Baccara Gold Band 18

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  • Erscheinungstag 25.09.2020
  • Bandnummer 18
  • ISBN / Artikelnummer 9783733726904
  • Seitenanzahl 448
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Annette Broadrick, Leanne Banks, Amy Jo Cousins

BACCARA GOLD BAND 18

1. KAPITEL

„He, was, zum Donnerwetter, soll das da werden?“

Der plötzliche Klang einer Stimme erschreckte Megan O’Brien so sehr, dass sie ins Wanken geriet. Sie hatte geglaubt, in dieser Gegend allein zu sein. Halt suchend klammerte sie sich an den Holzrahmen der Windmühle, mit deren Reparatur sie gerade beginnen wollte, ehe sie die fünfzehn Meter in die Tiefe schaute, die sie vom Boden entfernt war.

Ein gutes Stück weiter weg stand ein älterer Kleinlaster. Der heftige Wind, mit dem das Frühjahr Einzug in die Berge von Texas hielt, musste das Geräusch des Motors verschluckt haben. Sonst hätte Megan rechtzeitig mitbekommen, dass sie auf dem Grund und Boden ihrer Ranch nicht länger allein war.

Selbst eine Vorwarnung hätte sie jedoch nicht auf den unerwarteten Anblick des Mannes vorbereitet, der direkt unter ihr stand. Er hatte den Stetson weit in den Nacken geschoben und die Hände in die schmalen Hüften gestemmt. Nicht im Traum hätte sie daran gedacht, dass Travis Kane hier auftauchen würde, und das ausgerechnet noch, während sie sich in gewagter Höhe an das alte Relikt klammerte, das den Viehherden auf diesem Teil der Circle-B-Ranch Wasser lieferte – wenn es funktionierte.

Empört und entsetzt starrte Megan ihn an. Was hatte Travis Kane auf ihrer Ranch zu suchen? Was wollte er von ihr?

„Willst du deinen nächsten Geburtstag noch erleben, junge Dame?“

Zorn über seine anmaßende, arrogante und überhebliche Art flammte in ihr auf. Für wen hielt er sich eigentlich, dass er sie einfach so anschrie und kritisierte? Sie lehnte sich mit der Stirn an eine der Querverstrebungen und bemühte sich, ihre aufwallenden Gefühle unter Kontrolle zu bekommen.

Was konnte sonst noch passieren, womit sie fertig werden musste? Sie seufzte verärgert. In den vergangenen Wochen hatte sie einen Schicksalsschlag nach dem anderen hinnehmen müssen und fühlte sich weiteren Katastrophen nicht mehr gewachsen.

Dass die Zahnräder der Windmühle festsaßen, hatte sie für das Ende einer Reihe unglückseliger Missgeschicke gehalten. Offenbar hatte sie sich geirrt, und ihre Pechsträhne wollte nicht abreißen, wie Travis Kanes Auftauchen ihr zeigte.

Megan kannte niemanden, den sie noch weniger ausstehen konnte als Travis. Schon früher hatte es ihm riesigen Spaß gemacht, sie so lange zu triezen, bis sie in Tränen ausbrach. Nun konnte er sich freuen, denn mit der Übernahme der Ranch hatte sie sich genügend Kummer eingehandelt, und das ganz ohne sein Dazutun. Zusätzlichen Ärger brauchte sie weiß Gott nicht.

Sie sah sich die verrosteten Zahnräder an. Das eine war hinüber – es ließ sich nicht mehr reparieren. Irgendwie musste sie etwas Kleingeld zusammenkratzen, um ein Ersatzteil dafür zu besorgen. Die Viehherde konnte nicht ohne Wasser auskommen, so viel stand fest.

Mit einem Schulterzucken über die unausgesprochene Frage, woher sie das nötige Kleingeld nehmen sollte, gab sie auf und begann hinunterzuklettern.

„Hast du keine einfachere Art gefunden, dir das Genick zu brechen?“, wollte Travis unwirsch wissen, als sie ihn fast erreicht hatte. Er legte seine Hände um ihre Taille und hob sie schwungvoll herunter.

Kaum hatte sie wieder festen Boden unter den Füßen, entzog sie sich ihm, musste aber jetzt zu dem großen dunkelhaarigen Mann aufschauen, der sie als Junge so oft zur Weißglut gebracht hatte. Sie kannte ihn bereits ihr ganzes Leben lang – vierundzwanzig Jahre. Seine Eltern besaßen die Nachbarranch.

Ausgerechnet Travis Kane hatte ihr an einem so hundsmiserablen Tag gefehlt, der das Ende eines noch schlimmeren Monats in einem vollkommen tristen Jahr war. Seit zwei Jahren hatte sie Travis nicht mehr gesehen, und ihretwegen hätten es ruhig zwanzig sein können.

„Was machst du hier? Was willst du?“, erkundigte sie sich hitzig, nahm den Strohhut vom Kopf und fuhr sich mit den Fingern durch das kurze blonde Haar.

Auch wenn es erst April war, schwitzte sie trotz der kühlen Brise schon mächtig in der Sonne und spürte, wie sich Feuchtigkeit zwischen ihren Brüsten bildete.

Megan setzte ihren Hut wieder auf und musterte Travis wenig begeistert, während sie auf eine Antwort wartete. Sie hatte keine Zeit für diesen Mann.

Obwohl ihn ihre Reaktion ganz offensichtlich reizte, reagierte Travis mit einem amüsierten Lächeln und schüttelte den Kopf. Er schob seinen Hut nach vorn, sodass ihm die Krempe tief in die Stirn hing. Damit zog er ihre Aufmerksamkeit auf seine unvergesslichen Augen, die tiefblau waren wie die Kornblumen, die in einem besonders feuchten Frühjahr in Texas wuchsen. Leider hatte es schon seit Langem keinen Tropfen Regen mehr in Texas gegeben.

„Na, hallo“, erwiderte er belustigt und musterte ihren schmutzigen Overall und das abgetragene Hemd, an dem bereits die Ärmel herausgerissen waren. „Mein Herz schlägt direkt höher, wenn ich merke, wie begeistert du bist, mich wiederzusehen.“ Er lehnte sich gegen die Windmühle und stützte sich mit einem Fuß an den senkrechten Balken ab. „Hast du nicht wenigstens ein paar nachbarschaftliche Gefühle für einen alten Freund übrig, meine Liebe?“

Megan streifte ihre Arbeitshandschuhe ab und steckte sie in die Gesäßtasche ihres Overalls. „Du warst immer schon eine furchtbare Plage, Kane. Ich wüsste nicht, was sich daran geändert haben sollte, seit ich dich zuletzt gesehen habe.“

Er schaute ihr offen in die Augen und wurde ernst. „Weißt du, ich dachte, du wärst ein bisschen vernünftiger. Wie kannst du hier allein herumklettern? Wenn du ausrutschst und hinfällst, merkt niemand was davon.“

Sie wandte sich ab und ging auf Daisy zu, die sie hatte grasen lassen.

„Um mich brauchst du dir keine Sorgen zu machen.“ Als sie sah, dass er ihr folgte, fügte sie hinzu: „An deiner Stelle würde ich mich an meine eigene Nase fassen. Soviel ich gehört habe, nimmst du immer noch an Rodeoveranstaltungen teil, was bestimmt keine sichere Beschäftigung ist.“

„Wir arbeiten mit kalkulierten Risiken, Megan, während das, was du da machst …“ Er machte eine hilflose Geste, als könnte er sie nicht verstehen.

Sie griff nach den Zügeln ihres Pferdes. „Hör mal, Kane, ich habe weder die Zeit noch die Energie, hier ein Plauderstündchen abzuhalten. Ich habe zu viel Arbeit.“

„Verdammt, Megan. Ich will nur, dass du Vernunft annimmst. Wirst du mir mal zuhören?“

„Ich habe keine Zeit für dich“, murmelte sie vor sich hin.

Er packte sie am Arm und drehte sie zu sich herum. „Das hast du noch nie gehabt. Solange ich mich erinnern kann, hast du mich abblitzen lassen oder mich behandelt, als wäre ich unsichtbar. Schön, früher war ich vielleicht mal unmöglich. Das gebe ich gern zu. Es hat mir Spaß gemacht, dich zu reizen. Du bist so leicht in die Luft gegangen.“ Er deutete auf die Windmühle. „Das hier ist etwas anderes, Megan. Du solltest nicht allein hier draußen herumhantieren und so leichtsinnig dein Leben aufs Spiel setzen. Wenn dir das niemand anders sagt, dann will ich das auf jeden Fall tun!“ Seine Augen funkelten vor unterdrücktem Zorn.

Megan wich seinem Blick aus, ehe sie antwortete: „Ich bin tief gerührt, dass du dir solche Sorgen um meine Sicherheit machst. Vielen Dank auch für den guten Rat, wie ich die Ranch führen soll, Kane. Ich werde es ebenso wenig vergessen wie die vielen anderen weisen Sprüche, die ich mit den Jahren zu hören bekommen habe.“ Sie riss sich von ihm los und schwang sich in den Sattel.

„Warte mal, ja?“, bat er und griff nach ihren Händen. „Nicht so hastig. Ich bin extra hergekommen, weil ich etwas mit dir besprechen wollte.“

Genug war genug! Sie konnte es nicht leiden, angefasst zu werden, und nun tat er das schon zum dritten Mal, seit er hier uneingeladen aufgetaucht war.

Verärgert starrte sie auf seine Hand und schob sie angewidert beiseite. „Tatsächlich? Nun, es freut mich, dass du mir einen nachbarschaftlichen Besuch abgestattet hast, aber ich habe leider noch zu tun. Entschuldige, Travis, vielleicht ein andermal“, setzte sie hinzu und dachte im Stillen, da kannst du warten, bis du schwarz wirst.

„Was ist mit der Windmühle los?“, erkundigte er sich und ignorierte, was sie gerade gesagt hatte. Er hatte die Daumen in die hinteren Taschen seiner eng anliegenden Jeans gesteckt und deutete mit dem Kopf hinter sich.

Sie brauchte seinem Wink nicht erst zu folgen. „Das Zahnrad ist abgenutzt, wie alles hier. Ich werde ein neues bestellen müssen.“

„Warum hast du Butch nicht nach der Windmühle sehen lassen? Ist er nicht dafür eingestellt, solche Arbeiten zu erledigen?“

Megan wollte ihn anfahren, aber sie tat es nicht. Sie hielt sich zurück, was ihr ganz und gar nicht leichtfiel, aber sie hatte vor längerer Zeit gelernt, dass ihr Gegenüber im Vorteil war, wenn sie aus der Haut fuhr. Besonders bei Travis wollte sie den Vorteil auf ihrer Seite wissen. Denn gerade er besaß die Fähigkeit, sie bis aufs Äußerste zu reizen.

Absichtlich gleichmütig erwiderte sie deshalb: „Es geht dich zwar nichts an, aber ich will dir gern deine Frage beantworten. Ich bin dort hinaufgeklettert, weil ich die Verantwortung für die Ranch trage. Wenn jemand ein Risiko eingeht, dann ich. Außerdem ist Butch zu alt, um da hochzuklettern.“

Travis wandte sich ihr zu. „Lass ihn das bloß nicht hören. Er glaubt nämlich nicht, dass es etwas gibt, was er nicht mehr machen könnte.“

Natürlich wusste Megan, dass Travis recht hatte. Butch war ein zäher Mann. „Mag sein, aber ich weiß zufällig, dass sein Rheuma ihn plagt. Er schafft solche Sachen nicht mehr.“

„Du solltest so etwas aber auch nicht machen.“

Damit waren sie wieder beim Anfang. Sie ließ Daisy wenden und wollte wieder den Weg zur Scheune nehmen. „Einer muss diese Arbeit schließlich übernehmen.“

„Verdammt, Megan, so warte doch! Ich meine es ernst. Ich will mit dir reden …“

Sie zügelte ihr Pferd. „Du und ernst? Dass ich nicht lache! Du weißt doch gar nicht, was das ist.“

Sie trieb ihr Pferd an und beugte sich vor, zum Zeichen, dass sie bereit war davonzugaloppieren. Daisy, so lammfromm und gut erzogen wie sie war, reagierte spontan und ließ Travis in einer Staubwolke zurück.

Megan konnte sich gerade noch ein lautes Auflachen verbeißen, besonders als sie ihn nach dem Husten schimpfen hörte.

Der Wunsch zu lachen war jedoch rasch verflogen. Sie hatte keinen Grund, ihre schlechte Laune an Travis auszulassen, auch wenn sie ihn nicht besonders leiden mochte. Er konnte nichts dafür, dass sie sich wie eine Versagerin fühlte.

Sie vermochte das Gefühl nahenden Unheils, das sie schon morgens, wenn sie die Augen öffnete, befiel und das anhielt, bis sie abends erschöpft einschlief, nicht mehr abzuschütteln.

Ob es ihr nun gefiel oder nicht, sie und ihre Schwestern würden die Ranch verlieren. Bis zur Fälligkeit der Hypothek blieben ihr nur noch ein paar Wochen. Trotz aller Mühe konnte sie die diesjährige Rate nicht aufbringen. Die O’Briens von Agua Verde, County Texas, würden die Circle-B-Ranch verlieren, nachdem der Besitz vier Generationen lang in der Familie gewesen war.

Megan leitete die Ranch nun seit acht Jahren. Sie hatte alles getan, um sie aus der Talsohle zu führen, aber das Tal war zu tief. Seit drei Jahren ging es immer mehr bergab.

Sie hatte wirklich alles getan, was sie konnte, aber es war nicht genug gewesen …

Butch wartete schon auf sie, als sie an der Scheune ankam. „Hat dein Besucher dich gefunden?“, fragte er, als sie vom Pferd stieg. „Ich wusste nicht, was ich ihm sagen sollte, außer dass du irgendwo in den Bergen wärst. Wo warst du eigentlich?“

„Ja, er hat mich gefunden. Ich habe mich auf den südöstlichen Weiden umgesehen und bemerkt, dass kein Wasser mehr im Vorratstank war. Die Windmühle drehte sich nicht. Sie lässt sich aber nicht reparieren, ohne dass wir ein Ersatzteil besorgen.“

„Soll ich raufklettern und nachsehen, falls man sie doch so reparieren kann?“

Sie schüttelte den Kopf. „Das habe ich bereits getan. Die Mühle ist zu alt. Ich müsste den ganzen Aufbau erneuern, aber das kann ich nicht. Mit einem neuen Zahnrad kommen wir wenigstens über die größte Hitze. Bis zum Herbst kann ich …“ Sie hielt mitten im Satz inne. Es hatte keinen Sinn, an den Herbst zu denken. Bis dahin würde ihnen die Ranch gar nicht mehr gehören … außer es geschähe ein Wunder.

Ein Gefühl der Sinnlosigkeit überwältigte sie.

Bei dem Geräusch eines Motors wandten sie sich beide um und sahen, wie ein älterer Kleinlaster mit Travis hinter dem Steuer auftauchte. Er fuhr einen großen Bogen und hielt vor dem Haus.

„Gestern hat mir jemand erzählt, dass Travis für ein paar Tage wieder da ist“, sagte Butch und drehte sich eine Zigarette. „Ich war ein bisschen überrascht, als er hier ankam und nach dir fragte. Ihr beide wart doch noch nie besonders gute Freunde, oder?“

Sie wandte sich vom Haus ab und führte Daisy in die Scheune. Butch folgte ihr und steckte sich die selbst gedrehte Zigarette hinters Ohr. „Stimmt“, antwortete sie und führte Daisy in ihre Box. „Aber du weißt ja, wie Travis ist. Er hält sich für wer weiß wen und findet, dass wir uns geehrt fühlen müssen, wenn er uns besucht.“

Butch löste die Gurte und hob den Sattel vom Rücken des Pferdes, während Megan begann, das Tier abzureiben. „Was wollte er denn?“

Sie zuckte mit den Schultern, ohne sich umzusehen. „Er sagte, er wollte wegen irgendetwas mit mir reden. Ich kann mir nicht vorstellen, weswegen.“

„Vielleicht hat er von den Schwierigkeiten gehört, die du hast. Glaubst du, es könnte sein, dass er dir die Ranch abkaufen will?“

Sie schüttete etwas Hafer in den Futtertrog der Box. „So dumm ist er nicht. Warum sollte er die Ranch wollen? Er ist nie zu Hause. Außerdem gehört den Kanes doch schon ein großes Stück Land.“

„Weil sein Vater noch jung und gesund genug ist, seine Ranch selbst zu bewirtschaften. Travis wollte nie jemandem Rechenschaft schuldig sein, nicht mal seinem Vater.“ Butch amüsierte sich darüber. „Am allerwenigsten seinem Vater, wenn du es genau wissen willst.“ Er trat aus der Box und hielt ihr die Tür auf.

Sie deutete auf den fast aufgebrauchten Futtervorrat, als sie zum Scheunentor zurückkehrten. „Hast du heute den Hafer bei der Genossenschaft abgeholt?“, fragte sie und ignorierte die Tatsache, dass Travis sich gegen die Motorhaube seines Wagens gelehnt hatte und wartete. Er machte sich nicht die Mühe, zu ihnen zu kommen.

Butch ließ sich Zeit, seine Zigarette anzuzünden. Dann zog er den Hut ab und strich sich sorgsam die lichten Strähnen glatt, ehe er ihn wieder aufsetzte. „Ja, das Futter habe ich abgeholt. Es liegt noch auf der Ladefläche meines Wagens. Der alte Brogan hat gesagt, wenn du jetzt nicht etwas von deinen Schulden bezahlst, kann er dir danach nichts mehr auf Kredit geben.“

„Und was gibt es sonst noch Neues?“

„Du bist nicht die Einzige, die nicht mehr weiterweiß. Die Dürre hat alle in der Gemeinde hart getroffen. Jeder muss seine Futterreserven auffüllen, um die Viehherden durchzufüttern.“

„Ich weiß.“

„Als Rancher kann man nicht reich werden, Missy. Das ist ein hartes Leben.“

„Es ist nicht so, als wüsste ich das nicht, Butch.“ Megan massierte sich den Nacken. „Trotzdem ist die Ranch mein Leben. Ich kenne kein anderes. Außerdem ist es Mollies und Maribeths Zuhause.“

Er klopfte ihr umständlich auf die Schulter. „Du hast deine Sache gut gemacht. Wirklich. Du hast viel zu viel Verantwortung auf dich geladen, um die Mädchen großzuziehen und das hier alles allein in Schuss zu halten, aber du hast allen gezeigt, dass du das kannst. Du brauchst dich nicht zu grämen, wenn du jetzt aufgeben musst.“

Sie straffte sich innerlich, als er ihre Schwestern erwähnte. „Bis jetzt sind wir allein gut zurechtgekommen. Du hast gerade selbst gesagt, dass niemand an der Dürre schuld ist. Nun, ich kann auch nichts dafür, dass sämtliche Geräte gleichzeitig kaputtgehen oder dass der verdammte Brunnen fürs Haus vergangenen Monat versiegt ist und wir einen neuen bohren lassen mussten.“

„Ich habe doch gar nicht gesagt, dass jemand schuld daran ist. Sei nicht so empfindlich. Ich finde ja auch nur, dass eine junge Frau wie du nicht so eine schwere Last zu tragen haben sollte. Du müsstest auch mal mit Freunden ausgehen.“

Sie schnaubte wenig damenhaft. „Die meisten meiner Freunde sind verheiratet und mit ihren eigenen Familien beschäftigt. Wenigstens sind Mollie und Maribeth alt genug, um auf sich selbst aufzupassen.“

Er deutete zu Travis hinüber. „Wann gehst du zu ihm und hörst mal, was er hier will? Es sieht nicht so aus, als hätte er vor, so bald wieder abzufahren. Ignorieren allein hilft wohl nichts.“

Sie schaute nach Westen, ehe sie etwas darauf erwiderte. „Ich nehme an, der heutige Tag kann nicht mehr schlimmer werden, als er schon war. Ich werde mal hören, was ich machen muss, damit Travis wieder geht.“

„Ich wünschte, ich hätte das Geld, das du brauchst. Ich würde es dir auf jeden Fall geben“, bemerkte Butch rau.

Sie tätschelte ihm den Arm und lächelte. „Ich weiß, Butch.“

„Ich habe miterlebt, wie ihr aufgewachsen seid. Ich habe euch alle drei in Windeln gesehen, wie ihr euren Eltern überallhin gefolgt seid und miteinander gespielt habt. Rory und June waren immer so stolz auf ihre Mädchen. Sie wollten immer nur das Beste für euch.“

„Ich weiß. Manchmal läuft es im Leben anders als man plant … und als man es sich wünscht.“ Entschlossen straffte Megan ihre Schultern, wandte sich ab und marschierte zum Haus hinüber, wo Travis abwartend stand.

Megan spürte deutlich, wie er sie beobachtete, als sie den Hof zwischen Scheune und Haus überquerte. Sie war sich im Klaren, was er sah – eine dünne Blondine mit kurzhaarigem Wuschelkopf, einem durchschnittlichen Gesicht mit zu großem Mund und, so wie es sich anfühlte, mit einem Sonnenbrand auf der Nase.

Ihr Overall war alt, verwaschen und an manchen Stellen fast durchgescheuert, während ihre Arbeitsstiefel so abgetragen waren, dass ihre ursprüngliche Farbe nicht mehr zu erkennen war.

Wirklich sehr modisch! Außerdem war sie restlos erschöpft und ziemlich gereizt.

„Was stehst du hier herum?“, wollte sie wissen, als sie näher kam. „Was willst du?“

Lässig und langsam richtete er sich auf. „Ich habe es dir doch gesagt, ich will mit dir reden.“

Sie bemühte sich, ihre Ungeduld unter Kontrolle zu bringen. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass dieser Mann etwas zu sagen haben sollte, das sie interessierte, außer er plante, von Agua Verde County wegzuziehen und war entschlossen, nicht mehr zurückzukehren.

Dicht vor ihm blieb Megan stehen und verschränkte die Arme vor der Brust. „Worüber?“

Er blickte zum Haus hinüber. „Können wir nicht drinnen darüber reden? Es könnte eine Weile dauern.“

Sie wollte ihn nicht ins Haus einladen. Sie wollte Travis Kane gar nicht in ihrer Nähe haben. Leider fiel ihr kein Vorwand ein, um ihn wegzuschicken.

Es blieb ihr wohl nichts anderes übrig, als ihn anzuhören. Megan trat an ihm vorbei und führte ihn die breite Treppe hinauf in die Küche. „Komm mit. Mollie hat sicher Tee für uns.“

Sie betrat den großen Raum, der das Herz des Hauses war. Die Küche diente als Familienberatungszimmer, Hausarbeitsraum, Problembesprechungszimmer und noch vielen anderen Zwecken.

Der Raum war deutlich renovierungsbedürftig. Jeden Penny, den sie nicht für die Ausbildung ihrer beiden Schwestern brauchte, steckte sie in die Ranch.

Sie ging zur Teekanne, füllte zwei Gläser mit Eiswürfeln, goss Tee darüber und stellte die Gläser auf den runden Tisch mitten im Raum.

Megan wartete, bis Travis Platz genommen hatte, ehe sie sich ihm gegenüber hinsetzte. Sie war schrecklich müde. Sie schlief nicht nur schlecht, sondern sie arbeitete auch dermaßen hart, als ob sie damit das Schicksal der Ranch ändern könnte.

Ihr Körper schmerzte bei jeder Bewegung. Am liebsten hätte sie sich jetzt ein warmes Bad gegönnt, statt sich mit Travis zu unterhalten.

Travis Kane hatte ihr schon Schwierigkeiten gemacht, als sie noch zur Schule gingen und täglich mit dem Schulbus fahren mussten. Warum sollte sich daran etwas geändert haben?

„Wann bist du denn zurückgekommen?“, erkundigte sie sich mehr aus Höflichkeit als aus echter Neugier.

„Mittwochabend.“

„Aha“, erwiderte sie so gleichmütig wie möglich, griff nach ihrem Glas und trank einen erfrischenden Schluck Tee.

Travis wartete, bis sie ihn wieder ansah, ehe er sich vorbeugte, auf seine Unterarme stützte und sagte: „Ich bin Maribeth heute Morgen zufällig auf der Post begegnet.“

Sie musterte ihn einen Moment und wartete, ob er noch etwas hinzufügen würde. Als er das nicht tat, entgegnete sie: „So?“

„Sie sagte, ihr hättet Probleme.“

Sie entschied sich, mit ihrer jüngsten Schwester einmal ausführlich darüber zu sprechen, dass Familienangelegenheiten Außenstehende nichts angingen. Betont gelassen betrachtete Megan die Eiswürfel in ihrem Tee. „Nicht mehr als alle anderen hier in der Gegend auch. Sieht ganz so aus, als würde die Dürre die ganze Gemeinde in die Knie zwingen.“

Megan zwang sich, zu Travis aufzuschauen. Da bemerkte sie erst, dass er seinen Hut abgenommen hatte. Aus der Nähe fielen seine ungewöhnlich blauen Augen noch mehr auf, so stark war der Kontrast zwischen ihrer strahlenden Farbe und seiner Bräune.

„Megan …“, begann er und hielt inne, als suchte er nach den passenden Worten.

Megan wusste, dass Travis immer wortgewandt gewesen war, und es überraschte sie, dass er zögerte. „Was denn?“, fragte sie schließlich.

„Maribeth sagte, dass die neue Geschäftsführung der Bank wohl nicht willens wäre, euch den bisherigen Spielraum bei den Hypothekenzahlungen einzuräumen.“

Innerlich knirschte sie mit den Zähnen, dass ihre Schwester eine so lose Zunge hatte. Sie trank erneut einen Schluck Tee, ehe sie etwas erwiderte. „Maribeth redet zu viel“, stieß sie schließlich gepresst hervor.

Er nahm sein Glas in die Hände und drehte es mehrmals. „Megan, ich weiß, du kannst mich nicht leiden, auch wenn ich nicht verstehe, warum. Sicher, ich habe dich früher viel geärgert, aber da waren wir beide Kinder. Mein Necken war nie böse gemeint. Ich habe immer gedacht, wir wären Freunde, auch wenn wir uns in den vergangenen Jahren wenig gesehen haben. Daher habe ich auch gedacht, wenn du etwas brauchst, wüsstest du, dass ich dir jederzeit helfen würde, so weit ich das kann.“

Sie sprang so hastig auf, dass ihr Stuhl umkippte. „Bist du deshalb hergekommen? Hältst du uns für einen Sozialfall in der Nachbarschaft? Ja? Nun, du könntest …“

„He, langsam!“, unterbrach er sie, stand ebenfalls auf und machte eine beschwichtigende Geste. „Mensch, verflixt, musst du gleich so gereizt reagieren? Was hast du eigentlich? Warum bist du beleidigt, nur weil ich dir meine Hilfe anbiete?“

Sie spürte, wie ihr die Hitze in die Wangen stieg, was ihren Zorn nicht im Mindesten dämpfte. „Wir brauchen deine Hilfe nicht. Wir kommen allein zurecht“, wehrte sie ab, hob ihren Stuhl auf und stellte ihn wieder hin. Dann ließ sie sich wieder darauf nieder und griff mit beiden Händen nach ihrem Glas.

„Komm schon, Megan, wenn du Hilfe brauchst, musst du dich deswegen nicht genieren. Wir sind alle mal auf Hilfe angewiesen.“

Sie schaute zu ihm auf und wusste, sie machte sich lächerlich. Warum überraschte sie das nicht? In Gegenwart dieses Mannes hatte sie sich noch nie natürlich verhalten können, nicht mal, als sie noch Kinder waren. „Entschuldige“, murmelte sie. „Ich bin bloß müde, das ist alles. Ich wollte es nicht an dir auslassen.“

Er setzte sich wieder. „Mir ist klar, dass es für dich schwer ist. Es war einfach großartig von dir, dass du deine Familie so zusammengehalten hast. Und ich möchte dir gern helfen, wenn du mich lässt. Ich habe genug Geld gespart, das mir Zinsen bringt. Sicher kannst du es brauchen, um das Schlimmste zu überbrücken. Lass es uns mal so betrachten, irgendwann wird es regnen, und die Preise fürs Vieh werden wieder steigen. Du kannst das Geld sicher gut gebrauchen, während ich zurzeit nicht darauf angewiesen bin.“

Megan konnte nicht mehr länger ruhig dasitzen und ihn ansehen. Sie stand auf, ging zur Anrichte hinüber und kehrte ihm den Rücken zu. Nie zuvor hatte sie sich so wegen ihres Temperaments geschämt. Es spielte keine Rolle, was Travis in der Vergangenheit gemacht hatte oder wie wenig sie sich in seiner Gesellschaft wohlfühlte. Er war den ganzen Weg hierher gefahren, um ihr zu helfen. Und was hatte sie getan? Ihn unhöflich behandelt und das ohne wirklichen Grund.

Er konnte schließlich nichts dafür, dass sein Leben so viel leichter schien, weil er gut aussah, unwiderstehlich anziehend lachte und sich schon in der Schule sämtliche Mädchen nach ihm umgedreht hatten. Auch war es nicht seine Schuld, dass sie häufig aufgezogen worden war, weil sie nebeneinander wohnten.

Er konnte auch nichts dafür, dass sie ihn nicht mochte.

Mit der Teekanne in der Hand kehrte sie an den Tisch zurück, um sich und ihm nachzuschenken. „Es tut mir leid, dass ich so unhöflich war“, sagte sie und setzte sich wieder. „Es ist wirklich nett von dir, mir deine Hilfe anzubieten.“ Megan konnte ihm nicht in die Augen schauen. Hatte sie sich nicht schon früher von seinen Blicken bis in ihre Träume verfolgt gefühlt, ohne dass er ihr unbedingt gegenübersitzen musste?

Travis lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und lächelte sie stumm an. „Danach, was mir Dad erzählt hat, ist die neue Geschäftsleitung der Bank mehr um ihren Gewinn und ihre Bilanzen besorgt als um das Wohl der Leute in der Gemeinde. Du könntest also vollkommen recht haben“, meinte er.

„Kannst du ihnen das verübeln? Wo so viele Banken im Staat Pleite machen, ist es doch kein Wunder, dass sie darum besorgt sind.“

„Hast du denn schon mit ihnen gesprochen?“

Sie nickte.

„Hast du ihnen angeboten, nur die Zinsen zu zahlen?“

„Sie wollen die ganze Summe, sonst wird die Ranch zwangsversteigert. Eine andere Wahl habe ich nicht.“

Er schimpfte leise vor sich hin, aber Megan verstand seine Worte nicht.

Sie richtete sich kerzengerade auf. „Warum kümmert dich das?“, wollte sie wissen. „Travis, wir waren noch nie Freunde. Sicher hast du damit gerechnet, dass ich es nicht schaffe. Du hattest sowieso noch nie eine gute Meinung von mir, soweit ich mich erinnere.“

Er rieb sich das Kinn. „Soweit ich mich erinnern kann, hast du mich immer wie eine lästige Schmeißfliege behandelt. Ich müsste geradezu froh sein, dass die hochmütige Prinzessin kurz vor ihrem Sturz ist.“

„Genau.“

Eine Weile sahen sie sich schweigend an. Schließlich seufzte Travis. „Ich hatte es wohl verdient, so herablassend behandelt zu werden, was? Ich war ja nicht gerade nett zu dir – hab dich an den Haaren gezogen, dir die Bücher weggenommen, deine Freunde veralbert …“

„Du hast damit deutlich gezeigt, was du von mir hältst, das steht fest.“

„Wäre es hilfreich, wenn ich dich daran erinnere, dass ich inzwischen erwachsen geworden bin?“ Er schenkte ihr das atemberaubende Lächeln, mit dem er sich früher schon aus verzwickten Lagen gerettet hatte.

„Nein“, erwiderte sie.

„Oh.“ Er schaute sich in der Küche um, ehe er ihrem Blick erneut begegnete. „Es ist nur so, ich war sehr betroffen, als ich von Maribeth hörte, was hier los ist. Seit der Highschool haben wir uns nicht mehr gesehen. Ich meine, wie ich mich dir gegenüber verhalten habe, das liegt lange zurück. Die vergangenen acht Jahre war ich nur unterwegs.“

Das wusste sie. In der Schule war er zwei Jahre weiter gewesen als sie und hatte seinen Abschluss gemacht, als sie sechzehn war. Er war Schülersprecher gewesen, Kapitän der Footballmannschaft und Ballkönig. Das Verhalten, von dem sie hier sprachen, lag mehr als zehn Jahre zurück …

„Wirst du mich helfen lassen, Megan? Bitte? Dann weiß ich wenigstens, dass du mir all die kindischen Streiche verziehen hast. Ich kann nicht einfach zusehen, wie du alles verlierst, nicht wenn ich dir doch helfen kann. Sicher verstehst du das.“

Sie vermochte nicht zu begreifen, dass diese Unterhaltung wirklich stattfand. Ausgerechnet mit Travis Kane. Natürlich würde sie sein Angebot nicht annehmen, aber allein die Tatsache, dass er einen solchen Vorschlag machte, war schlichtweg verblüffend für sie.

Ihr Schweigen schien ihn zu ermuntern. „Du hast Enormes geleistet, Megan. Du warst so jung, als du die Ranch übernommen hast. Die anderen beiden waren damals noch in der Grundschule, nicht wahr?“

„Ja.“ Sie wich seinem Blick aus und malte mit dem Finger Muster auf ihr beschlagenes Glas.

„Wann ist die Hypothekenzahlung fällig?“

Sie hob den Kopf, dankbar, dass er das Thema gewechselt hatte. „Am Ersten.“

„Wird sie jährlich entrichtet?“

„Ja.“

„Es hat keinen Zweck, ein paar Rinder zu verkaufen, nicht wahr?“

„Bei den augenblicklichen Preisen nicht. Wer weiß, ob sie jemals wieder steigen. Niemand scheint heutzutage mehr Fleisch zu essen, wenn man sich die Entwicklung des Marktes ansieht. Ich habe versucht durchzuhalten, in der Hoffnung, dass es sich nur um eine vorübergehende Flaute handelt. Wenn ich bei den heutigen Preisen verkaufen würde, wäre alles verloren, was ich in diese Herde investiert habe.“

„Wirst du dir von mir das Geld leihen lassen?“

„Ich weiß dein Angebot zu schätzen, Travis. Wirklich. Es war nett von dir, heute so lange hierzubleiben, obwohl ich so ruppig zu dir war. Aber auf Dauer hilft es wenig, wenn ich mir das Geld bei dir leihe. Ich hätte nur neue Schulden, die ich nicht bezahlen kann.“ Sie rieb sich die Stirn, als sie die ersten Anzeichen von Kopfschmerzen spürte. „Ich habe so viel darüber nachgedacht. Es gibt keinen Ausweg und keinen Grund, die Sache noch weiter hinauszuzögern.“ Sie rang sich ein Lächeln ab. „Weißt du, es ist schon ein bisschen eigenartig. Paddy O’Brien hat die Ranch vor über hundert Jahren beim Kartenspiel gewonnen.“ Sie fragte sich, ob er das wohl gewusst hatte. „Mein Vorfahre war ein Glücksspieler und hatte keine Ahnung von Ackerbau und Viehzucht.“

Allzu überrascht schien er nicht. Mehrere Familien in dieser Gegend hatten die eine oder andere eigenartige Geschichte zu erzählen.

„Du warst auch eine Glücksspielerin, Megan“, erklärte Travis in einem sanfteren Ton als sie ihn je von ihm gehört hatte. „Vergiss das nicht. Ebenso bist du eine Kämpfernatur, hast einen starken Überlebenswillen und hast niemals aufgegeben.“

Unerwarteterweise fiel ihr das Schlucken schwer. „So siehst du mich?“

„Sicher, warum überrascht dich das?“

„Ich dachte immer …“ Sie entschied sich, ihm lieber nicht zu verraten, was sie erwartet hatte. „Macht nichts. Spielt keine Rolle.“

Er rückte mit seinem Stuhl näher an den Tisch und beugte sich vor. „Sieh mal, wenn du mir nichts schulden willst, dann habe ich noch einen anderen Vorschlag, der dir Zeit lässt – sodass du deine Hypothek bezahlen und warten kannst, bis die Rinderpreise wieder steigen.“

Sie musterte ihn abschätzend. „Was soll ich denn tun? Etwa im Lotto gewinnen?“

„Nein. Heirate mich.“

2. KAPITEL

Megan wurde klar, dass sie Travis wohl mit offenem Mund angestarrt hatte, denn plötzlich war ihre Zunge trocken. Sie griff nach ihrem Glas und leerte es mit einem Zug, während ihre Gedanken sich überschlugen.

Travis wollte sie heiraten? Travis Kane? Wie konnte er dabei reglos sitzen bleiben und sie gelassen mustern?

„Ich soll dich heiraten?“, wiederholte sie schließlich schwach.

„Ich weiß, du hältst mich für verrückt“, erwiderte er hastig, so als fürchtete er, sie würde ihn auf der Stelle wegschicken. „Aber hör mir bitte einen Augenblick zu. So wäre es kein Kredit für dich. Ich mache eine Investition, die sich entweder bezahlt macht oder nicht, aber auf jeden Fall hast du schon mal das Geld, das du jetzt brauchst, und noch etwas mehr. Du kannst die verdammte Windmühle reparieren lassen und alles, was sonst noch kaputt ist. Du wirst genug haben, um ein paar Hilfskräfte einzustellen. Bestimmt fehlen dir welche. Wir gehen vor wie bei einer Geschäftsbeziehung, wie ein Partnerschaftsvertrag oder so. Wir setzen ein Zeitlimit, sagen wir mal ein Jahr. Nach Ablauf der Zeit betrachten wir uns noch einmal die Lage und entscheiden, ob wir unsere Partnerschaft fortsetzen wollen. Wenn nicht, na ja – wer weiß, was bis dahin passiert.“ Er schenkte ihr dieses unwiderstehliche Lächeln, und sie war nahe daran, nachzugeben. „Ich meine, die Dürre hält schließlich nicht für immer an. Es wird besser werden, und du musst dir nicht die ganze Zeit so viel Sorgen machen …“

„Was hast du eigentlich davon?“

Er hatte ziemlich schnell geredet. Doch bei ihrer Frage hielt er inne, als hätte ihm jemand eine Hand auf den Mund gelegt. Er schluckte und musterte sie bedächtig. „Ich?“, wiederholte er, als verwirre ihn diese Frage.

„Ja. Warum willst du so großzügig sein? Wenn du die Ranch haben willst, kannst du mir doch ebenso gut ein Angebot dafür machen.“

„Megan, du willst den Besitz doch nicht verkaufen. Es ist dein Zuhause. Ich will ihn auch nicht. Eine Ranch führen lässt sich nicht mit meinem Lebensstil vereinbaren. Das weißt du auch. Außerdem, wenn du sie verkaufst, wo wollt ihr dann wohnen?“

Sie konnte es nicht fassen, dass sie ausgerechnet mit Travis Kane diese Unterhaltung führte. „Wenn wir die Ranch verkaufen würden, könnten wir hinziehen, wo wir wollen. Wenn die Bank sie zwangsversteigert, weiß ich nicht, wo wir bleiben sollen“, gab sie zu. „Aber wir würden sicher etwas finden. Und verhungern würden wir auch nicht.“

„Aber so kannst du hierbleiben, hast genug Geld für die nötigen Reparaturen und …“

„Du hast meine Frage nicht beantwortet. Warum machst du mir so ein Angebot? Welchen Vorteil hast du dabei?“

„Eine Ehefrau?“, fragte er etwas zögerlich.

„Komm, Travis, das ist ja wohl das Letzte, was du willst. Du brauchst doch keine Frau. Und wenn du wirklich plötzlich auf den Geschmack gekommen bist, würdest du nicht ausgerechnet mich heiraten!“

Nervös rutschte er auf dem Stuhl hin und her, zupfte sich am Ohrläppchen, kratzte sich die Nase, zog an seinem Kragen und strich sich das Haar aus der Stirn. Schließlich murmelte er: „Du unterschätzt dich, Megan.“

Dass er so nervös war, tröstete sie ein wenig. „Soll das heißen, du bist in mich verliebt?“

Er straffte sich. „Hm – na ja, würdest du mir das glauben?“

„Auf keinen Fall“, entgegnete sie sofort.

Unruhig zuckte er mit den Schultern. „Dann bin ich nicht in dich verliebt.“

Sie nickte. „Schön, du bist wenigstens ehrlich.“

Er räusperte sich und trank einen Schluck Tee, ohne ihrem Blick zu begegnen.

Sie musterte ihn ein paar Minuten schweigend. „Aber das ist nicht dein Ernst“, behauptete sie.

„Doch“, widersprach er. „Nimm mich beim Wort.“

„Dich beim Wort nehmen?“, wiederholte sie misstrauisch.

„So sagt man doch. Ich bin bereit, dir zu zeigen, dass ich es ernst meine. Ich mache dir das Angebot, weil ich dir helfen will. Dazu sind Freunde doch da – um sich gegenseitig zu helfen.“

„So wie du das sagst, klingt es, als wäre es ein neuer Zeitvertreib!“ Sie lehnte sich auf dem Stuhl zurück und verstellte ihre Stimme absichtlich. „He, in letzter Zeit ist nicht viel los. Vielleicht sollte ich mal heiraten!“ Mit normaler Stimme fügte sie hinzu: „Für dich ist im Leben wohl alles Spaß. Gib es zu!“

„Und was ist mit dir? Du nimmst alles furchtbar ernst. Kannst du dir nicht mal einen Spaß gönnen?“

„Natürlich siehst du das Leben so. Für dich war es auch immer leicht. Du hast nie für andere Verantwortung tragen müssen und hast nie etwas wirklich ernst genommen.“

„Ein paar Dinge schon“, behauptete er.

„Und die wären?“

„Die Rodeoveranstaltungen. Ich habe Preisgelder gewonnen. Das ist das Geld, das ich dir geben will. Ich habe es mir schwer verdient. Die Arbeit nehme ich wirklich ernst. Du hörst mich keine Witze darüber reißen, oder?“

Widerstrebend gab sie zu: „Nun ja, das stimmt.“

„Freundschaften nehme ich auch ernst. Ich weiß, ich war in den vergangenen Jahren nicht oft zu Hause, aber wenn ich da war, habe ich mich immer nach dir und deinen Schwestern erkundigt, um mich zu vergewissern, dass es euch gut geht. Und soweit ich mich erinnere, habe ich dich vor ein paar Jahren mal ins Kino eingeladen, aber du hast mich ganz unwirsch abblitzen lassen.“

„Ins Kino gehen bedeutet für mich eine Stunde Fahrt bis zur nächsten Stadt.“

„Hast du deshalb abgelehnt?“

Sie starrte ihn entgeistert an. „Was denkst du? Ich stehe früh auf. So spät ins Bett zu kommen kann ich mir nicht erlauben. Außerdem habe ich nicht gedacht, dass du es ernst meinst. Du wolltest nur hören, was ich dazu sage, wie immer, wenn du mich auf den Arm genommen hast.“

„Gehst du denn gar nicht aus?“

Sie schaute an ihren schmutzigen Sachen herunter. Dann hob sie den Blick an. „Sicher. Siehst du denn nicht, dass die Männer draußen schon Schlange stehen und ungeduldig darauf warten, endlich mit mir auszugehen? So wie ich aussehe, muss ich sie regelrecht abwimmeln.“

Travis runzelte die Stirn. „Tu das nicht, Megan.“

„Was denn?“

„Dich so herabsetzen. Du bist eine sehr attraktive Frau. Und was genauso wichtig ist, du bist herzensgut und liebevoll, hast deine Familie beschützt und alles auf dich genommen.“

Sie musterte ihn prüfend. „Hast du von einem der Bullen, die du reitest, eins auf den Kopf bekommen, Travis? Ich kann nicht fassen, was du da sagst. Bist du sicher, du verwechselst mich nicht mit jemanden?“

„In den vergangenen Jahren haben wir uns einfach zu wenig gesehen, und du kennst mich kaum. Und was du noch in Erinnerung hast oder mal hier und da erfährst, beeindruckt dich wohl nicht sonderlich. Willst du mir nicht die Chance geben, dir zu beweisen, dass ich ein guter Ehemann sein kann?“

Bei dem Wort Ehemann rann ihr ein Schauer über den Rücken. Travis Kane? Sie müsste verrückt sein, wenn sie auch nur im Traum daran dächte, ihn zu heiraten, gerade ihn. Egal, aus welchem Grund.

Selbst wenn das bedeutet, die Ranch wäre gerettet? flüsterte eine innere Stimme, und zum ersten Mal in ihrem Leben verstand sie, worüber der Pastor in der Sonntagspredigt sprach, wenn er das Thema Versuchung anschnitt.

Travis Kane war früher unmöglich gewesen, und seine ständigen Streiche hatten ihr in der Highschool fast das Herz gebrochen. Natürlich hatte er nie erfahren, wie sehr sie damals in ihn verliebt gewesen war. Sie hatte nicht die Absicht, es ihm jemals zu sagen.

Wie hätte sie damals als verträumtes Mädchen reagiert, wenn sie gewusst hätte, dass der allseits beliebte Travis Kane eines Tages zu ihr käme und ihr einen Antrag machte?

Als Freund.

Er liebte sie nicht. Natürlich nicht. Das hatte er doch eben selbst gesagt.

Aber andererseits liebte sie ihn ja auch nicht. Es wäre also tatsächlich nur wie eine Geschäftsabsprache, mehr nicht. Die Abmachung hätte ein Verfallsdatum.

„Ein Jahr sagtest du?“

„Es kann auch für länger sein, wenn du möchtest.“

„Nein, ein Jahr reicht. Dadurch bekäme ich genug Luft, wie du gesagt hast. Ich hätte auch genügend Zeit, Pläne zu machen und zu entscheiden, ob ich den Besitz verkaufen will. Danach könnte ich …“ Sie hielt inne, als ihr plötzlich eine weitere Frage einfiel. „Ich, äh, – ich schätze, du wirst auch hier wohnen wollen, oder?“ Sie lachte nervös und beantwortete sich die Frage selbst. „Aber sicherlich. Wir wären ja verheiratet, und es würde eigenartig aussehen, wenn du weiterhin bei deinen Eltern wohnst.“ Sie klang ein wenig durcheinander, aber so fühlte sie sich auch. Das war eben das Verrückteste, was ihr je passiert war. Noch verrückter als die Tatsache, dass sie sogar überlegte, sein eigenartiges Angebot anzunehmen … denn die andere Alternative war zu schmerzlich. Sie hatte sich ein Wunder herbeigesehnt, oder nicht? Sie hatte nur nicht mit Gottes seltsamem Sinn für Humor gerechnet.

„So oft bin ich sowieso nicht zu Hause, Megan“, erklärte Travis ruhig. „Ich nehme weiterhin an den Rodeoveranstaltungen teil.“

„Ach ja, richtig!“, erwiderte sie und vermochte nicht, ihre Erleichterung zu verbergen. „Nun, das wäre dann ja in Ordnung.“ Sie sprang auf und begann, auf und ab zu gehen. „Ich meine, wir haben ja hier viel Platz“, sagte sie mit weit ausholender Geste. „Dieses alte Haus erstreckt sich in alle Himmelsrichtungen. Es gibt eine Reihe Schlafzimmer …“ Abrupt hielt sie inne und musterte ihn unsicher. „Oder würdest du das Zimmer mit mir teilen wollen?“

Er holte tief Luft und hielt den Atem an. Dabei ruhte sein Blick auf ihr. Als er schließlich ausatmete, lächelte er amüsiert. „Wie es dir am angenehmsten ist, Megan.“

„Oh.“ Sie dachte darüber nach, wie es sein würde, mit Travis Kane im selben Zimmer zu schlafen und erschauerte. „Also, der Gedanke, mit dir mein Zimmer zu teilen, ist mir bestimmt nicht angenehm … oder mit jemand anderem … ehrlich gesagt.“

„Ich verstehe.“

Sie begann, erneut auf und ab zu gehen. „Na ja, an so eine Vorstellung muss ich mich erst gewöhnen. Ich habe nie damit gerechnet, dass ich heiraten würde. Deshalb habe ich auch nie über so etwas nachgedacht.“ Megan trat ans Fenster, schaute nach draußen und überlegte, wann ihre Schwestern wohl zurückkämen und wie sie ihnen erklären sollte, was sie vorhatte.

„Wieso denn das?“

Bei seiner Frage wirbelte sie verblüfft herum. „Wieso hätte ich darüber nachdenken sollen? Ich hatte ganz andere Dinge im Kopf.“ Sie breitete ihre Arme aus und lachte. „Wer würde jemanden wie mich heiraten wollen? Eine Frau, die versucht, eine heruntergekommene Ranch zu bewirtschaften und ihre Schwestern großzuziehen? Niemand, der auch nur einen Funken Verstand besitzt, wird unter solchen Umständen daran interessiert sein.“ Sie musterte ihn skeptisch.

„Doch, ich“, erwiderte er gelassen.

Megan vermochte ihren prüfenden Blick nicht zu senken. Hatte sie den Haken an der Sache entdeckt? War er bei seinen Bullenritten vielleicht doch zu oft auf den Kopf gefallen? Er schien zwar vollkommen vernünftig, aber sein Vorschlag deutete darauf hin, dass er verrückt war. Doch er war so klug gewesen und hatte von vornherein eine zeitliche Begrenzung mit einbezogen. Lächelnd erinnerte sie ihn daran. „Ja, aber nur für ein Jahr. Glaub mir, nach einem Jahr wirst du mehr als froh sein, wieder hier wegzukommen.“ Sie nickte und erkannte mehr und mehr die Vorteile seines ausgefallenen Vorschlags. „Bis dahin hat Mollie ihren Abschluss an der Highschool. Wer weiß? Vielleicht wollen meine Schwestern ja lieber in die Stadt ziehen. Oder nach Austin oder San Antonio.“

Plötzlich fühlte Megan sich beschwingter als seit Wochen – nein, als seit Monaten – und merkte, dass sie halb verhungert war. Sie ging zum Kühlschrank hinüber und öffnete ihn. „Da ich gerade von den beiden spreche, sie haben die Nacht bei Freunden verbracht. Ich weiß nicht, wann sie nach Hause kommen, deshalb hat es wenig Sinn, ihnen etwas zu kochen. Aber ich habe Hunger.“ Sie spähte über ihre Schulter. „Willst du noch etwas bleiben und mit mir essen?“

Er lächelte. „Das würde ich gern tun, Megan.“

Sie stöberte im Kühlschrank herum. „Etwas Besonderes gibt es nicht. Mollie ist unsere Köchin. Ich mache nur einen Imbiss und …“

Sie richtete sich auf und hielt eine Platte mit Käse und Aufschnitt in den Händen. Damit wandte sie sich zu Travis um und entdeckte ihn gleich hinter sich. Er nahm ihr die Platte ab, stellte sie auf die Anrichte und schloss für Megan den Kühlschrank.

„Ich finde, wir sollten unsere Abmachung besiegeln, oder nicht?“, murmelte er.

Megan konnte sich nicht erinnern, jemals so überrascht worden zu sein. Ehe sie noch einen klaren Gedanken fassen konnte, hatte er ihr schon den Mund mit seinen Lippen verschlossen. Es durchfuhr sie wie ein elektrischer Stromstoß. Travis Kane, der Schwarm aller Frauen, küsste sie. Er küsste sie, Megan O’Brien … den Wildfang … das Mädchen, das …

Was sie mit den Sinnen aufnahm, verdrängte jeglichen Gedanken. Sie nahm den Duft seines Rasierwassers wahr, den pfefferminzartigen Geschmack seiner Lippen, die Muskeln seines Oberkörpers, sein ungleichmäßiges Atmen, als er den Kopf zur Seite neigte und sein Zungenspiel verstärkte. Wie von selbst schloss sie die Augen und genoss die unbekannten, herrlichen Empfindungen, die sie durchströmten.

Sie war noch nie zuvor von einem Mann geküsst worden, hatte noch nie solche zärtlichen Hände auf ihrem Rücken und auf ihren Hüften gespürt. Auch hatte sich noch nie jemand so dicht an sie gepresst, dass sie fühlen konnte … fühlen konnte …

Megan riss die Augen auf und schob Travis rasch von sich. Da ihre Bewegung für ihn unerwartet kam, stolperte er ein paar Schritte zurück, ehe er sein Gleichgewicht wiederfand.

Sie starrten sich an. Beide atmeten schwer. Ihr Herz schlug so wild, als wollte es jeden Moment zerspringen.

„Es war nur ein Kuss, Megan. Mehr nicht“, flüsterte er.

„Klar, und Carlsbad Caverns ist nur ein Loch in der Wand. Mehr nicht“, ahmte sie seinen Tonfall nach.

„Stimmt“, erwiderte er und lächelte.

Sie wandte sich ab und hantierte an der Anrichte herum. Während sie ein paar Sandwiches machte, bemühte sie sich zu vergessen, wie erregend Travis’ Kuss gewesen war.

„Ich nehme an, du willst nicht, dass ich dich küsse“, sagte er schließlich in die beklemmende Stille hinein, die plötzlich zwischen ihnen lastete.

Sie biss sich auf die Unterlippe. Belügen konnte sie ihn nicht, aber sie war sich ihrer Gefühle auch nicht sicher. Sie konzentrierte sich auf die Brote. „Das ist es nicht. Ich … es ist bloß … ich meine, ich habe in diesen Dingen nicht viel Erfahrung und …“ Sie vermochte nicht, es ihm zu erklären.

Er blieb auf Abstand. „Und du glaubst, das stört mich? Nur weil du unschuldig bist, heißt das doch nicht …“

Sie wandte sich um und warf ihm einen verärgerten Blick zu. „Ich bin nicht unschuldig!“ Sie schloss die Augen und schluckte. Jetzt würde er sie erst recht falsch verstehen! Sie öffnete die Augen und versuchte es erneut. „Ich meine … jeder, der auf einer Ranch aufgewachsen ist, weiß alles über Fortpflanzung und Sex. Es ist bloß, dass …“ Sie fuchtelte hilflos mit der Hand in der Luft herum und wusste nicht, wie sie ihm ihre verwirrten Gefühle erklären sollte.

Er musterte sie aufmerksam. „Ja, das sagtest du schon. Du bist nicht oft ausgegangen. Ich verstehe das.“

Sie wandte sich wieder zur Anrichte um, griff nach dem Teller mit den Sandwiches und trug ihn zum Tisch. Sie bedeutete ihm, Platz zu nehmen. „Ich weiß nicht, was du von mir erwartest, das ist alles“, murmelte sie und wich seinem Blick aus.

Er nahm sich ein Sandwich und legte es auf seinen Teller. „Ich erwarte nichts von dir, was du nicht geben willst“, erwiderte er behutsam. „Mir ist klar, dass mein Vorschlag recht ungewöhnlich ist.“

„Er ist verrückt, weißt du. Wer wird uns schon glauben? Ich kann es ja selbst nicht fassen, dass ich überhaupt darüber nachdenke!“ Sie biss in ihr Sandwich, konzentrierte sich aufs Essen und versuchte innerlich, eine gewisse Distanz zu dem bekannten Fremden an ihrem Tisch zu schaffen. Wie konnte sie jemanden so gut kennen, ohne wirklich etwas über ihn zu wissen? Wie konnte sie ihn hassen – nun, zumindest sich über ihn ärgern –, weil er sie nicht beachtet hatte, als er der begehrteste Typ an der Schule gewesen war und sie sich so sehr gewünscht hatte, er würde die Frau in ihr sehen und nicht mehr den Wildfang, den er jahrelang im Bus aufgezogen hatte? Doch damals hatte er sie offenbar gar nicht gesehen. Warum dann ausgerechnet jetzt, so viele Jahre später?

„Ich mache dir einen Vorschlag“, erklärte er, als er sich das nächste Sandwich nahm.

„Was denn?“, fragte sie misstrauisch.

„Wir sollten die Abmachung für uns behalten. So ist es sicher für uns beide angenehmer. Warum sagen wir unseren Familien nicht, dass wir plötzlich unsere wahren Gefühle füreinander entdeckt haben und …“

„Das wird doch niemand glauben! Jeder weiß, dass ich … dass wir …“

„Was denn?“

„Ich meine, wir sind nie zusammen gesehen worden.“

„Ich kann dir ja geschrieben haben.“

„Das wüssten meine Schwestern.“

„Oder ich habe endlich den Mut gefunden, zu dir zu kommen und dir meine wahren Gefühle zu gestehen.“

Sie hielt sich die Hand vor den Mund und schüttelte lachend den Kopf. „Nein, das würden sie sofort durchschauen!“

„Nicht wenn du mitmachst.“

„Wie?“

Seine Augen leuchteten. „Indem du so tust, als ob du mich gernhast und wir beide das wollen.“

„Deine Familie wird …“

„Um meine Familie kümmere ich mich schon. Mach dir darüber keine Sorgen.“

„Oh.“ Sie blickte auf das vergessene Sandwich auf ihrem Teller und verspürte mit einem Mal keinen Hunger mehr.

„Wann willst du heiraten?“

Erschrocken hob sie den Kopf an. „Ich … äh …“

„Wenn du gern noch ein bisschen warten möchtest, damit alle sich erst an den Gedanken gewöhnen, ist mir das recht. Wir können uns erst verloben, wie das üblich ist.“

„Das würde dir nichts ausmachen?“

„Ich möchte, dass du dich an die Vorstellung gewöhnst.“

Ihre Gedanken überschlugen sich. „Also, wenn ich die Hypothekenzahlung pünktlich erledigen will …“

„Du musst mich nicht heiraten, um das Geld zu bekommen. Ich stelle dir heute Abend noch einen Scheck aus, der ausreichen müsste.“

„Aber ich will nicht, dass du denkst …“

„Mach dir keine Sorgen über meine Gedanken, ja? Oder über meine Gefühle. Es ist eine richtige Geschäftsvereinbarung. Nächste Woche bin ich schon wieder auf einer Rodeoveranstaltung, die mehrere Wochen dauert.“ Er hielt inne und überlegte. „Vielleicht sollten wir unsere Verlobung sofort verkünden. Ich kaufe dir einen Ring, und wir planen unsere Hochzeit. Sicherlich willst du kirchlich heiraten.“

„Kirchlich?“, krächzte sie. „Aber ist das nicht … ich meine, ist das für eine geschäftliche Abmachung nicht etwas …“ Sie machte eine hilflose Geste.

„Es wird eine richtige Ehe, Megan. Müssen wir sie dann nicht auch in der Kirche beginnen?“

Noch verwirrter konnte sie sich nicht fühlen. „Aber wo wir doch wissen, dass es nur für ein Jahr sein soll, erscheint das wie Heuchelei. Ich meine, wenn alle miterleben, wie wir heiraten, werden sie sich nicht später wundern, warum wir uns trennen?“

Nach dem letzten Bissen seines dritten Sandwiches trank er einen kräftigen Schluck Tee. „Erstens geht das niemanden etwas an. Und zweitens, so wie die Dinge heute stehen, verlaufen mehr Ehen so als anders.“

Sie dachte einen Moment darüber nach. „Das stimmt allerdings“, gab sie zu.

„So hast du wenigstens Zeit genug, dir ein Kleid auszusuchen und zu entscheiden, was deine Schwestern tragen sollen.“

Das alles kam zu schnell und zu überraschend für sie. Ihr schwindelte bereits. „Ein Kleid! Travis, seit meinem Schulabschluss habe ich kein Kleid mehr getragen!“

Er lachte. „Vielleicht kannst du für den Tag eine Ausnahme machen. Wenn du dich natürlich in Stiefeln wohler fühlst, zieh ruhig welche darunter an.“

Megan zwang sich, ihr Sandwich zu essen, während Travis mit ihr plauderte, als wäre nichts dabei, eine Hochzeit zu planen. Nach dem Essen half er ihr beim Spülen.

„Möchtest du, dass ich dabei bin, wenn du es den Mädchen sagst?“, fragte er, faltete das Geschirrtuch zusammen und hängte es auf den Handtuchhalter.

„Ach, nein“, wehrte sie rasch ab, entsetzt nur schon von dem Gedanken. „Ich kann es ihnen selbst sagen. Ich muss mir nur überlegen, wie ich das Thema anschneide.“

Er verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich gegen die Anrichte. „Wir könnten morgen in die Stadt fahren und uns Ringe ansehen.“

Sie versteckte ihre Hände hinterm Rücken. „Hältst du das wirklich für nötig?“

„Ringe?“, fragte er und hob eine Braue. „Ja, ich finde schon.“

„Ich meine, wenn wir wegen der Ringe nach Agua Verde fahren, weiß innerhalb von einer Stunde jeder Bescheid.“

Er lachte. „Das ist auch eine Art, die Nachricht zu verbreiten.“

Bestürzt senkte sie ihren Blick. Es bereitete ihr keine Schwierigkeiten, Probleme auf der Ranch oder mit den Mädchen zu besprechen, aber Ringe aussuchen? Heiraten? Daran hätte sie im Traum nicht gedacht.

„Oder … wir können auch nach Austin fahren, wenn dir das lieber ist. Wir können einen Tagesausflug dorthin machen, vielleicht sogar ins Kino gehen. Sicher kannst du einmal länger ausbleiben.“

Sie schaute auf und begegnete seinem intensiven Blick. „Warum willst du das tun, Travis? Das verstehe ich nicht. Warum bist du bereit, dich auf diese Weise zu binden? Sicher hast du auf deinen Reisen Frauen kennengelernt, die …“

„Keine, die ich heiraten würde.“

„Aber …“

„Ich wollte immer ein Mädchen aus meiner Heimatstadt heiraten, wusstest du das nicht?“, erwiderte er und lachte erneut.

„Warum hast du dann nicht Carrie Schwarz geheiratet? Mit ihr bist du zuletzt gegangen.“

Er blickte verblüfft drein. „Carrie? Ist sie nicht verheiratet?“

„Inzwischen ja, aber sie hat jahrelang auf dich gewartet.“

Er lachte. „Das bezweifle ich.“

„Hat sie aber. Sie ist aufs College gegangen und kam so oft nach Hause, wie sie konnte, in der Hoffnung, dir zu begegnen. Im ersten Jahr erfuhr sie während der Weihnachtsferien, dass du mit Trish Kronig ausgegangen bist, wenn du in der Stadt warst.“

„Du hast ein gutes Namensgedächtnis. Die habe ich beide längst vergessen.“

Sie trat ans Fenster und schaute nach draußen. Es war bereits dunkel. Die Lampe in der Nähe der Scheune erhellte den Hof nur schwach. „Sicher haben sie dich nicht vergessen“, behauptete sie leise und erinnerte sich daran, wie leicht es war, jemandem das Herz zu brechen. War sie nicht froh gewesen, dass sie damals nicht hübsch genug gewesen war, um seine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen? Hatte sie sich nicht glücklich geschätzt, dass sie nicht so etwas durchmachen musste wie diese Mädchen?

Er nahm seinen Hut an sich. „Das war vor Jahren, Megan. Damals war ich noch grün hinter den Ohren.“

Sie wandte sich ihm zu. „Und heute bist du erwachsen, ja?“

Er schenkte ihr sein hinreißendes Lächeln. „Ich hoffe es, da ich vorhabe zu heiraten und sesshaft zu werden.“

„Aber du gibst deine Rodeoveranstaltungen nicht auf“, stellte sie vielsagend fest.

„Nein, jetzt im Moment nicht. Aber es bleiben mir nur noch ein paar Jahre für diese Arbeit. Beim Rodeo wird man früh alt.“

„Oder stirbt jung.“

Er setzte den Hut auf. „Nicht ich. So hart und zäh wie ich bin.“ Er öffnete die Tür und trat auf die Veranda. „Ich hole dich gleich nach dem Essen morgen Mittag ab, wenn dir das recht ist, ja?“

Sie hielt einen Moment inne. Jetzt war der richtige Zeitpunkt, abzusagen, falls sie das wollte. Doch sie hatte das ungute Gefühl, dass sie den vollkommen verrückten Gedanken aufgreifen würde. Ihre Möglichkeiten waren begrenzt. Sie hatte sich einen Weg gewünscht, die Ranch zu retten, und den bot Travis ihr. Welch eine Ironie des Schicksals!

Sie schlang ihre Arme um sich. „In Ordnung, Travis, bis dann“, antwortete sie schließlich und gestand sich ein, dass sie nie zuvor so eine erschreckende Entscheidung getroffen hatte. Sie würden die Ranch nicht verlieren, aber Travis Kane zu heiraten konnte ihr schließlich auf Dauer mehr zusetzen als der Verlust ihres Besitzes.

Abstand von ihm zu halten hatte sie als junges Mädchen geschützt. Aber wie sollte sie sich jetzt vor ihm schützen, wenn er ihr so nahestand?

3. KAPITEL

Megan nahm ein langes Bad, nachdem Travis gegangen war, und überdachte in Ruhe seinen Vorschlag. Irgendwann stieg sie aus der Wanne und trocknete sich ab, zog sich das verwaschene Nachthemd und den alten Bademantel an, aber sie war innerlich zu aufgewühlt, um schlafen zu gehen. Deshalb legte sie sich auf die Couch, schaltete den Fernseher ein und wartete auf die Rückkehr ihrer Schwestern.

Sie lag noch auf der Couch und war eingenickt, als sie den Wagen die Einfahrt heraufkommen hörte. Die alte Rostlaube klapperte und dröhnte. Sie klang eher wie ein Dreschflegel als wie ein Transportmittel.

Megan hatte Mollie vergangenen Abend damit in die Stadt fahren lassen, da beide, Mollie und Maribeth, bei Freunden hatten übernachten wollen. Sie hatten sich nie beschwert, dass sie fast vierzig Kilometer von der Stadt entfernt wohnten, freuten sich jedoch immer darauf, Freunde zu besuchen oder sich mit ihnen im örtlichen Hamburgerlokal zu treffen.

Es gab Zeiten, so wie heute, da vermisste Megan ihre Eltern sehr. Nach dem Kalenderalter mochte sie zwar vierundzwanzig Jahre sein, aber ihr kam es oft so vor, als wäre sie noch sechzehn und hätte gerade erst Bekanntschaft mit dem anderen Geschlecht gemacht. Schon kurz darauf war ihre Jugend mit der Nachricht vom tödlichen Unfall ihrer Eltern abrupt vorbei gewesen. Praktisch über Nacht hatte sie Mollie und Maribeth Mutter und Vater zugleich ersetzen und die Circle-B-Ranch bewirtschaften müssen. Keine leichte Angelegenheit, denn zunächst hatten die Behörden die beiden in ein Waisenhaus stecken wollen. Doch Megan hatte sich dafür stark gemacht, dass sie sie behalten durfte und hatte erklärt, mit Butchs Hilfe würde sie schon klarkommen.

Heute Abend hatte sie eine weitere Entscheidung zum Wohlergehen ihrer Schwestern getroffen. Ihre eigenen Gefühle spielten nur eine geringe Rolle dabei.

Die Küchentür knarrte, als eine der beiden sie öffnete. Megan hörte Maribeth munter drauflosplappern. Sie lächelte. Maribeth war so lebhaft. Was ihr gerade durch den Sinn ging, kam auch über ihre Lippen. Sie schien durchs Leben zu stürmen, bereit, alles mit ausgebreiteten Armen aufzunehmen.

Ihr langes rotes Haar reichte ihr weit den Rücken hinunter. Sie hielt es mit einer Spange aus dem Gesicht zurück. Ihre großen braunen Augen waren sehr ausdrucksvoll und spiegelten jeden ihrer Gedanken wider.

Maribeth war damals acht gewesen.

Obwohl Mollie nur zwei Jahre älter war als Maribeth, kam es Megan so vor, als wäre sie fast so alt wie sie. Vielleicht lag es daran, dass Mollie die Stillere in der Familie war. Sie hatte sich sehr gut mit der Mutter verstanden, und nach dem schrecklichen Unglück schien sie noch in sich gekehrter.

Sie führte den Haushalt und kochte, ohne ihre Schularbeiten zu vernachlässigen.

Mollie war klug. Sie verdiente die Chance, aufs College zu gehen. Megan hatte sich bemüht, genügend Geld beiseitezulegen, aber es wollte nicht reichen. In wenigen Wochen würde Mollie die Highschool abschließen. Zwar hatte sie die Möglichkeit, eine Stelle als Verkäuferin anzutreten, aber Megan wünschte sich etwas Besseres für sie.

Mit ihrer zarten hellen Haut und dem dunklen kastanienbraunen Haar war sie eine echte Schönheit. Ihre Augen waren so blau, dass man meinen konnte, sie trüge farbige Kontaktlinsen. Doch es schien ihr nicht bewusst zu sein, wie gut sie aussah, denn sie war sehr überrascht gewesen, als sie im vergangenen Herbst von ihren Schulkameraden zur Ballkönigin gekürt worden war.

„Hallo, Megan!“, rief Maribeth und stürmte in den Raum. „Was machst du denn noch hier? Sonst bist du doch um diese Zeit schon im Bett.“ Übermütig ließ sich Maribeth in den großen Sessel fallen.

Megan verzog das Gesicht und lachte. „Wie du das sagst, klingt es, als wäre ich eine alte Großmutter. Gelegentlich bleibe ich schon mal bis nach neun Uhr auf.“

Mollie blieb im Türrahmen stehen. „Möchtet ihr etwas zu trinken? Ich habe ein Sechserpack Limo gekauft.“

Megan schaute lächelnd in die Runde. „Hm. Klingt gut.“

„Du wirst niemals erraten, wen ich heute in der Stadt gesehen habe!“, verkündete Maribeth dramatisch.

„Vermutlich nicht“, erwiderte Megan. „Warum sagst du es mir nicht gleich?“

„Travis Kane! Ich konnte es nicht fassen. Bobby, Chris und ich mussten für Bobbys Mom zur Post, und wer kommt da aus der Tür? Niemand anderes als Travis Kane. Du hättest Bobby sehen müssen! Er hat schon immer davon geträumt, einen wilden Bullen zu reiten so wie Travis, ganz zu schweigen von seiner Geschicklichkeit beim Kälbereinfangen. Er hat regelrecht gestottert, als Travis uns angesprochen hat.“

Mollie kam mit drei großen Gläsern zurück. Eines reichte sie Megan und das andere Maribeth.

„Ich weiß. Travis war heute hier.“

Sichtlich überrascht schaute Mollie sie an. „Travis Kane war hier? Wozu denn das?“

Statt Mollie zu antworten sah Megan Maribeth an. „Was hast du Travis über uns erzählt, Maribeth?“

Wenigstens besaß ihre jüngste Schwester so viel Schamgefühl, dass sie errötete. „Also, eigentlich nichts. Er hat nur nach dir gefragt, und da habe ich … Na ja, ich habe wohl erwähnt, dass du dir große Sorgen um uns machst, weil wir möglicherweise die Ranch verlieren.“

Mollie sank auf die Couch und starrte Maribeth entsetzt an. „Maribeth! Das darf nicht wahr sein! Du kannst doch nicht herumlaufen und mit jedem über unsere Angelegenheiten sprechen!“

„Das habe ich auch nicht gemacht. Die Leute wissen doch sowieso alle Bescheid. Es ist kein Geheimnis, dass wir die Ranch verlieren. Was ist dann so schlimm daran?“

Mollie schüttelte verständnislos den Kopf. „So etwas macht man einfach nicht.“

Seufzend lehnte Megan sich gegen die Couch. „Sie macht so etwas schon.“

„Ja, aber er hat nach dir gefragt, und ich wollte nur höflich sein und …“

„Sicher wolltest du nur seine Aufmerksamkeit ein wenig länger auf euch ziehen“, bemerkte Mollie. „Bobby und du, ihr wäret doch Mitglieder in seinem Fanclub, wenn er einen hätte.“

Maribeth schwang die Beine über die Armlehne des Sessels. „He, das ist eine großartige Idee. Wir könnten einen …“

„Das war nur ein Scherz von mir“, unterbrach Mollie sie hastig. „Travis Kane braucht keinen Fanclub! Sein Ego ist bereits groß genug.“

„Und ob“, bestätigte Megan leise.

Maribeth schob gekränkt ihre Unterlippe vor. „Ich verstehe nicht, was ihr gegen Travis habt. Was hat er euch eigentlich getan?“

Megan rückte zur Seite, zog die Knie hoch und legte ihr Kinn darauf. Die Wende der Unterhaltung behagte ihr nicht, aber ihr fiel auch kein Themawechsel ein, der nicht zu auffällig war.

Zu ihrer Verwunderung antwortete Mollie, die sonst so selten etwas sagte: „Er hält sich für den Größten, deshalb. Läuft immer in diesen engen Jeans herum, hat den Hut fast bis auf seine teure Sonnenbrille herabgezogen und lächelt jedes Mädchen so an, als müsste sie nur schon bei einem Blick von ihm in Ohnmacht fallen. Ich finde ihn regelrecht widerlich.“

Megan wurde es schwer ums Herz. „Ich wusste gar nicht, dass du ihn so sehr ablehnst“, flüsterte sie.

„Du hast noch nie ein gutes Haar an ihm gelassen!“, wandte Mollie verwundert ein. „Ich weiß noch, als ihr beide in der Schule wart, hast du dich immer über ihn beschwert und mit was weiß ich für Ausdrücken um dich geworfen. Mom hat darüber gelacht, wie du dich über ihn aufgeregt hast, erinnerst du dich?“

„Da war ich noch ein Kind. Ihm hat es Spaß gemacht, mich auf dem Schulweg zu ärgern. Wir waren fast eine Stunde mit dem Schulbus unterwegs, sodass er genügend Zeit hatte, sich irgendeinen Unsinn auszudenken.“

„Also, meine Freundin Betsy hat mir erzählt, wie er mit ihrer älteren Schwester geflirtet hat“, berichtete Mollie, und ihre Wangen röteten sich. „Er hat das so lange getrieben, bis Betsys Schwester sich in ihn verliebt hat. Dann hat er sie fallen lassen, als würde sie ihm nichts bedeuten. Das hat er mit vielen gemacht. Ich finde, er sollte verschwinden und für immer wegbleiben!“

„Ich bin nicht dafür. Er sieht großartig aus“, widersprach Maribeth ihr. „Nur weil ihr beide keinen Freund habt, müsst ihr doch nicht gleich einen so gut aussehenden Mann wie Travis mies machen. Bobby sagt …“

„Nicht doch.“ Megan schüttelte den Kopf. „Wenn Bobby das sagt, ist es das Evangelium, nicht wahr?“

„Bobby kennt sich mit Rodeos aus. Er geht mit seinem Vater zu jeder Veranstaltung, hat auch schon Travis gesehen und sagt, er wäre total beeindruckend. Schließlich ist er vergangenes Jahr World Champion geworden.“

Megan stand auf. „Ich gehe jetzt mal lieber ins Bett. Neben dir fühle ich mich schon alt, Maribeth“, bekannte sie und strich ihrer Schwester übers Haar. „Ihr habt euch sicher gut amüsiert.“

„Ja, bei Rita gibt es immer viel zu lachen. Ihre Mom meint, ich könnte jederzeit wieder bei ihnen übernachten.“

„Schön. Freut mich zu hören, dass du dich nicht unmöglich benommen hast.“ Megan fing Mollies Blick auf und deutete knapp zum Flur hinüber. „Bis morgen.“ Müde stieg sie die Treppe hinauf und hoffte, Mollie hätte das Zeichen verstanden, das sie ihr gegeben hatte. Heute Abend würde sie nicht eher einschlafen, bis sie nicht mit ihr über alles gesprochen hatte.

Sie hatte nicht gewusst, dass Mollie Travis so heftig ablehnte. Natürlich war sie nicht ganz unschuldig an der Abneigung ihrer Schwester. Sie selbst hatte sich nicht die Mühe gemacht, mit ihren wahren Empfindungen hinterm Berg zu halten. Aber jetzt musste sie Mollie wenigstens eine Erklärung für ihre plötzliche Meinungsänderung geben – und das, ohne ihr die ganze Wahrheit zu sagen. Wenn Travis wollte, dass niemand die Wahrheit erfuhr, dann war sie ihm das schuldig.

Sie streifte ihren Morgenrock ab und sank auf die Bettkante. Was für eine Katastrophe! Zuerst war ihr Travis’ Vorschlag recht vernünftig erschienen. Eine Ehe für ein Jahr, eine begrenzte Partnerschaft. Eine reine Geschäftsvereinbarung. Dafür, dass er ihr mit der Ranch half, würde sie ihn heiraten. War das nicht vernünftig?

Sie bezweifelte, dass Mollie es so sehen würde. Fürsorglich, wie Mollie veranlagt war, würde sie vermutlich glauben, dass Megan in ihn verliebt war oder so ähnlich. Bestimmt würde sie aber annehmen, dass Megan hinterher enttäuscht sein würde, auch wenn das gar nicht passieren konnte.

In dem Moment hörte Megan ein leises Klopfen an der Tür. „Komm rein“, bat sie.

„Du wolltest mit mir sprechen?“, erkundigte sich Mollie, als sie den Raum betrat.

„Ja.“ Megan klopfte aufs Bett, und Mollie nahm neben ihr Platz. „Ich wollte etwas mit dir besprechen, was Maribeth nicht unbedingt mitbekommen muss. Zumindest jetzt noch nicht.“

„Das kann ich verstehen. Was du ihr erzählst, kannst du auch gleich in den Sechs-Uhr-Nachrichten verkünden lassen!“

„Ich muss dich um einen Gefallen bitten.“

„Sicher. Jederzeit.“

Megan lächelte und schüttelte amüsiert den Kopf. „Du weißt noch gar nicht, was ich will.“

„Spielt keine Rolle.“

Impulsiv beugte Megan sich vor und umarmte ihre Schwester. „Habe ich dir jemals gesagt, wie sehr ich dich lieb habe und schätze? Ohne dich wäre ich nicht so weit gekommen.“

Mollie errötete. „Sei nicht albern. Du redest, als lägest du auf dem Sterbebett oder so was. Also … was gibt es denn? Welchen Gefallen soll ich dir tun?“

Megan holte tief Luft und fühlte sich richtig unwohl in ihrer Haut. Seufzend atmete sie aus. „Ich habe überlegt, ob du mir für morgen ein Kleid leihen könntest.“

Ungläubig starrte Mollie sie an. „Ein Kleid?“, wiederholte sie. „Ich soll dir ein Kleid leihen?“

„Habe ich das nicht gerade gesagt?“

„Ich dachte schon, ich hätte plötzlich einen Hörfehler. Du trägst doch sonst keine Kleider. Warum brauchst du denn jetzt eines?“

„Das ist eine lange Geschichte.“

Mollie rutschte weiter aufs Bett und verschränkte die Beine im Yogasitz. „Wie lang sie ist, macht mir nichts aus. Die will ich unbedingt hören.“

Megan rückte auch weiter zurück, lehnte sich am Kopfende an und wappnete sich innerlich auf Mollies Reaktion. „Ich fahre morgen mit Travis Kane nach Austin.“

„Du bist mit ihm verabredet?“

„Hm.“

„Aber du verabredest dich doch sonst nicht.“

„Ich weiß.“

„Du bist seit der Schulzeit mit niemandem mehr ausgegangen.“

„Ich weiß.“

„Du ziehst nie ein Kleid an.“

„Das hast du schon mal gesagt, Mollie! Ich weiß, ich trage sonst keine Kleider. Deshalb will ich mir ja auch eins von dir ausleihen. Wir haben fast die gleiche Größe. Ich bin vielleicht zwei Zentimeter kleiner als du. Aber es spielt keine Rolle, wie es mir steht.“ Sie fuhr sich mit der Hand durchs Haar. „Ich werde sowieso albern aussehen, aber ich wollte wenigstens etwas …“, sie machte eine vage Geste, „ach, etwas weiblicher aussehen.“

Über die Worte konnte Mollie nur schmunzeln. „Du könntest gar nicht weiblicher aussehen, Megan.“

„Was? Das soll wohl ein Witz sein. Mit meinem kurzen Haar und dem Overall hat mich schon mehr als einer für einen jungen Burschen gehalten.“

„Dann muss man aber blind sein. Du hast ein sehr weibliches Gesicht, einen schlanken Hals und bewegst dich so graziös, dass es kaum zu übersehen ist.“

„Du bist verrückt! Ich? Ich bin viel zu dürr. Ich …“

„Du bist zierlich gebaut, aber nicht dürr. Wir könnten dein Haar schneiden und eines meiner Kleider wählen, in dem du dich auch wohlfühlst. Vielleicht solltest du etwas Make-up auftragen.“

„Ich habe mein ganzes Leben noch kein Make-up benutzt.“

„Na und? Wenn du schon mit deiner sonstigen Gewohnheit brichst und ein Kleid anziehst, kannst du das auch noch machen.“

Unsicher und zögernd fasste Megan nach ihrem Haar. „Ich weiß nicht, was du damit anfangen willst. Wenn es mir über den Augen zu lang wird, schneide ich es einfach ab. Und sonst kürzt du es mir immer im Nacken.“

„Teresa, die beim Friseur in der Stadt arbeitet, hat mir gezeigt, wie man Haare schneidet, als sie keine Kunden hatte. So schwer ist das nicht. Ich glaube, ich könnte etwas mit deinem Haar anfangen.“ Sie streckte ihre Hand nach Megans Haar aus. „Es ist so schön dicht und lockig.“

Megan verzog das Gesicht. „Sieht eher aus wie ein Mopp.“

Mollie lachte. „Mit dem richtigen Schnitt sieht es flott und chic aus.“

„Wie du meinst“, erwiderte Megan. „In der Hinsicht vertraue ich mich dir voll und ganz an.“

„Gut, morgen sehen wir uns mal an, was ich im Schrank habe, und dann mache ich dir das Haar. Das dauert nicht allzu lange. Wann kommt er?“, erkundigte sich Mollie und glitt vom Bett.

„Gegen ein Uhr.“

Weiter als bis zur Tür kam sie nicht. „Ganz verstehe ich das nicht. Warum hast du dich so plötzlich ausgerechnet von Travis Kane einladen lassen?“

Megan überlegte, was sie Mollie erzählen könnte, um sie auf das vorzubereiten, was kommen würde, aber ihr fiel nichts ein. Schließlich hob sie die Schultern und erwiderte nur: „So unmöglich ist er nicht, Mollie.“

Mollie schnaubte verächtlich. „Pah! Er ist arrogant, egozentrisch und eingebildet wie sonst wer. Das, meine liebe Schwester, ist ein Zitat von dir, als sein Name kürzlich in einem Gespräch erwähnt wurde. Wann ist er in deiner Gunst so enorm gestiegen?“

Beklommen verschränkte Megan ihre Hände im Schoß und betrachtete aufmerksam ihre Finger. „Er hat mir angeboten, uns zu helfen, bis wir über das Schlimmste hinweg sind. Er will nicht, dass wir die Ranch verlieren.“

Mollie lehnte sich gegen den Türrahmen. „Es fällt mir schwer, das zu glauben. Was hat er denn davon?“

Megan vermied es, Mollies Blick zu begegnen. „Er hat gesagt, er will uns bloß helfen, da wir uns schon so lange kennen und Nachbarn sind und so.“

„Aha. Und dann bittet er dich, mit ihm auszugehen. Was steckt in Wirklichkeit dahinter? Irgendwelche Verpflichtungen müssen doch daraus erwachsen. Sicher hat Maribeth ihm unsere Situation detailliert geschildert, und er weiß ganz genau, dass wir kein Geld haben, ihm etwas zurückzuzahlen, wenn er uns etwas leiht.“

Nun sah Megan keine Möglichkeit mehr, Mollie die Wahrheit zu verschweigen. Sie presste ihre Hände fester gegeneinander und schaute zu Mollie auf. „Er hat mich gefragt, ob ich ihn heirate.“

„Was?“, schrie Mollie entsetzt auf und war mit einem Schritt wieder beim Bett.

„Pst! Maribeth hört dich noch!“

Mollie legte beide Hände über ihren Mund, starrte Megan eine Weile reglos an und begann, auf und ab zu gehen. Megan schloss die Augen. Es war schwerer, als sie es sich vorgestellt hatte. Aber was konnte sie auch bei ihrer langjährigen – wenn auch etwas einseitigen – Fehde mit Travis anderes erwarten?

Schließlich hielt Mollie inne und raunte ihr zu: „Hat der Mann Nerven! Glaubt er etwa, du würdest dich verkaufen wie eine …“

„Mollie, ich habe seinen Antrag angenommen“, entgegnete Megan ruhig.

Mollie wich zurück, als hätte sie eine Ohrfeige bekommen. Ihre Augen weiteten sich vor Entsetzen. „Oh, Megan, nein“, flüsterte sie atemlos. „Bitte nicht. Das musst du nicht tun. Ich weiß, du hast dir Sorgen gemacht, was aus uns wird, aber nichts ist es wert, dass du dein Glück so wegwirfst.“ Tränen stiegen ihr in die Augen.

Rasch kletterte Megan vom Bett und umarmte ihre Schwester. „Aber, Mollie … es ist in Ordnung so. Wirklich. Wir betrachten die Sache wie eine Geschäftsvereinbarung. Er wird die meiste Zeit nicht mal hier sein. Er muss möglichst an allen Rodeoveranstaltungen teilnehmen, um die Punkte zu erzielen, die er braucht. Weißt du, er kann nur selten nach Hause kommen.“

Sie lehnte sich zurück, sodass sie Mollies Gesicht sehen konnte. Rasch schnappte sie sich ein Taschentuch und tupfte der Schwester die Tränen von den Wangen. „Einen Kredit konnte ich nicht von ihm annehmen, Mollie. Dann wäre ich ihm verpflichtet gewesen.“

„Megan! Was um alles in der Welt ist denn eine Ehe? Bedeutet das für dich etwa keine Verpflichtung?“

„Für uns ist es eine Partnerschaft“, erwiderte sie hastig. „Darauf haben wir uns geeinigt. Er meinte, für ihn würde es Zeit, sesshaft zu werden. Er will ein Zuhause und …“

„Aber, Megan“, wandte Mollie kopfschüttelnd ein. „Travis Kane wird dir das Herz brechen.“

Entschlossen reckte Megan ihr Kinn vor. „Wenn ich das nicht zulasse, wird das auch nicht passieren.“

„Das kannst du dir nicht aussuchen.“

Megan ließ die Arme sinken und trat vom Bett zurück. Sie ging zur Kommode hinüber und griff nach ihrem Kamm. Ganz in Gedanken spielte sie damit. „Man kann sich immer irgendetwas aussuchen, Mollie. Vergiss das nicht. Travis und ich haben uns geeinigt und sind uns auch völlig im Klaren darüber, was wir machen. Es wird schon richtig sein, glaub mir. Bitte, mach dir keine Sorgen. Ich bin längst erwachsen.“ Ich würde noch viel mehr auf mich nehmen, um für dich und Maribeth zu sorgen, fügte sie im Stillen hinzu.

Autor

Annette Broadrick

Bis Annette Broadrick mit sechzehn Jahren eine kleine Schwester bekam, wuchs sie als Einzelkind auf. Wahrscheinlich war deshalb das Lesen immer ihre liebste Freizeitbeschäftigung.

Mit 18 Jahren, direkt nach ihrem Abschluss an der Highschool, heiratete sie. Zwölf Monate später wurde ihr erster Sohn geboren, und schließlich wurde sie in sieben...

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Leanne Banks
Mit mehr als 20 geschriebenen Romanen, ist Leanne dafür geschätzt Geschichten mit starken Emotionen, Charakteren mit denen sich jeder identifizieren kann, einem Schuss heißer Sinnlichkeit und einem Happy End, welches nach dem Lesen noch nachklingt zu erzählen.
Sie ist die Abnehmerin der Romantic Times Magazine’s Awards in Serie. Sinnlichkeit, Liebe und...
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