Lover undercover

– oder –

 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

Leidenschaftlich schmiegt sich Imogen in die starken Arme des maskierten Fremden und küsst ihn! Was man nicht alles tut, um für die Schwester zu spionieren. Doch schockiert stellt sie fest: Es war eine Verwechslung! Der meisterhafte Küsser ist Caleb, ihr Kollege und nebenbei der schärfste Typ von ganz Melbourne. Allerdings hat Caleb Kontakte, durch die er an wichtige Informationen für Imogens Schwester kommen könnte. Sie verabreden einen Deal: Dates gegen Infos. Calebs Recherche dauert und dauert - und auf ein heißes Date folgt noch eines und noch eines …


  • Erscheinungstag 05.12.2019
  • Bandnummer 28
  • ISBN / Artikelnummer 9783745751536
  • Seitenanzahl 180
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Für Taryn.

Danke für die Skype-Gespräche und GIFs,

und dafür, dass du mir immer ein Lächeln ins Gesicht gezaubert hast.

Danke, dass du so eine tolle Freundin bist.

1. KAPITEL

Wenn es nach Imogen Hargrove ginge, könnte sich diese Woche gerne von einem Pier stürzen. Oder ins Weltall fliegen und dort den Helm abnehmen. Wäre sie eine Frau, die zu Flüchen neigen würde, hätte sie vielleicht noch weitere Beschreibungen dafür gefunden, wie sehr sie diese Woche hasste.

Aber sie konnte die Seife, mit der sie sich den Mund auswaschen sollte, schon schmecken, bevor irgendein Schimpfwort den Weg über ihre Zunge fand.

„Einfach atmen“, sagte sie sich, während sie ihren Schreibtisch aufräumte. „Der Tag ist beinahe vorbei.“

Meistens liebte sie ihren Job. Die Referentin des Vorstandsvorsitzenden einer der angesehensten Architektur- und Baufirmen Australiens zu sein, hatte seine Vorteile. Zum Beispiel, dass sie mit einer Gruppe unglaublich talentierter, kluger und leidenschaftlicher Menschen zusammenarbeiten durfte. Ganz zu schweigen von dem personifizierten Aphrodisiakum, das sie jedes Jahr zum Firmenjubiläum zu Gesicht bekam …

Aber der heutige Tag war das Sahnehäubchen auf einem riesigen Stück Pustekuchen. Sie hatte sich nicht nur ihren Cappuccino über die Kleidung geschüttet, sondern auch noch den Beginn des Manager-Meetings verpasst, weil sie hektisch versucht hatte, den Fleck auszuwaschen. Was an sich nicht so schlimm gewesen wäre, wenn dann nicht ihr Erzfeind in den Konferenzraum gerauscht wäre und den Eindruck vermittelt hätte, Imogen wäre vollkommen unorganisiert, indem er die falsche Agenda verteilt hatte. Sie war sich sicher, dass er das mit Absicht getan hatte. Danach – wie ein Zeichen des Universums, dass sie wirklich hätte im Bett bleiben sollen – hatte ihr Chef fünf Minuten vor seiner vierteljährlichen Präsentation vor dem Finanzteam im Rathaus verlangt, dass sie seine gesamten Nachmittagstermine verschob.

Zum Glück war Jason eingesprungen. Imogen unterdrückte ein Lächeln, als sie an den Sohn des Vorstandsvorsitzenden dachte. Abgesehen davon, dass er echt heiß war, wurde er gerade von seinem Vater zum Nachfolger für die Firmenleitung herangezogen. Gut aussehend und ehrgeizig – diese beiden Charakterzüge passten ihrer Meinung nach so perfekt zusammen wie Erdnussbutter und Schokolade. Die Chancen standen gut, dass sie für ihn arbeiten würde. Auf sehr persönlicher Ebene. Die Aussicht auf lange Tage und Nächte gemeinsam im Büro erinnerte sie an eine Szene aus einem der schlüpfrigen Romane, die ihre Freundin Lainey so gern las.

Du könntest auch ein wenig Schlüpfrigkeit in deinem Leben gebrauchen. Du bist nur noch ein schlechtes Date davon entfernt, wieder Jungfrau zu sein.

Puh. Wieso war es ihre Schuld, dass die Dates, die sie in letzter Zeit gehabt hatte, weniger Biss und Knistern gehabt hatten als ihre morgendlichen Cornflakes? Sie hatte versucht, lustig, interessant und süß genug zu sein, um von einem Mann mit ins Bett genommen zu werden … Aber entweder wählte sie immer die falschen Kerle aus, oder sie hatte keine Ahnung, wie man lustig, interessant und süß war.

Mit den Händen strich sie den grauen Bleistiftrock glatt, der ihr bis über die Knie reichte und perfekt zu ihrer Perlenkette passte. Ihre Freundinnen zogen sie immer mit ihrer „begrenzten Farbpalette“ auf, aber Imogen wusste, was ihr stand. Außerdem erleichterten monochrome Farben das morgendliche Anziehen. Und es war ihr wichtig, professionell auszusehen. Sie hatte das Gefühl, dass Jason das zu schätzen wüsste.

„Warum schaust du denn so verträumt, Imogen? Warte, verrate es mir nicht.“ Caleb Allbrook kam in ihr Büro geschlendert. Sein lässiger Gang sorgte dafür, dass Imogen automatisch die Schenkel zusammenpresste. „Gibst du dich wieder Tagträumen über mich hin?“

Er war der andere Sohn des Vorstandsvorsitzenden. Der, der es schaffte, ihre Hormone wie einen Schwarm Kanarienvögel singen zu lassen, obwohl er jemand war, von dem man in allen Bereichen die Finger lassen sollte.

Der Kerl könnte allein Stoff für ein ganzes Taylor-Swift-Album liefern.

„Ich kann mich kaum zurückhalten“, erwiderte sie trocken und bemühte sich noch nicht einmal, die Abscheu aus ihrer Stimme herauszuhalten. „Du solltest besser gehen, bevor ich mich dir zu Füßen werfe. Das wäre besser für uns beide.“

Caleb zog eine Augenbraue in die Höhe. Zweifelsohne war er genauso attraktiv wie sein Bruder. Aber während Jason ernst war und zu düsteren Blicken und einer geschmeidigen, befehlsgewohnten Stimme neigte, war Caleb sein totales Gegenteil. Der jüngere Allbrook-Bruder hatte immer einen lockeren Kommentar auf Lager, und er nahm nichts und niemanden jemals ernst. Der Mann verströmte so viel Sex-Appeal, dass er unter das Betäubungsmittelgesetz fallen sollte. Dazu war er großspurig, und die meisten Frauen im Büro gerieten in Verzückung, wenn er an ihnen vorbei ging, was sein Ego nur noch stärker aufblies.

„Wer wäre ich, eine Frau in Not abzuweisen? Soll ich die Tür schließen oder möchtest du Zuschauer haben?“ Mit der Hand am Türknauf wartete er auf ihre Antwort.

Es waren Momente wie dieser, in denen Imogen sich fragte, ob sie nicht doch anfangen sollte zu fluchen, denn das hier schien der perfekte Zeitpunkt zu sein, um das F-Wort zu benutzen. Am besten mit einem „dich“ dahinter. „Was willst du, Caleb?“

Seine vollen Lippen verzogen sich zu einem sündhaften Lächeln, und Imogen musste das Kribbeln niederringen, das in ihr aufstieg. Verdammt, wann würde ihr Körper das Memo zu diesem Thema endlich lesen? Caleb Allbrook ist nicht dein Typ. Selbst wenn du in deinem Leben nie wieder ein Date haben solltest, ist er nichts für dich.

„Einen Moment Ihrer kostbaren Zeit, Ms. Hargrove.“ Er kam zu ihrem Schreibtisch herüber und stützte sich mit beiden Händen auf der glatten Holzoberfläche ab.

Miss Hargrove.“

Auf der einen Seite kribbelte es sie in den Fingern, mit selbigen durch seine dichten, welligen Haare zu streichen, auf der anderen Seite wollte sie ihn mit der vor ihr liegenden Aktenmappe ohrfeigen. Also alles wie immer. Dieser Mann war ihr Untergang. In allen anderen Situationen war Imogen stolz auf ihr Selbstbewusstsein und ihre Besonnenheit. Auf ihre Fähigkeit, selbst in einem Raum voller tickender Zeitbomben die Ruhe zu bewahren. Aber wenn Caleb Allbrook in der Nähe war, packten ihre Gehirnzellen die Koffer und setzten sich ohne Rückflugticket auf die Fidschi-Inseln ab.

„Können wir jetzt zu dem Teil kommen, in dem du mir sagst, was du brauchst, damit ich es erledigen und endlich nach Hause gehen kann?“, fragte sie genervt.

„Es ist gefährlich, mir anzubieten, etwas für mich zu erledigen, bevor du weißt, was ich fragen will.“ Er lachte leise. „Okay, gut. Genug mit den tödlichen Blicken. Du musst mir helfen, das Marketingmaterial von der Kampagne zum fünfzigsten Firmenjubiläum zu finden.“

„Sollte dir dabei nicht jemand aus deinem Team helfen können?“ Sie hob eine Augenbraue. „Ich schätze, wenigstens einer der Leute, die du angestellt hast, verfügt über die technischen Fähigkeiten, um sich auf unserem gut organisierten Server zurechtzufinden.“

„Oho. Kein Grund, gleich schnippisch zu werden, Miss Hargrove.“ Er grinste. „Und ich brauche die Originale, nicht die Dateien.“

Imogen stöhnte innerlich auf. Das bedeutete einen Ausflug ins Archiv im Keller des Gebäudes. Der Vorstandsvorsitzende war etwas paranoid, was den Zugang zu diesem Archiv anging. Das hatte irgendetwas mit einem Brand zu tun, der vor ihrem Eintreten in die Firma ausgebrochen war und Tonnen von wichtigen Steuerunterlagen vernichtet hatte. Es war egal, dass in diesem Gebäude das Rauchen verboten war und es außerdem überall Feuermelder und eine Sprinkleranlage gab. Ach ja, und die technologische Entwicklung der letzten Jahre hatte ermöglicht, dass sie elektronische Kopien von allem hatten. Trotzdem gab es in der gesamten Firma nur drei Leute, die einen Schlüssel zum Archiv hatten: der Vorstandsvorsitzende, Jason und sie.

Caleb hatte es nicht geschafft.

„Muss das sofort erledigt werden?“, fragte sie mit einem Blick auf ihren E-Mail-Eingang. Sie hatte eine Regel, was die freitäglichen Nachmittage anging: Niemals verließ sie das Büro, solange noch ein Punkt auf ihrer To-do-Liste stand. Aber heute konnte sie es kaum erwarten, hier rauszukommen.

Ein Bild blitzte vor ihrem inneren Auge auf – eine Maske, die an ihrer Schlafzimmertür hing. Die weißen Federn, die Strasssteine und die schimmernde Kette aus Roségold warteten nur darauf, sie zu schmücken.

„Das dauert keine fünf Minuten“, erwiderte er und bedeutete ihr, ihm zu folgen. „Falls es dich motiviert: Es ist für Jason. Ich glaube, du hast ihn überzeugt, die Präsentation vor den Erbsenzählern zu übernehmen, deshalb konnte er dich nicht persönlich fragen.“

Seufzend drückte Imogen sich von ihrem Schreibtisch ab. „Na gut. Aber wir müssen uns beeilen. Ich habe noch einen Termin.“

„Ein heißes Date?“

Wohl kaum. Nachdem ihre letzten Verabredungen mit einem „Du wirkst echt wie ein netter Mensch, aber der Funke ist nicht übergesprungen“ geendet hatten, fragte sie sich, ob es die Mühe überhaupt wert war. Eine Frau konnte nur eine gewisse Menge an Ablehnung einstecken, bevor sie paranoid wurde und glaubte, einen dritten Kopf zu haben, den nur andere Menschen sehen konnten. Wenn nur ein einziges Mal ein Mann total heiß auf sie wäre. Nur ein einziges Mal wollte sie das Objekt von jemandes Begierde sein. War das zu viel verlangt?

Nein, heute Abend hatte sie ganz sicher kein Date. Aber sie würde Caleb nicht von dem traurigen Zustand ihres Liebeslebens erzählen. Er würde sie nur auslachen. Denn so sehr er mit ihr witzelte, sie aufzog und mit ihr flirtete, er hatte sie noch nie um eine Verabredung gebeten.

Warum stört dich das überhaupt? Du willst doch gar nicht, dass er dich fragt.

Natürlich nicht. Aber Imogen war es leid, ignoriert zu werden. Unglücklicherweise schien das jedoch ihr Schicksal zu sein. Entschlossen schob sie die Gedanken über ihr mangelndes Liebesglück beiseite und konzentrierte sich auf das Liebesleben von jemand anderem. Denn in zehn kurzen Wochen fände die Hochzeit ihrer Schwester Penny mit Daniel, dem Herzog von Mistkerlhausen, statt.

Es war schon schlimm genug, dass die spießige, aus altem Geldadel stammende Familie ihres zukünftigen Schwagers Penny nach der Verlobung die Hölle heißgemacht hatte. Mehr als einmal war sie tränenüberströmt bei Imogen untergeschlüpft, weil sie ihr das Gefühl gegeben hatten, nichts wert zu sein. Aber nun hatte Imogen noch den schleichenden Verdacht, dass Pennys Verlobter sie betrog. Sie hatte ihn beim Flirten mit einer Blondine an der Bar entdeckt, als er laut eigener Aussage Penny gegenüber eigentlich auf einer Geschäftsreise in Sydney hätte sein sollen. Ganz eindeutig hatte er ihre Schwester angelogen. Und so hatte Imogen einen Plan ausgeheckt, um ihn in flagranti zu erwischen. Natürlich verkleidet.

Caleb unterdrückte ein Lächeln, als die Referentin seines Vaters neben ihm herging, die rosigen Lippen fest zusammengepresst. Die Frau sah immer aus, als hätte sie gerade an einer Zitrone gelutscht. Das hätte eigentlich kein Bild sein sollen, das ihn anmachte, aber irgendetwas an Imogens überkorrekter Art machte ihn heiß. Und hart wie Stein. Vielleicht lag es daran, dass er unter ihrem langweiligen Oberteil und der einreihigen Perlenkette einen kleinen Vamp vermutete.

Er hatte das Talent, die Realität zu sehen, die die Leute so verzweifelt zu verbergen suchten. Und dass eine Frau, die so heiß war wie Imogen, sich hinter Kleidung versteckte, die besser zur Leiterin eines Bestattungsinstituts gepasst hätte, machte ihn höllisch neugierig.

„Das mit dem heißen Date wüsstest du wohl gerne, was?“, fragte sie.

„Ich könnte dein Retter sein. Schick mir eine Nachricht, wenn sich herausstellt, dass er wesentlich kleiner ist, als er auf seinem Tinder-Profil angegeben hat.“ Während sie auf den Fahrstuhl warteten, stieß er sie mit dem Ellbogen an. „Oder wenn er einer von denen ist, die dir beim Sprechen zu nah auf die Pelle rücken. Ich weiß, wie sehr du die hasst.“

„Wer hasst die nicht?“ Sie rümpfte ihre Stupsnase. „Wenn ich mich mit jemandem unterhalte, möchte ich nicht wissen, was er zu Mittag gegessen hat. Und schon gar nicht möchte ich es riechen.“

Die Fahrstuhltüren öffneten sich. Die Kabine war voll – die ganzen gehorsamen Arbeitsbienen seines Vaters hatten um Punkt halb sechs Uhr abends den Stift niedergelegt. Das passierte immer, wenn Gerald Allbrook außer Haus war. Heute hatte es offenbar Probleme bei den Vertragsverhandlungen für einen neuen Wohnblock an der Collins Street gegeben und der alte Herr hatte sich eingeschaltet, was niemals ein gutes Zeichen war.

Nicht dass es Caleb interessieren sollte. Er würde in dieser Firma nie mehr zu sagen haben als in seiner jetzigen Position als Marketingchef. Und selbst die war nur eine nette Geste gewesen, nachdem Jason zum Geschäftsführer und damit zum Nachfolger in der Firmenleitung ernannt worden war. Jason war wie Prinz William, und Caleb war das rothaarige Kind, das den Thron nur dann besteigen würde, wenn alle anderen ins Gras bissen.

„Na, wer sieht jetzt verträumt aus?“, fragte Imogen, als der Fahrstuhl im nächsten Stockwerk anhielt und sich zwei weitere Mitarbeiter hineinquetschten.

Ein Lächeln zuckte um ihre Mundwinkel. Erneut kam der Fahrstuhl ruckend zum Stehen, und Imogen warf einen Blick zu dem verschwitzt aussehenden Mann auf ihrer anderen Seite. Ihre Nase befand sich unglücklicherweise direkt auf Höhe seiner Achsel. Schnell drehte sie den Kopf wieder zu Caleb und drängte sich seufzend näher an ihn.

„Gute Entscheidung“, flüsterte er.

„Du wirst nie eine gute Entscheidung sein“, murmelte sie und verdrehte dabei die Augen. „Nur das geringere von zwei Übeln.“

Autsch. Imogen hatte sich nie die Mühe gemacht, zu verbergen, dass sie ihn – wie alle anderen auch – als Faulpelz betrachtete, der sich auf seinem Familiennamen ausruhte und niemals selbst etwas auf die Beine stellen würde. Das Positive daran war, dass er tun konnte, was immer er wollte, ohne den Druck zu verspüren, erfolgreich zu sein wie sein Bruder, der Vorzeigesohn.

„Ich liebe es, wenn du dich unerreichbar gibst.“

„Ich weiß, dass jede andere Frau in der Firma der Verblendung unterliegt, du wärst Gottes Geschenk an die Mumus dieser Welt, aber ich lasse mich von deinem hübschen Gesicht nicht blenden.“ Sie verschränkte die Arme vor der Brust.

Er rückte näher, als die Kollegen an ihnen vorbeizogen, um im Erdgeschoss auszusteigen. „Mumus? Wirklich?“

„Erwartest du ernsthaft, dass ich sprachliche Ratschläge von jemandem annehme, der Comic-Socken trägt?“ Sie schüttelte den Kopf. „Wie soll ich dich ernst nehmen, wenn du Tacos an den Füßen hast?“

Er zog das Hosenbein seines Designer-Anzugs hoch, um eine rote Socke mit T-Rex-Druck zu zeigen. Diese Socken waren sein Markenzeichen. Und sie gingen seinem Vater gehörig auf den Geist. Der alte Herr hatte strikte Regeln, was das Auftreten seiner Söhne anging. Selbst an den sogenannten „casual days“, wenn die gesamte verdammte Firma in Jeans kommen konnte, mussten Caleb und Jason sich wie Pinguine in ihre Anzüge zwängen. Also waren die bunten Socken seine Art, seinem Vater den Mittelfinger zu zeigen. Außerdem boten sie Gesprächsstoff. Und Caleb liebte es, mit Menschen zu reden.

„Du weißt doch, dass ich die Tacos nur dienstags trage.“ Er grinste. „Und überhaupt, was hat mein Sinn für Mode mit deiner Unfähigkeit zu tun, deine Körperteile korrekt zu benennen?“

„Wie soll ich es denn deiner Meinung nach nennen?“ Sie reckte das Kinn, aber ihr Mut war ein wenig geschwunden, wie er sah, denn ihre geröteten Wangen passten nicht zu ihrer trotzigen Miene.

„Wie wäre es mit dem korrekten Ausdruck?“ Sie waren jetzt allein im Fahrstuhl, aber Caleb flüsterte weiter, als würde jemand zuhören. „Muschi.“

Bildete er sich das ein, oder durchlief sie bei dem Wort wirklich ein Schauer? Die rosigen Flecken auf ihren Wangen wurden tiefrot. „Das ist vollkommen unangebracht“, stotterte sie. „Und der korrekte Ausdruck ist Vagina, nicht Muschi.“

Sie blinzelte, als wäre sie von ihren eigenen Worten überrascht. Caleb grinste. „Ist es mir wirklich gelungen, die prüde Miss Hargrove dazu zu bringen, ein unanständiges Wort zu benutzen?“

„Du übst einen schlechten Einfluss auf mich aus“, sagte sie, als der Fahrstuhl wieder anhielt. Die Türen glitten auf, und Imogen marschierte vor ihm hinaus, wobei ihre praktischen Schuhe mit den flachen Absätzen auf dem polierten Fußboden klackerten.

„Du sagst das, als wäre das etwas Neues.“ Er folgte ihr mit einem Schritt Abstand, damit er den Schwung ihrer Hüften beim Gehen beobachten konnte.

Ihr Rock saß nicht direkt eng, aber Caleb wusste, dass ihre wohlgeformten Beine in einem knackigen Po endeten. Und dass sie unter dem gestärkten weißen Hemd perfekt gerundete Brüste verbarg. Und ein Tattoo von einem Diamanten seitlich an ihrem Brustkorb. Das hatte er einmal auf einem Team-Building-Tag der Firma gesehen. Imogen hatte einen schwarzen Badeanzug getragen, der sehr viel bedeckte, doch als sie von ihrem Paddelbord gefallen war, hatte er einen Blick auf das Tattoo erhaschen können.

Und seitdem hatte er es sich zur Mission gemacht, mehr über Imogen Hargrove herauszufinden.

2. KAPITEL

Imogen schloss die Tür zum Archiv auf und bedeutete Caleb mit einer fließenden Bewegung, einzutreten, als würde sie ihn in einen Ballsaal bitten. „Beeil dich. Es ist Feierabend.“

Caleb lachte leise in sich hinein, während er sich auf die Suche nach der Kiste mit dem Promo-Material machte. „Du hast meine Frage nicht beantwortet.“

„Welche?“

„Ob du heute ein heißes Date hast.“ Er hob den Deckel von einem Karton und wühlte durch den Inhalt. Nein, der hier war es nicht.

„Warum interessierst du dich für mein Liebesleben?“ Sie lehnte sich gegen das stählerne Regal, in dem unzählige Reihen von gleich aussehenden Kartons standen. Sie hatte die Arme so unter der Brust verschränkt, dass die Knöpfe an ihrer Bluse abzuplatzen drohten. „Das ist garantiert nicht so interessant wie deins.“

„Dein Liebesleben ist nicht interessant, weil du mich ständig abweist.“

Sie verdrehte die Augen. „Weißt du was? Ich glaube, du bist jemand, der nur große Reden schwingt, Caleb. Du gibst diese markigen Bemerkungen und schmutzigen kleinen Witze von dir, aber du hast mich noch nie wirklich nach einem Date gefragt. Ich bin mir nicht sicher, ob ich das A-Wort benutzen soll …“

„Das A-Wort?“

„Angsthase.“

Hatte die prüde Miss Hargrove ihn etwa durchschaut? Er zog eine Augenbraue hoch. „Bist du sicher, dass ich dich noch nie richtig gefragt habe?“

„Ganz sicher. Nicht ein einziges Mal. Und ich weiß, dass du schon mit allen anderen Frauen aus dem Büro aus warst. Mit Tiffany aus der Buchhaltung. Stella von der Gehaltsabrechnung.“ Sie zählte die Namen an ihren Fingern ab. „Bethany aus dem Assistentinnen-Pool. Sie war nur vorübergehend hier, aber ich finde, sie zählt trotzdem.“

„Ich hatte keine Ahnung, dass du eine Liste führst.“ Das befriedigte ihn zutiefst. „Bist du dir dessen bewusst, dass sie alle zugesagt haben?“

„Das bin ich. Wie es aussieht, kann dir niemand widerstehen.“

„Bis auf dich.“

„Ich habe dich nicht abgewiesen.“ Sie klackerte mit ihren Nägeln gegen das Metallregal hinter ihr. „Noch nicht.“

„Noch nicht.“

„Du bist so damit beschäftigt, um den heißen Brei herumzureden, dass du gar nicht dazu kommst, mich zu fragen.“

„Aber du würdest ablehnen?“ Er wühlte in einer anderen Kiste und spürte überdeutlich, wie sie ihn beobachtete. „Und hör auf, meinen Hintern anzustarren.“

„Entschuldige bitte“, prustete sie. „Ich starre überhaupt nicht auf deinen Hintern.“

Natürlich tat sie das. Er sah es in der Spiegelung der dicken Rohre, die die Regale zusammenhielten. „Ich sollte dir dafür von der Personalabteilung eine Abmahnung zustellen lassen.“

„Siehst du, das ist genau das, was ich meine.“ Sie warf verzweifelt die Hände in die Luft. „Alles nur leeres Gerede. Gib es zu, ich könnte jetzt meine Bluse aufknöpfen, und du würdest nichts unternehmen.“

Oh, oh. „Stell mich auf die Probe.“

Er drehte sich um und lehnte sich gegen das Regal, wobei er ihre Pose imitierte. Das grelle Licht der Deckenlampen betonte die köstliche Röte in Imogens Wangen. Die Farbe zog sich bis zu ihrem Hals hinunter und ging, wie er vermutete, unter dem Kragen weiter.

„Das ist nur so eine Redewendung“, murmelte sie.

„Ach, wer ist jetzt diejenige mit dem leeren Gerede?“

Sie kniff die Augen zusammen und sah ihn an. „Du glaubst, ich bin ein Angsthase?“

„Oh ja.“ Er grinste. „Definitiv und zu hundert Prozent.“

Sie befeuchtete sich die Lippen. Vermutlich, um Zeit zu schinden. „Hier unten sind Kameras.“

„Dann schalte das Licht aus. Dad hat zwar ein Faible für Sicherheitssysteme, aber er ist zu geizig, um Infrarotkameras zu installieren.“ Er wartete darauf, dass Imogen einen Rückzieher machen würde. „Niemand wird es je erfahren.“

„Verfehlt das nicht den Sinn der Übung?“

Übung. Als würden sie hier über eine Übung für die Evakuierung im Brandfall sprechen. „Ich kann sehr gut mit den Händen sehen.“

Sie atmete scharf ein. „Du bist echt unmöglich.“

„Ich denke, diese Ehre gebührt Ihnen, Miss Hargrove.“ Er lachte. „Mit Worten bist du groß, aber sobald ich versuche, den Abzug zu drücken, kommst du mir mit einer Ausrede nach der nächsten. Keine Sorge. Ich bin enttäuscht, aber ich werde es überleben.“

Ihre Nasenflügel bebten. So war es zwischen ihnen immer – Misstrauen und gleichzeitig unglaubliches Interesse. Es stimmte, dass er sie nie auf eine Verabredung eingeladen hatte. Denn er wusste, wie die Antwort lauten würde. Aber heute hatte sie beschlossen, sein Spiel mitzuspielen. Und er hatte nicht vor, ihre Gründe dafür zu hinterfragen.

„Mein Gott, ich bin Männer so leid, die sich erst interessiert geben, aber dann sofort einen Rückzieher machen, sobald eine Unterhaltung droht.“ Sie ging mit steifen Schritten zur Tür, und Caleb war sicher, dass sie ihn allein zurücklassen würde. Doch stattdessen schaltete sie das Licht aus. „Bin ich wirklich so langweilig?“

Heilige Scheiße. Passierte das hier gerade wirklich? Das Geräusch von raschelndem Stoff in der Dunkelheit ließ ihn sofort hart werden. Blinzelnd versuchte er, seine Augen an die Dunkelheit zu gewöhnen. Aber das Archiv war wie eine unterirdische Höhle. Nicht der Hauch eines Lichtschimmers fiel vom Flur herein.

„Bleib bei der Tür“, sagte er. Dann tastete er sich an der Wand und den Regalen entlang. „Und schalte das Licht nicht wieder ein.“

Stille. Für eine Sekunde passierte nichts. Dann berührte seine Hand etwas Warmes. Nackte Haut.

„Hab dich“, sagte er mit tiefer, rauer Stimme. „Meine Güte. Die prüde Miss Hargrove weiß, wie man Pflicht oder Wahrheit spielt.“

„Nur Pflicht“, sagte sie. Er trat näher, und seine Hand strich wieder über nackte Haut, die sich flach anfühlte. Vermutlich ihr Bauch. Bei Gott, er wollte alles an ihr berühren. „Und ich spiele, um zu gewinnen.“

Sie blieb stocksteif stehen, als er seine Hand an ihr hinaufwandern ließ. Da war eine Kurve, etwas Hartes unter ihrer samtigen Haut. Die Rippen. Dann strichen seine Finger über etwas Weiches, Strukturiertes. Spitze. Die Wölbung ihrer Brust passte perfekt in seine Handfläche – sie war fest und rund. Mit dem Daumen strich er über ihren harten Nippel, woraufhin sein Schwanz kurz zuckte.

Imogen gab ein leises, ersticktes Geräusch von sich, und ein Blitz der Erregung schoss durch ihn hindurch. Wie oft hatte er daran gedacht, das hier mit ihr zu tun? Wie oft hatte er sich gefragt, wie sich ihr weicher, wohlgeformter Körper unter seinen hungrigen Händen anfühlen würde? Es wäre so leicht, sie gegen die Tür zu drücken und ihr Bein um seine Hüfte zu legen.

„Siehst du?“, sagte sie mit zitternder Stimme, als er erneut über ihren Nippel strich. „Ich sagte doch, dass ich nicht nur rede.“

Caleb öffnete den Mund zu einer Erwiderung, als es laut gegen die Tür klopfte. Das Hämmern war so heftig, dass die Tür in den Angeln bebte. „Hallo? Hier ist Jim vom Sicherheitsdienst. Alles in Ordnung da drin? Wir haben auf dem Überwachungsmonitor gesehen, dass das Licht ausgegangen ist.“

Verdammt. Er hatte nicht angenommen, dass jemand sie beobachten würde.

„Ja, alles okay!“, rief Imogen so schrill, dass Caleb zusammenzuckte. Dann schob sie ihn von sich weg. „Wir probieren nur ein paar neue Promotion-Artikel aus, die im Dunkeln leuchten.“

Eine Sekunde später ging das Licht flackernd wieder an, und Imogen war so zugeknöpft, als hätte ihr Spiel nie stattgefunden. Sie riss die Tür auf und schenkte dem Sicherheitsmann ein charmantes Lächeln. „Sorry, wir hätten Sie warnen sollen. Wir mussten überprüfen, ob die Sachen im Dunkeln auch wirklich leuchten, und die Büros oben kann man nicht ausreichend abdunkeln.“

Der Sicherheitsmann hob eine Augenbraue, als glaubte er die Geschichte nicht ganz, aber sie ließ ihm keine Möglichkeit, weitere Fragen zu stellen, sondern marschierte aus dem Raum in Richtung Fahrstuhl, sodass Caleb und der Sicherheitsmann verdutzt allein zurückblieben.

Caleb bog auf die geschwungene Auffahrt vor der Villa seiner Eltern in Albert Park ein. In seinem Kopf drehte sich noch alles um den Vorfall im Archiv. Doch diese Gedanken musste er beiseiteschieben, denn heute fand das traditionelle Familienessen statt, und dafür musste er top in Form sein.

Es sah so aus, als wäre Jason schon da, denn sein schwarzer BMW parkte vor dem Haus, direkt neben dem eisgrauen Mercedes seiner Mutter und dem silbernen Audi seines Vaters. Mein Gott, es war, als hätte jemand ein Fotoshooting mit den langweiligsten Autos der Welt organisiert.

Er lenkte seinen liebesapfelroten Alfa Romeo auf den leeren Platz neben dem Mercedes. Wie die meisten Dinge in Calebs Leben passte auch sein Wagen nicht zum Rest der Familie. In seiner Welt war er jedoch nicht das schwarze Schaf, sondern eher ein limettengrünes mit roten Punkten.

„Das wurde auch langsam Zeit“, rief sein Bruder von der Haustür. „Wir dachten schon, wir müssten ohne dich anfangen.“

„Das wäre mal etwas anderes. Seit wann bin ich derjenige, der als Letzter eintrifft?“

Caleb und seine Mutter wetteten oft spaßeshalber, wer später zum Dinner kommen würde – Gerald oder Jason. Die beiden waren sich so ähnlich; selbst das Versprechen auf gute Hausmannskost konnte sie kaum von der Arbeit loseisen. Nun ja, Hausmannskost war etwas übertrieben, denn bei ihnen kochte niemand außer Luis, dem Privatkoch, der seit gut zehn Jahren zum Haushalt gehörte.

„Ich war mit meinem Vortrag im Rathaus ein wenig früher fertig, also bin ich nur noch auf einen Drink geblieben und dann direkt hierhergekommen.“ Jason schlug Caleb auf den Rücken, als dieser das Haus betrat. „Ich dachte, es wäre nett, mal nicht derjenige zu sein, der den Laden aufhält.“

„Und Dad ist auch schon da?“ Gemeinsam durchquerten sie das Foyer und betraten das offene Wohn-Esszimmer, wo ihre Eltern bereits bei einer Flasche Wein zusammensaßen.

„Ja. Die Verhandlungen sind gut gelaufen.“

Natürlich waren sie das. Es gab nicht viele Leute, die es mit Gerald Allbrook aufnehmen und als Sieger aus der Begegnung hervorgehen konnten. Sein Vater hatte die Einschüchterung zu einer wahren Kunstform erhoben. Der einzige Unterschied zwischen ihm und einem Mafiaboss war, dass er keine Handlanger brauchte. Und auch keine Waffe.

„Was hat dich denn aufgehalten?“, wollte Jason wissen.

„Ich musste noch was aus dem Archiv holen.“ Bei der Erinnerung musste Caleb grinsen. „Und da du und Dad nicht da wart, musste ich mir den Schlüssel von Imogen holen.“

„Du hast noch immer keinen Schlüssel?“ Jason zog eine Augenbraue in die Höhe. „Lass dir von Imogen einen nachmachen.“

Diese ganze Schlüsselgeschichte war repräsentativ für Calebs Beziehung zu seinem Vater. Gerald hatte viel Tamtam darum gemacht, dass er nur drei Schlüssel wollte, und wie sich herausgestellt hatte, vertraute er seiner Referentin mehr als seinem jüngsten Sohn.

„Alles gut, Kumpel“, sagte er so laut, dass sein Vater es hören konnte. „Es ist mir immer ein Vergnügen, Dads bezaubernde Assistentin aufzusuchen.“

Gerald stieß am Tisch ein knurrendes Geräusch aus. Calebs Mutter sprang auf und zog ihren Sohn in die Arme – ihre Ohrringe klimperten, als sie ihn fest an sich drückte. Der vertraute Duft ihres Parfüms sorgte dafür, dass seine Laune sich sofort hob.

„Was war das gerade über Imogen?“, fragte sie. „Oh, wir hätten sie zum Dinner einladen sollen.“

Die Allbrooks waren allesamt große Fans von Imogen Hargrove. Unter den Mitarbeitern hatte es etwas Gerede gegeben, als Gerald sie aus dem Assistentinnen-Pool zu seiner höchstpersönlichen Referentin gemacht hatte. Es war gemunkelt worden, sie hätte diese Beförderung nur ihrem hübschen Gesicht und den glänzenden blonden Haaren zu verdanken. Aber die Gerüchte waren schnell verstummt, als deutlich wurde, dass Imogen ein strenges Regiment führte und, obwohl sie jünger war als die meisten Mitarbeiter, sich von niemandem etwas gefallen ließ. Nicht einmal von Gerald. Was Caleb ganz besonders anziehend fand.

„Bestimmt unternimmt sie gerade was mit Freunden“, sagte Jason und holte zwei Bierflaschen aus dem Kühlschrank. Nachdem er sie geöffnet hatte, reichte er eine Caleb. „Oder mit ihrer eigenen Familie.“

„Ja, ich weiß. Aber es wäre so nett, sie mal wiederzusehen.“ Seine Mutter wedelte mit der Hand durch die Luft, sodass ihre goldenen Armreifen klimperten. Caleb lächelte. Seine Mutter war wie eine Ein-Mann-Kapelle – entweder sie summte vor sich hin, oder sie trug etwas, das klimperte, wenn sie sich bewegte. „Vielleicht würden wir sie öfter zu Gesicht bekommen, wenn du sie mal um ein Date bitten würdest, Jason.“

„Ich bin mir nicht sicher, was Dad dazu sagen würde.“ Jasons Blick huschte zu seinem Vater, der ein undefinierbares Geräusch von sich gab. „Gute Assistentinnen wachsen nicht auf Bäumen.“

Bei der Vorstellung revoltierte Calebs Magen. Was albern war. Abgesehen von der kurzen Fummelei in dem dunklen Raum war nichts zwischen ihm und Imogen. Und Jason und Imogen passten so gut zusammen, wie zwei Leute nur zusammenpassen konnten. Sie waren beide ehrgeizige, ernste Typen, die darauf aus waren, die Welt zu erobern. Aber sobald er sich die Hände seines Bruders auf ihrem Körper vorstellte, gab es in Calebs Gehirn einen Kurzschluss. Ein ungekannter Stich der Eifersucht schoss durch seinen Körper, zog seine Muskeln zusammen und sorgte dafür, dass seine Hände sich zu Fäusten ballten.

„Wenn einer von euch irgendetwas tut, das sie veranlasst, die Firma zu verlassen, setzt es was“, erwiderte Gerald und richtete seinen durchdringenden Blick auf Caleb.

„Was zum Teufel hab ich denn nun schon wieder getan?“ Er trank einen Schluck Bier, das auf seiner Zunge bitter schmeckte.

„Glaub nicht, dass ich vergessen habe, was mit Neila passiert ist.“ Gerald spießte ihn förmlich mit seinem finsteren Blick auf. Er und Jason hatten die gleiche Iris – hell und beinahe farblos. Augen, die nichts verrieten. „Sie war ein geschätztes Mitglied unseres Teams, bis du dich eingemischt hast.“

Und mit „eingemischt“ meinte er, dass Caleb eine vermeintlich bedeutungsvolle Beziehung mit dieser Frau geführt hatte, bis er herausgefunden hatte, dass sie ihn nur benutzte, um die Karriereleiter in der Firma hinaufzuklettern.

Die Erinnerung traf ihn wie ein Schlag in den Magen. Er war ins Büro zurückgekehrt, um sie mit Blumen und einer Einladung in ein Nobelrestaurant zu überraschen. Neilas Stimme war durch die leeren Flure geschwebt und ihr schneidender Ton hatte ihn bis ins Mark getroffen, als er hörte, wie sie jemandem erzählte, dass er nur ihre zweite Wahl war. Sie hatte Jason gewollt, da der ihr eine sicherere Position in der Firma hatte bieten können. Aber wenigstens war Caleb gut im Bett. Ihr Lachen hatte ihn in tausend Stücke zerrissen.

Anstatt irgendjemandem gegenüber diese Demütigung zuzugeben, hatte er seine Familie in dem Glauben gelassen, er hätte mit Neila Schluss gemacht, weil sie ihn langweilte.

„Sie hätte nicht gehen müssen“, sagte er nur, während er sich auf den Stuhl neben seiner Mutter sinken ließ. „Das war ihre Entscheidung.“

Wie üblich wandte seine Mutter den Blick ab. Das war ihre Rolle in jedem Familienstreit. Und das war der Unterschied zwischen ihm und ihr: Sie hatte sich von der dominierenden Art seines Vaters im Laufe der Jahre verwässern lassen. Der langweilige Wagen vor der Tür entsprach nicht ihrem Stil, genauso wenig wie die glatte, moderne Villa. Seine Mutter war ein Freigeist, der Farbe und Textur und Unordnung liebte. Aber Gerald hatte immer mehr Druck ausgeübt, bis er ihr schließlich die Lebendigkeit ausgetrieben hatte. Bis er sie in einen Abklatsch seiner ersten Frau verwandelt hatte – Jasons Mutter.

Doch das würde Caleb nie mit sich machen lassen. Er fuhr fort, seinem Vater auf die Nerven zu gehen. Mit seinem Sportflitzer und den zu grellen Socken und seiner Weigerung, sich wie ein Klon von Jason zu benehmen.

„Wisst ihr was?“ Er lehnte sich zurück und trank noch einen großen Schluck Bier. „Vielleicht werde ich Imogen tatsächlich mal einladen. Übung macht den Meister, oder? Mal sehen, ob ich es schaffe, dass die Beziehung einen Monat überdauert.“

Sein Vater funkelte ihn an. „Wenn du nichts jemals ernst nimmst, wie kannst du dann erwarten, dass dich jemand ernst nimmt?“

Autor

Stefanie London
USA-Today-Bestsellerautorin Stefanie London hat für ihre prickelnden Roman schon mehrere Preise gewonnen, unter anderem den RITA-Award. Die gebürtige Australierin lebt mit ihrem ganz persönlichen Romanhelden in Toronto. Sie liebt guten Kaffee, Lippenstift, Liebesromane und alles, was mit Zombies zu tun hat.
Mehr erfahren

Entdecken Sie weitere Bände der Serie

Club