Kein Leben ohne Lia

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Tanner Malone will allein für sein Kind sorgen? Dr. Kelly Hall staunt sehr, als sie den Star-Unternehmer mit Baby Lia sieht. Gegen ihren Willen fasziniert, bietet sie dem frischen Vater mit den so blauen Augen ihre Hilfe an. Dabei ist sie nur die Ärztin seiner Ex …


  • Erscheinungstag 04.05.2016
  • ISBN / Artikelnummer 9783733773373
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

„Du wirst mir bestimmt sagen, dass ich verrückt bin“, erklärte Tanner Malone, während er im Büro seines Bruders auf und ab lief. „Vielleicht bin ich es auch. Vielleicht habe ich zu hart gearbeitet, oder es liegt daran, dass ich in drei Jahren vierzig Jahre alt werde. Ich weiß einfach nicht, warum ich das machen will. Ich weiß nur, dass ich es tun werde.“

Er blieb mitten im Raum stehen und schaute zu seinem Bruder Ryan hinüber, der hinter seinem Schreibtisch saß. „Du sagst ja gar nichts. Willst du denn gar nicht versuchen, es mir auszureden?“

Ryan lächelte gelassen. „Ich habe drei Kinder, und ein weiteres ist unterwegs. Es steht mir nicht zu, dir dein Vorhaben auszureden. Vielleicht gefällt es dir ja sogar, Vater zu sein.“

Tanner nickte und ließ sich dann in den Ledersessel fallen, der Ryans Schreibtisch gegenüberstand. „Vater“, murmelte er. „Ich muss tatsächlich verrückt sein. Was weiß ich denn schon davon, Vater zu sein.“

„Falls es dir hilft, du bist ein großartiger Onkel. Meine Kinder vergöttern dich. Alle Kinder lieben dich. Na ja, Frauen finden dich ja auch unwiderstehlich. Ich wette, dass dir sogar Kätzchen und Hundebabys hinterherlaufen.“

Tanner brauchte seinen Bruder nicht anzuschauen, um zu wissen, dass er ihn aufzog. „Das hier ist bitterer Ernst“, erklärte er. „Ich muss eine Entscheidung treffen.“

„Das weiß ich, und ich stehe dir gern mit Rat und Tat zur Seite, allerdings …“ Ryan zuckte die Schultern. „Es ist nur so, eigentlich kann ich dir nicht helfen, Tanner. Jahrelang hast du dich über mein langweiliges Eheleben lustig gemacht, während du als ungebundener Junggeselle von einem Bett ins andere gehüpft bist. Du hast die Freundinnen gewechselt wie andere Männer die Hemden. Aber siehst du, nun hat es dich auch erwischt.“

„Und was willst du damit sagen?“ Tanner gefielen die Worte seines Bruders nicht, aber er musste sich eingestehen, dass Ryan nicht ganz unrecht hatte. Tanner hatte immer gewusst, dass er irgendwann für seinen lockeren Lebensstil zahlen müsste. Und jetzt war es so weit, in den nächsten vierundzwanzig Stunden würde er eine der wichtigsten Entscheidungen seines Lebens treffen müssen – wenn nicht die wichtigste.

„Ich will damit sagen, dass es bei dir länger als normal gedauert hat, bis das Schicksal dich vor eine schwierige Entscheidung gestellt hat“, erklärte Ryan. „Die meisten Männer haben das in deinem Alter bereits hinter sich.“

Tanner lehnte sich in den Sessel zurück. Er wusste, dass Ryan in vielen Dingen die Wahrheit sagte. Das Problem war nur, was sollte er jetzt tun?

„Ich weiß nicht, was einen guten Vater ausmacht“, sagte Tanner, während sein Magen sich krampfhaft zusammenzog. Er kam sich vor wie ein Fallschirmspringerschüler, der zu seinem ersten Sprung ansetzte.

„Am Anfang weiß das niemand“, beruhigte ihn Ryan. „Du wächst einfach in die Rolle hinein.“

„Und wenn ich alles falsch mache? Ich will nicht, dass mein Sohn leidet, weil sein Erzeuger versagt.“

„Er oder sie braucht vor allem Zuwendung, Kinder brauchen Liebe. Alles andere kommt von allein und …“

Ryan fuhr fort, aber Tanner hörte ihm nicht mehr zu. Sein Verstand war durch das Wort sie blockiert. Du lieber Himmel! Das Baby konnte ja auch ein Mädchen sein. Das wäre noch schlimmer. Obwohl er in seinem Leben vielen Frauen begegnet war, hatte er sie nie verstanden. Frauen waren ein Mysterium für ihn. Du liebe Güte, wie sollte er ein Mädchen großziehen?

„Sie darf kein Mädchen bekommen“, unterbrach Tanner seinen Bruder. „Was soll ich mit einer Tochter anfangen?“

Ryan lachte. „Du und deine Logik. Ich weise dich nur ungern daraufhin, Tanner, aber diese Entscheidung ist bereits vor neun Monaten gefällt worden.“

Tanner fluchte leise und warf einen Blick auf die Uhr. Lucy hatte ihn vor zwei Stunden angerufen und ihm erklärt, dass sie auf dem Weg zum Krankenhaus sei. Die Mutter seines ungeborenen Kindes hatte bereits vor langer Zeit die Adoptionspapiere unterschrieben, und Lucy erwartete nun, dass er das Gleiche tat. Es war die Entscheidung, zu der sie gemeinsam gekommen waren. Es war das Klügste, was er tun konnte. Es war das, was jeder von ihm erwartete. Aber er hatte es bisher nicht über das Herz gebracht. Alle Logik der Welt konnte ihn nicht dazu bringen, mit dieser Unterschrift ein Leben wegzugeben, das ein Teil von ihm war.

„Wo willst du hin?“, fragte Ryan, als Tanner sich erhob.

„Ins Krankenhaus.“

„Was wirst du tun?“

Tanner umklammerte den Türgriff und schaute noch einmal zu dem Mann hinüber, der immer für ihn da gewesen war. Nur diesmal konnte er ihm nicht helfen, das hier musste Tanner allein durchstehen.

„Verflixt, wenn ich das wüsste“, stieß er hervor und schlug die Tür zu.

„Was bist du für ein hübsches kleines Mädchen“, murmelte Kelly Hall, während sie das Neugeborene anschaute, das sie in den Händen hielt. „Du siehst so besorgt aus, aber ich verspreche dir, dass wir Erwachsenen genau wissen, wie wir für dich sorgen müssen.“

Sandy, die Säuglingsschwester, strich dem Baby über die Wange. „Sie können ihr erzählen, was Sie wollen, Dr. Hall, sie wird es Ihnen nicht glauben. Seit zwanzig Jahren habe ich mit Neugeborenen zu tun, und jedes hat den gleichen besorgten Ausdruck.“

„Aber es ist unsere Aufgabe, ihnen Mut zuzusprechen.“ Kelly lächelte Baby Ames ein letztes Mal zu und reichte es dann widerwillig Sandy hinüber. Die Schwester würde es in die Säuglingsstation bringen, wo es in den nächsten Tagen eine ausgezeichnete Pflege erhielt. Was danach geschah, konnte niemand sagen. Das kleine Mädchen war zur Adoption freigegeben worden.

Kelly hatte seit langem gelernt, ihre Patienten nicht zu verurteilen. Trotzdem warf sie einen resignierten Blick zu der Mutter des Kindes hinüber, die jetzt in ihr Zimmer gefahren werden sollte.

„Sind Sie sicher, dass Sie Ihre Tochter nicht sehen wollen?“, fragte sie ein letztes Mal.

Lucy Ames, eine auffallend gut aussehende Platinblonde, rollte mit den Augen. „Vergessen Sie es, Doc. Ich weiß, dass Sie hofften, ich würde mütterliche Gefühle entwickeln, wenn das Kind erst auf der Welt ist. Aber das wird nicht passieren. Ich habe die Adoptionspapiere bereits unterschrieben und auch nicht den geringsten Zweifel daran, das Richtige getan zu haben. Ich werde in weniger als zwei Wochen nach Los Angeles gehen und im Land der Sonne und der Filmstars leben. Das Letzte, das ich mir wünsche, ist ein Kind, das mir diese Chance verdirbt.“

„Ich verstehe“, sagte Kelly höflich, obwohl das gelogen war. Lucy war eine erwachsene Frau, die durchaus die Möglichkeit besaß, ihr Kind aufzuziehen, und Kelly konnte nicht verstehen, warum sie ihre eigene Tochter so im Stich ließ.

„Ich danke Ihnen für alles, was Sie für mich getan haben“, erklärte Lucy. „Sie sind eine gute Ärztin.“

„Es ist mein Beruf“, erwiderte Kelly und zog die Handschuhe aus. „Ich werde Sie in wenigen Stunden noch einmal untersuchen. Nur um sicherzugehen, dass auch alles in Ordnung ist. Aber ich gehe davon aus, dass bei Ihnen alles schnell verheilen wird.“

Lucy winkte ihr noch einmal zu, als die Schwester sie aus dem Entbindungsraum hinausrollte. Kelly folgte langsam. Sie dachte an die Patientinnen, die sie sich heute noch ansehen musste und an die Frauen, die bald entbinden würden. Die meisten ihrer werdenden Mütter freuten sich, schwanger zu sein, und konnten es kaum erwarten, endlich ihr Baby in den Armen zu halten. Aber hin und wieder gab es auch Frauen wie Lucy – Frauen, die ein Kind nur als lästig empfanden.

Es war nicht so, dass sie Lucy nicht verstand. In gewisser Hinsicht verstand sie sie viel zu gut. Vielleicht war sie deswegen so betroffen. Wahrscheinlich erinnerte sie Lucy zu sehr an ihre eigenen Fehler.

Da es an der Zeit war, wieder in ihre Praxis zu fahren, lief Kelly zum Fahrstuhl hinüber, aber statt auf den Liftknopf zu drücken, hatte sie auf einmal den Weg zur Säuglingsstation eingeschlagen.

Schließlich stand Kelly vor den Glasscheiben der Säuglingsstation und schaute auf zwölf Neugeborene, die friedlich schlafend in ihren Bettchen lagen.

An der gegenüberliegenden Wand stand ein Mann, der seinen Arm um eine junge Frau gelegt hatte. Beide schauten glücklich und voller Wunder auf ihr Baby. Kelly musste unwillkürlich lächeln und betrachtete dann wieder die Neugeborenen. Sie entdeckte drei, die sie in den letzten vierundzwanzig Stunden zur Welt gebracht hatte, und sah dann, dass eine der Schwestern Baby Ames in sein Bettchen legte.

„Lass es sein“, sagte sie leise zu sich. Sie wusste, dass es keinen Sinn hatte, sein Herz an das Kind zu hängen. Lucy Ames hatte ihre Entscheidung getroffen. Das wunderschöne kleine Mädchen wurde zur Adoption freigegeben. Und es war durchaus nicht so, das Kelly es besser gemacht hätte.

Aber ich war erst siebzehn, flüsterte ihr eine innere Stimme zu. Macht das nicht einen Unterschied? Kelly war sich nicht sicher. Eigentlich war sie sich nie sicher gewesen.

„Dr. Hall?“

Eine tiefe männliche Stimme riss sie aus ihren Gedanken. Sie drehte sich um und fand sich einem Mann gegenüber.

Obwohl der Flur gut beleuchtet war, musste sie mehrere Male blinzeln, um sich zu versichern, dass sie auch wirklich sah, was sie glaubte zu sehen. Tanner Malone.

Sie dachte daran, ihm einmal ordentlich die Meinung zu sagen oder ihm wenigstens die kalte Schulter zu zeigen und ihn einfach stehen zu lassen, aber schließlich riss sie sich zusammen. Hier zählten keine persönlichen Meinungen. Sie war Lucys Doktor. Nicht mehr und nicht weniger. Trotzdem war sie dieses Mal dankbar für ihre Größe. Dank ihrer Absätze konnte sie Mr. Malone fast in die Augen schauen. Er überragte sie nur um wenige Zentimeter.

Sie fragte sich, woher er ihren Namen kannte, bis ihr einfiel, dass er mit Lucy gesprochen haben musste. Die beiden waren zwar kein Paar mehr, aber er hatte bestimmt Kontakt zu ihr gehabt. Schließlich war heute ihr gemeinsames Kind zur Welt gekommen.

Kelly kämpfte gegen die aufsteigende Wut an. Was machte es schon, wenn Tanner Malone ein unverantwortlicher Schuft war? Es würde ihr sicherlich gelingen, für einige Minuten eine höfliche Maske zu wahren.

„Ich bin Dr. Hall“, sagte sie.

„Tanner Malone.“

Sie befürchtete, er würde ihr die Hand schütteln, aber er machte keine Anstalten dazu. Stattdessen schob er die Hände in die Taschen seiner Jeans und stieß frustriert einen Seufzer aus.

„Ich habe Sie überall gesucht“, gab er zu. „Jetzt, wo ich Sie gefunden habe, weiß ich nicht, was ich sagen soll.“

„So?“ Sie warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. Es war fast zwölf Uhr Mittag. „Wenn es Ihnen wieder einfällt, können Sie mich ja in meiner Praxis anrufen, und wir werden …“

„Nein.“ Er ergriff ihren Arm, bevor sie sich abwenden konnte. Obwohl sie sich ärgerte, spürte sie so etwas wie einen elektrischen Schlag, als seine Hand sich um ihr Handgelenk schloss. Eine prickelnde Wärme. Sollte es …

Denk noch nicht einmal daran, warnte sie sich gereizt. Wie konnte ihr Körper es wagen, so auf diesen Mann zu reagieren. Er war Abschaum. Er war noch niedriger als Abschaum. Eine Zelle vor fünfzehn Milliarden Jahren stand höher in der Evolution als er.

„Ich wollte mit Ihnen über das Baby sprechen.“ Er wies auf die Säuglingsstation hinter sich. „Ich …“ Er ließ sie los. „Ich will wissen, welches Geschlecht das Kind hat. Ich habe an der Rezeption gefragt, aber da Lucy bereits die Adoptionspapiere unterzeichnet hat, wollten sie es mir nicht sagen.“

Er sieht müde aus, schoss es Kelly auf einmal durch den Kopf. Schatten lagen unter seinen unglaublich blauen Augen. Maloneblau, hatte sie vor einiger Zeit die Schwestern sagen hören. Ja, er war ein sehr gut aussehender Mann. Und? Trotzdem war er Abschaum.

„Ich verstehe nicht, warum Sie das Baby überhaupt interessiert, Mr. Malone“, sagte Kelly schroff. „Wenn Sie die Papiere unterschrieben haben, sind Sie jeder Verantwortung entledigt.“

„Das ist es ja“, erwiderte er. „Ich bin nicht sicher, ob ich sie überhaupt unterzeichnen kann.“

Kelly hätte ihn nicht überraschter ansehen können, wenn er sich plötzlich in einen Außerirdischen verwandelt hätte. „Was?“

Tanner schaute über die Schulter und wies dann auf den Korridor. „Gibt es hier vielleicht einen Ort, an dem wir ungestört sprechen könnten? Es tut mir leid, wenn ich etwas daneben wirke, aber ich hatte nur wenig Schlaf in den vergangenen Wochen. Ich habe entweder gearbeitet oder bin wegen des Babys im Zimmer hin und her gelaufen.“

Sie presste die Lippen zusammen. Tanner Malone musste irgendein Spiel spielen. Ein Mann wie er würde nie in Betracht ziehen, ein Kind allein aufzuziehen. Trotzdem hatte er ihr Interesse geweckt, also beschloss sie, ihm zuzuhören.

„Dort hinten sind einige Untersuchungszimmer“, sagte sie und führte ihn den Korridor entlang. Sie bogen links ab, und Kelly öffnete das erste Zimmer. Es war leer.

Der Raum war klein. Mit einer Liege, einem Schreibtisch und zwei Stühlen ausgestattet. Kelly nahm auf dem Schreibtischstuhl Platz und wies Tanner einen Sitz auf dem anderen Stuhl an. Er schaute sie an, schüttelte dann den Kopf und begann von einer Wand zur anderen zu laufen. Er brauchte genau drei Schritte.

„Natürlich weiß ich, wie verrückt mein Vorhaben ist, aber …“, begann er, blieb dann abrupt stehen und starrte auf den Boden. „Das Krankenhaus bekommt einen neuen Flügel.“

Der letzte Satz war so zusammenhanglos, dass Kelly ihn verwunderte anschaute, aber dann fiel ihr ein, dass Tanner Malone die Firma besaß, die den Flügel baute. Die Bauarbeiten hatten bereits vor Monaten begonnen. „Das habe ich auch bemerkt.“

„Wirklich?“

Er sah zu ihr hinüber, und erneut stellte sie fasziniert fest, wie blau seine Augen waren. Vergiss es, ermahnte sie sich. Ignoriere diesen Mann, konzentrier dich nur auf das, was er sagt.

„Dann wissen Sie wohl auch, dass meine Firma mit dem Bau beauftragt worden ist. Es ist ein riesiges Projekt, das viele Arbeitskräfte und Auftragsfirmen verlangt. Ich arbeitete zwölf, vierzehn Stunden am Tag. Dann wurden plötzlich die Gelder gesperrt.“

Kelly nickte. Eine Zeitlang sah es so aus, als ob der neue Flügel nicht zu dem geplanten Zeitpunkt eröffnet werden könnte, doch Ryan Malone, Tanners Bruder, hatte ein Wunder vollbracht.

„Jetzt versuchen wir, die verlorene Zeit aufzuholen“, fuhr Tanner fort. „Ich sehe kaum noch mein Haus. Wir werden den Septembertermin einhalten, aber es wird verflixt knapp werden. Ich habe also gar keine Zeit für ein Kind. Schon gar nicht für ein Baby.“

Kelly lehnte sich in den Stuhl zurück und gab sich Mühe, nichts von ihren Gefühlen preiszugeben. Er hat also gar nicht nach seinem Kind fragen wollen, dachte sie grimmig. Er war nur gekommen, um mit ihr zu reden, um jemandem eine Erklärung für sein Verhalten abzugeben. Er wollte sich nur entschuldigen. Sie wartete darauf, dass die alte Wut wiederkehrte, aber sie war verschwunden. Sie hatte sich in eine Traurigkeit verwandelt, die sie sich nicht erklären konnte.

Es gab so viele Paare, die verzweifelt darauf warteten, ein Kind zu adoptieren. Baby Ames würde in eine Familie kommen, die ihm all die Liebe und Fürsorge bieten konnte, die es brauchte. Es war das Beste für alle Beteiligten. Kelly atmete tief durch. Wenn sie nur endlich loslassen könnte. Warum berührte dieses Kind sie so sehr?

„Ich kann es einfach nicht tun“, sagte Tanner.

„Mr. Malone, Sie sind mir keine Erklärung schuldig, und um ehrlich zu sein, interessiert es mich auch nicht, warum Sie das Kind zur Adoption freigeben.“

„Aber genau das ist doch der Punkt“, erwiderte er. „Ich bringe es nicht übers Herz. Ich kann es nicht hergeben.“ Er zog einige zusammengefaltete Papiere aus seiner Hosentasche und legte sie auf den Tisch. „Lucy und ich hatten darüber gesprochen, und wir waren beide übereingekommen, dass die Freigabe zur Adoption das Beste wäre. Auf Lucy wartet ein Job in Los Angeles, und ich stecke hier bis über beide Ohren in der Arbeit. Wir sahen keinen anderen Weg.“

Kelly nahm die Seiten auf und sah sie rasch durch. Lucy hatte ihr Kind bereits mit einer Unterschrift aus ihrem Leben gezeichnet, doch Tanners fehlte noch.

„Was denken Sie?“

Sie schaute auf und sah, dass Tanner sich mit den Händen auf die Lehne des Stuhls stützte und sich vorbeugte. Er trug Jeans und ein verwaschenes T-Shirt. Sein dunkles Haar fiel ihm in die Stirn. Er sah aus wie ein Mann, dem es nichts ausmachte, sich die Hände schmutzig zu machen. Sie bemerkte die Narben an seinen Händen, und niemand konnte seine breiten Schultern und die muskulösen Arme übersehen. Er war nur einige Zentimeter größer als sie, aber er musste mindestens vierzig Pfund mehr wiegen. Und davon war kein Gramm Fett, sondern alles reine Muskelmasse.

„Worüber soll ich was denken?“

„Was soll ich tun? Soll ich die Papiere unterzeichnen?“

„Darauf kann ich Ihnen keine Antwort geben. Wir reden von einem Kind, Mr. Malone. Das ist keine Entscheidung, die man leichtfertig trifft. Die Zukunft Ihrer Tochter hängt davon ab.“

Seine Augen weiteten sich, und ein Lächeln trat auf sein Gesicht. Ein Lächeln, das jedes Frauenherz zum Schmelzen bringen würde, dachte sie, weigerte sich jedoch, Sympathie für ihn zu empfinden.

„Ein Mädchen!“ Er sank auf den Stuhl und rieb sich die Augen. „Verflixt. Dabei weiß ich so gut wie nichts über Frauen.“

„Sie wussten genug, um eine von Ihnen zu schwängern.“ Kelly bereute diese Worte, sobald sie ihrem Mund entschlüpft waren, und seufzte. „Entschuldigen Sie. Das wollte ich nicht sagen.“

„Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen. Sie haben ja recht.“ Er lehnte sich vor. „Ist sie gesund? Hat sie alle zehn Finger und Zehen?“

Kelly lächelte. „Sie ist perfekt. Eine kleine Schönheit. Soweit wir es bis jetzt beurteilen können, ist sie ein kerngesundes, normales Kind.“

„Ein Mädchen“, sagte er fast ehrfürchtig und schaute dann Kelly an. „Sagen Sie mir, dass die Adoption das Beste für sie ist. Sagen Sie mir, dass ich niemals ein Kind allein großziehen könnte. Wie soll ich die Zeit dafür aufbringen? Bringen Sie mich auf den Boden der Tatsache zurück, indem Sie mir sagen, dass ich nicht das Geringste über Babypflege und Kindererziehung weiß.“

„Niemand kann Ihnen die Entscheidung abnehmen, Mr. Malone. Da müssen Sie allein durch.“

Tanner nickte. Er hatte auf ein wenig Beistand von Lucys Doktor gehofft, aber Kelly Hall war offensichtlich nicht bereit, ihm Hilfe zu gewähren. In ihrem Blick hatte, vor allem am Anfang, eher Geringschätzung als Mitgefühl oder Sympathie gelegen. Er fragte sich, ob ihre Verachtung ihm oder der ganzen Männerwelt galt. Oder vielleicht mochte sie einfach keine Männer, die versuchten, sich ihrer Verantwortung zu entziehen. Konnte er ihr das übel nehmen?

„Ich möchte sie sehen“, sagte er. „Meine Tochter, meine ich, nicht Lucy. Darf ich das? Schließlich habe ich die Papiere noch nicht unterzeichnet.“

Kellys Blick wurde etwas weicher, und ein Lächeln trat auf ihr Gesicht. „Sie dürfen sie sogar auf den Arm nehmen, Mr. Malone.“

„Das ist keine gute Idee“, sagte Tanner zehn Minuten später, als Kelly ihm ein winziges Bündel in den Arm legte. „Neugeborene sind so winzig. Ich habe meine Neffen und Nichten stets so lange ignoriert, bis sie aus diesem zerbrechlichen Stadium heraus waren.“

„Sie ist robuster, als sie aussieht“, beruhigte Kelly ihn. „Entspannen Sie sich einfach und achten Sie darauf, dass Sie ihr Köpfchen abstützen.“

Er konnte nur das Gesicht des Babys sehen. Es war rot und noch ein wenig runzlig wie das aller Neugeborenen. Sie war unglaublich klein und schien fast nichts zu wiegen.

„Du meine Güte.“ Er legte eine Hand auf seine Tochter und traute sich kaum mehr, sich zu rühren. „Sie ist ja nur so groß wie ein Fußball.“

Er schaute auf und sah, dass Kelly immer noch lächelte. Offensichtlich war sie über seine Unsicherheit amüsiert, aber er hatte nie zuvor ein Neugeborenes in seinen Armen gehalten.

„Und jetzt?“

„Sagen Sie ihr Hallo oder irgendetwas anderes, was Ihnen in den Sinn kommt. Sie ist Ihre Tochter, Mr. Malone. Was würden Sie denn gern tun? Sie können auch ein wenig mit ihr herumlaufen.“

Er schüttelte den Kopf. Er hatte viel zu viel Angst, um sich auch nur einige Zentimeter zu bewegen. Aber es war nicht nur Angst, sondern auch noch andere Gefühle, die jetzt mit aller Macht in ihm aufstiegen. Emotionen, die er nicht benennen konnte. Ja, da war Unsicherheit und Furcht, aber noch so viel mehr. Vor allem das Gefühl, an einem Wunder teilzuhaben. War dieses kleine Wesen wirklich aus Fleisch und Blut? Hatte er tatsächlich Anteil an seiner Erschaffung gehabt?

Kelly schien seine Verwirrung zu verstehen. Sie tätschelte leicht seinen Arm und trat dann einige Schritte zurück, um ihn einen Moment mit seinem Kind allein zu lassen.

Tanner machte einen vorsichtigen Schritt nach vorne. Als seine Tochter nicht aufwachte, wiegte er sie sanft, erstarrte aber sofort wieder, als sie sich bewegte.

Das Neugeborene hob leicht die Ärmchen, verzog den Mund, öffnete dann die Augen und schaute ihn an.

Sie hatte blaue Augen … Maloneblau. Er erinnerte sich, irgendwo gelesen zu haben, dass Neugeborene nicht gut sehen können, aber in diesem Moment kam es ihm so vor, als ob sein Kind bis in seine Seele schauen konnte.

Tanner Malone hatte nie an die Liebe auf den ersten Blick geglaubt und sie auch nie erfahren. Aber als er das winzige Baby in seinen Armen betrachtete – sein Kind –, da schlug die Liebe wie der Blitz bei ihm ein, mächtiger und stärker als alles andere, was er je erlebt hatte.

2. KAPITEL

Kelly sah die Emotionen, die sich auf seinem Gesicht widerspiegelten und wusste, dass er verloren hatte. Tief in ihrem Inneren empfand sie so etwas wie Schuld. Vielleicht war es falsch gewesen, ihm seine Tochter in den Arm zu legen. Es lag ein Zauber darin, ein Neugeborenes zu halten, besonders, wenn es das eigene war. Es war eines der unglaublichsten Momente, die das Leben zu bieten hatte. Sie hatte Tanner erlaubt, diese Magie zu erfahren, aber was war mit der Realität? Konnte er damit umgehen?

Unsinn, beruhigte sich Kelly. Wenn er nicht bereit wäre, dieses Kind anzunehmen, würde er auch nichts empfinden, wenn er es in seinen Armen hielt. Trotzdem nagten Zweifel an ihr. Tat sie wirklich das Richtige? Konnte Tanner Malone seine Tochter allein aufziehen? Aber diese Frage stellte sie sich zu spät. Sein zärtlicher Gesichtsausdruck verriet ihr, dass die Sache bereits entschieden war.

Als er zu ihr hinüberschaute, lag neben Liebe und Ehrfurcht auch Panik in seinem Blick. „Ich möchte sie behalten. Ist das falsch?“

„Sie ist Ihre Tochter, Mr. Malone. Wie kann der Wunsch, Sie selbst aufzuziehen, falsch sein?“

„Ich könnte Ihnen drei Dutzend Gründe nennen, angefangen mit der Tatsache, dass ich absolut nichts über Babys weiß. Dazu kommt, dass mein Arbeitstag im Moment zwanzig Stunden beträgt.“

„Sie werden es schon schaffen. Millionen von allein erziehenden Vätern und Müttern schaffen es jeden Tag.“

Er wirkte nicht überzeugt. „Vielleicht. Und was passiert jetzt?“

„Jetzt werde ich dafür sorgen, dass Baby Ames nicht zur Adoption freigegeben wird und dass ihr Name in Baby Malone umgeändert wird.“

Auf Tanners Gesicht erschien wieder dieses umwerfende Lächeln, dass Frauenherzen höher schlagen ließ. Aber diesmal galt es nicht Kelly, sondern einzig und allein seiner Tochter. „Hast du das gehört? Du bist mein kleines Mädchen und jeder wird es bald wissen. Du bist Baby Malone.“

„Vielleicht sollten Sie über einen Vornamen nachdenken“, erwiderte Kelly trocken. „Wenn sie in die Schule geht, wird sie Baby Malone vielleicht nicht so gut finden.“

Er nickte. „Sie haben recht. Und was passiert nach dem Krankenhaus?“

„Sie werden mit dem Jugendamt und der Adoptionsstelle Kontakt aufnehmen und ihnen mitteilen müssen, dass Sie Ihre Meinung geändert haben. Gesetzlich dürfte es keine Probleme geben. Da Sie die Papiere noch nicht unterschrieben haben, dürfen sie nicht verlangen, dass Sie Ihre Tochter abgeben. Trotzdem sollten Sie sich einen guten Anwalt nehmen und mit Lucy eine Übereinkunft treffen. Ich nehme an, dass sie das Kind nicht sehen will, trotzdem sollte alles vertraglich festgelegt werden. Außerdem wäre da noch die Frage des Kindesunterhaltes. Eigentlich könnte man Lucy heranziehen.“ Sie runzelte die Stirn. „Ein guter Anwalt kann Ihnen da sicherlich besser weiterhelfen als ich.“

Er schüttelte den Kopf und schaute seine Tochter an. „Ich will nichts von Lucy. Ich brauche ihr Geld nicht.“

„Das müssen Sie mit ihr aushandeln. Falls Sie mit ihr reden wollen, sie ist noch im Krankenhaus.“

Er sah auf. „Kann sie schon Besucher empfangen?“

„Natürlich. Sie hat nur eine Geburt und keine Gehirnoperation hinter sich. Wahrscheinlich fühlt sie sich im Moment, als wäre sie von einem Laster überfahren worden, aber sie ist gesund und in guter Verfassung. Sie wird sich schnell erholen. Sie und das Baby werden bereits morgen entlassen werden.“

Sie zögerte und fragte sich, ob Tanner überhaupt eine Ahnung hatte, worauf er sich einlassen wollte. „Ich kann dafür sorgen, dass Ihre Tochter bis morgen Nachmittag hierbleiben kann. Das gibt Ihnen mehr Zeit, um alles zu erledigen.“

„Zu erledigen? Was denn?“

Kelly schnappte überrascht nach Luft. Oje! Es war schlimmer, als sie gedacht hatte. „Mr. Malone, haben Sie jemals Kontakt zu Neugeborenen gehabt?“

„Nein, wie ich schon sagte, ich ging meinen Neffen und Nichten aus dem Weg, bis sie etwas handlicher geworden waren.“

Autor

Susan Mallery

Die SPIEGEL-Bestsellerautorin Susan Mallery unterhält ein Millionenpublikum mit ihren Frauenromanen voll großer Gefühle und tiefgründigem Humor. Mallery lebt mit ihrem Ehemann und ihrem kleinen, aber unerschrockenen Zwergpudel in Seattle.

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