sein Mund war trocken und fühlte sich pelzig an. Alles tat ihm weh.

„Eigentlich sollte ich tot sein“, stöhnte er leise.

Plötzlich stieg ihm Callas Duft in die Nase. Ihr wohliger Geruch umgab ihn, und das hatte etwas Tröstendes. Vielleicht gab es ja doch noch etwas, wofür zu leben es sich lohnte.

Er konnte sich nur bruchstückhaft an den letzten Abend erinnern. Gespräche, flotte Dreier und Schläge kamen ihm in den Sinn und wie er sie geküsst und seine Hand unter ihr Kleid geschoben hatte.

Am liebsten wäre er vor lauter Scham im Erdboden versunken.

Bitte, lieber Gott, mach, dass das alles nicht wirklich passiert ist.

Das Zimmer war dunkel, nur unter der Tür kam ein wenig Licht durch. Moment mal! Das war nicht sein Schlafzimmer und ganz sicher auch nicht sein Bett. Er lag unter einer rosa-weiß geblümten Decke. Und herrje, er war ja nackt!

Oh, nein. Bitte nicht!

Sofort meldete sich sein schlechtes Gewissen. Er hatte doch wohl hoffentlich nicht mit ihr geschlafen! Aber selbst er würde sie nicht auf diese Weise ausnutzen, da war er sich ziemlich sicher.

Unruhig setzte er sich auf. Er konnte unmöglich länger liegen bleiben. Jede Bewegung löste eine Welle der Übelkeit und enorme Kopfschmerzen in ihm aus. Doch er biss die Zähne zusammen und stand auf. Während er noch überlegte, wo seine Klamotten wohl waren, sah er sie auf der Kommode liegen – fein säuberlich gefaltet.

Was hatte das zu bedeuten?

Er stolperte ins Badezimmer, wusch sich das Gesicht mit kaltem Wasser und spülte den Mund aus. Schnell zog er sich an. Als er die Tür zum Schlafzimmer einen Spaltbreit öffnete, wehte ihm der Geruch von Speck entgegen. Überraschenderweise begann sein Magen zu knurren. Vielleicht konnte er den Tag ja irgendwie überstehen, wenn er Speck essen, eine Kanne Kaffee trinken und zehn Aspirin nehmen würde.

Er ging durchs Wohnzimmer zur Küchentheke. Calla stand am Herd. Der kurze rosa Bademantel gab den Blick auf ihre schön geformten, braun gebrannten Beine frei. Ihr langes blondes Haar hatte sie lose zu einem Knoten hochgesteckt, was er unglaublich anziehend fand. Aber war nicht alles an ihr erregend?

„Speck?“, stieß er heiser hervor.

Sie lächelte ihn über die Schulter an. „Hab ich also doch Wasser laufen gehört. Du hast aber schnell geduscht.“

„Ich habe nicht geduscht.“

„Warum nicht? Ich hab dir extra frische Seife und ein Herrenshampoo rausgestellt.“

„Ich bin dir doch vermutlich nur im Weg.“

„Nein, überhaupt nicht. Willst du Speck?“ Als er nickte, fügte sie hinzu: „Das Frühstück dauert noch ein bisschen. Du hast genug Zeit zum Duschen.“

„Musst du nicht arbeiten?“

„Es ist Sonntag. Willst du duschen oder mir von gestern Abend erzählen?“

Schwerfällig ging er ins Schlafzimmer zurück. Die heiße Dusche tat gut. Langsam konnte er wieder klarer denken. Erstens, es war offensichtlich nicht zum Sex zwischen Calla und ihm gekommen, was sowohl gut als auch schlecht war.

Zweitens, sein Kopf tat nicht nur weh, weil er zu viel Whiskey getrunken hatte. Irgendwas war an seinem Hinterkopf. Vorsichtig tastete er seinen Kopf ab, bis er auf eine kahlrasierte Stelle stieß, auf der ein Pflaster klebte. Mist! Jemand hatte einen Teil seiner Haare abrasiert. Devin war zwar nicht eitel, aber eine kahle Stelle?

Vage konnte er sich an eine Krankenschwester erinnern, die ihn im Krankenhaus versorgt hatte. Wie es zu der Verletzung gekommen war, wusste er jedoch nicht mehr.

Übermannt von einem plötzlichen Schwächeanfall, lehnte er den Kopf an die geflieste Duschwand. Sein Gedächtnis war völlig vernebelt. Egal, wie krampfhaft er sich zu erinnern versuchte, es fiel ihm nicht ein, warum er ein Pflaster am Kopf hatte. Durfte es überhaupt nass werden? Oder würde er dann womöglich an einer bakteriellen Infektion sterben? Bis das passierte, würde er die Frau, die ihm gerade ein leckeres Frühstück zubereitete, glücklich machen.

Er griff nach dem kleinen Shampoobehälter, den Calla vermutlich aus irgendeinem Hotel mitgenommen hatte. Sein Blick blieb an den größeren Flaschen hängen, und er schnupperte an einer davon. Der süße Duft nach Vanille ließ sein Kopfweh fast augenblicklich verschwinden.

Devin verspürte Sehnsucht nach ihrer Nähe. Seit Monaten hatte sie ihn schon in Versuchung geführt, auch wenn er wusste, dass sie eigentlich nicht zusammenpassten. Sie war zu fröhlich. Er wollte sie nicht in sein mieses Leben und seine beschissene Vergangenheit hineinziehen.

Nachdem er geduscht hatte, zog er sich schnell an und ging in die Küche. Calla hatte recht gehabt, die Dusche hatte gutgetan. Nur sein Gedächtnis war immer noch wie leergefegt. Das könnte ihm zum Verhängnis werden, denn sie ließ nicht locker, wenn sie etwas wissen wollte. So einfach würde sie ihn nicht gehen lassen.

Als er in die Küche kam, häufte sie gerade Rühreier und Speck auf einen Teller.

„Wie nimmst du deinen Kaffee?“

Warum war sie so nett zu ihm? Das hatte er doch gar nicht verdient, nach allem, was er sich gestern Abend geleistet hatte. „Ich trinke ihn schwarz, danke.“

Er ließ sich auf einem der Barhocker an der Küchentheke nieder. Calla reichte ihm einen Becher mit dampfendem Kaffee. Als er den ersten Schluck nahm, trafen sich ihre Blicke. Schnell sah er weg. Sein Leben war schon verstrickt genug. Er musste es nicht mit irgendwelchen verwirrenden Gefühlen, die er für sie empfand, noch komplizierter machen.

Sie setzte sich auf den Hocker neben ihm. „Erzählst du mir von gestern Abend?“

„Nein.“

„Bist du sicher?“

„Sehr sicher.“

Calla schob ihm ein Glas Orangensaft hin. „Das wird dir guttun.“

Devin zuckte nur mit den Schultern und trank das Glas in einem Zug leer. Als er es auf der Theke absetzte, reichte sie ihm ein zweites Glas, dieses Mal mit Tomatensaft gefüllt und mit einer Selleriestange verziert.

Igitt! Er rümpfte die Nase. „Ich mag keinen …“

„Trink es“, unterbrach sie ihn.

Wie so oft in ihrer Gegenwart, tat er, wie sie ihm befahl, ohne auch nur darüber nachzudenken. Überraschenderweise schmeckte der Saft recht lecker, denn sie hatte ihn gut gewürzt. „Mhm, gar nicht schlecht. Du weißt, was bei einem Kater hilft.“

„Iss die Selleriestange!“ Als er ihr widersprechen wollte, kam sie ihm zuvor. „Mach schon!“

Mit zwei Bissen verschlang er das Gemüse und griff schnell zum Speck, ehe sie ihm noch mehr Gesundes andrehen konnte. Schweigend sah sie ihm beim Essen zu.

„Und du?“

„Ich habe vorhin ein Omelett mit Spinat gegessen.“

Was hatte Spinat denn in einem Omelett verloren?

„Du hast eine schöne Wohnung“, bemerkte er, krampfhaft bemüht, sie irgendwie abzulenken, damit sie nicht wieder von dem vergangenen Abend anfing.

„Danke. Ich habe es meinen Siegen bei den Modelwettbewerben zu verdanken, dass ich umsonst aufs College gehen konnte. Meine Eltern haben mir deshalb das Geld, das sie für meine Ausbildung gespart hatten, für meine Wohnung gegeben.“

„Modelwettbewerbe? Du warst die Schönste in deiner Stadt?“ Mit ihrer Figur konnte sie auf jeden Fall viel Geld verdienen, da war sich Devin sicher.

„Nein, eher Miss America.“

Oha. Sie war eine Schönheitskönigin, und er war ein Meisterschütze. Na toll, super Kombination. „Du hast eine ganze Menge Rosen hier in deiner Wohnung.“

„Vergiss es, Devin, du wirst es nicht schaffen, von gestern Abend abzulenken.“

„Einen Versuch war’s wert.“

„Fangen wir mit einer ganz leichten Frage an. Wie ist das mit deinem Kopf passiert?“

Autor

Wendy Etherington
Als kleines Mädchen hatte Wendy Etherington den Wunsch, etwas ganz Großartiges zu werden: z.B. Herrscherin über die Welt oder zumindest Generaldirektorin von Coca-Cola- Doch dann entdeckte sie Romantik und Comedy, und alles kam ganz anders.
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